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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Medien- und Kommunikationsbericht der Bundesregierung liegt nun schon mehr als ein Jahr vor, und doch greift er auch heute noch aktuelle Themen auf. Der russische Präsident Wladimir Putin führt nicht nur einen völkerrechtswidrigen und abscheulichen Krieg in der Ukraine. Er führt auch einen Krieg gegen die gesamte Welt – einen Krieg gegen unsere Medienordnung, einen Krieg gegen unsere Wertvorstellungen, gegen unsere Freiheit. Den Krieg in der Ukraine führt Putin mit Soldaten, Panzern und Bombern. Den Kampf gegen die Welt führt er mit Texten, Tonaufnahmen und Bildern. Gezielte Falschnachrichten werden immer wieder auf die russische und russischsprachige Bevölkerung losgelassen, überall in der Welt. Putin schafft sich so seine eigene Welt.
Die grausame Realität sieht anders aus. Diese Realität versucht er mit aller Vehemenz zu verbannen und zu verbieten. Waren die Plattformen der sozialen Medien zunächst noch die letzte Bastion offener und freier Informationsmöglichkeiten, so werden diese immer weiter eingedämmt. Eine Abschottungswelle rollt über die russische Bevölkerung hinweg und macht aus einem weltoffenen und weltumspannenden Internet ein zentralistisches, politisch kontrolliertes Intranet. Das ist ein unsäglicher Vorgang, der uns allen deutlich vor Augen führt, welche Gefahren von staatlich kontrollierten und missbrauchten Medien ausgehen können.
Der russische Präsident hat erkannt und macht uns deutlich, dass Medien nicht nur die Hüter einer freien Welt und demokratischen Grundordnung sind, sondern auch Instrument moderner Kriegsführung sein können. Dagegen vorzugehen, ist unsere Aufgabe in einer freien Welt.
Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die sozialen Medien haben uns alle und unser gesellschaftliches Miteinander verändert, im Guten wie im Schlechten. Technik und technischer Fortschritt sind nicht böse oder schlecht. Entscheidend ist, was wir daraus machen, wie wir mit der Macht der ständigen Erreichbarkeit, der fortwährenden Nachrichtenaufnahme umgehen, wie wir die Gier nach Sensation und Aufmerksamkeit nutzen oder benutzen.
Die Medienplattformen haben dies durch ihre Algorithmen und Geschäftsmodelle in der Hand: Folge ich dem Kreml oder Coronaleugnern, oder schaue ich mir Katzenvideos, Schminktipps oder Videos an, die zeigen, wie man eine Waffe zusammenbaut? Das Internet bietet jedem alles – mittlerweile 3,6 Milliarden Social-Media-Nutzern –: faktenbasierte Inhalte, aber eben auch Fake News, Propaganda und Hass. Die persönliche Meinungsbildung wird auf eine harte Probe gestellt: Bin ich umfassend informiert? Ist das eine seriöse Quelle? Warum sehe ich jenes Bild oder diese Nachricht? All diese Fragen müssen wir uns stellen.
Doch die zivilgesellschaftliche Resilienz ist nicht so hoch, wie wir es uns wünschen. Ohne Gegenmaßnahmen werden sich Fake News, Propaganda und Falschinformationen gegen faktenbasierte Inhalte langfristig durchsetzen. Laut einer Studie der Stiftung Neue Verantwortung können lediglich 43 Prozent der Nutzer sozialer Medien Desinformation von Information unterscheiden. Hier müssen wir ansetzen, und hier werden wir als Ampelfraktionen auch ansetzen. Unsere Mediengesetze sind gefangen im Nirwana zwischen Ländern, Bund und Europa. Dies führt zu Überschneidungen, Unklarheiten und Rechtsunsicherheiten. Hier werden wir mit einer Bund-Länder-AG die Mediengesetzgebung voranbringen.
Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die vorgebrachte Idee einer kooperativen europäischen Medienplattform ist nicht neu, doch was kann sie leisten? Die Verknüpfung von Fernsehen, Radio- und Printangeboten schafft eine größere Sichtbarkeit im Netz und kann zu mehr Informations- und Rechtssicherheit beitragen. Sie verkürzt als „europäisches Facebook“ darzustellen, wird ihrer eigentlichen Rolle und Bedeutung nicht gerecht. Es geht gerade nicht darum, privaten Anbietern staatliche oder europäische Gegenmodelle aufzuzwingen, sondern darum, europäisches Know-how vor Ort und mediale Vielfalt zu fördern. Eine gemeinsame Plattform kann das europäische Wir-Gefühl stärken, Vorurteile abbauen und Grenzen im Herzen und im Kopf einreißen. Es geht darum, Pluralismus im Netz zu begünstigen, Öffentlich-Rechtliche und Private einzubinden, Transparenz zu fördern und westliche Grundwerte, die unser Leben prägen, auch im Netz aktiv zu leben und zu vertreten.
Die Bedeutung der sozialen Medien für die öffentliche Meinungsbildung ist immens, doch werden die angezeigten Inhalte allein von Algorithmen bestimmt, die ausschließlich den wirtschaftlichen Eigeninteressen der Unternehmen dienen. Sie richten sich nicht nach Wahrheitsgehalt und Richtigkeit der Inhalte, sondern verstärken Echokammern und Filterblasen. Damit kommen die sozialen Medien dem Auftrag unseres Grundgesetzes nicht nach.
Klassische Medien wie Zeitungen und Zeitschriften, aber auch die sozialen Netzwerke sind unverzichtbarer Teil der öffentlichen Meinungsbildung. Ihr Auftrag ist es, konstruktiv zu unserer Demokratie beizutragen. Deshalb müssen wir Wege finden, den digitalen Raum sicher zu gestalten und vor Missbrauch zu schützen. Dies schafft Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt und stärkt damit unsere Gesellschaft.
Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat Dr. Petra Sitte für die Fraktion Die Linke.
Beifall bei der LINKEN)