- Bundestagsanalysen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der hier vorliegende Medien- und Kommunikationsbericht der vorhergehenden Bundesregierung erschien im Juni 2021 und damit mitten in der Coronapandemie. Folglich flossen bereits erste Erkenntnisse, wie die Pandemie unser Leben außerhalb der Gesundheitsvorsorge verändert hat, in die Bewertung ein. Eine der Haupterkenntnisse ist, dass die Digitalisierung und die damit verbundene Nutzung von digitalen Medien noch einmal einen enormen Schub erhalten haben. Ein ohnehin sich dynamisch entwickelnder Markt hat noch einmal stärkeren Zuwachs erfahren.
Auf diese Entwicklung gilt es in der neuen Wahlperiode zu reagieren. Altbekannte Themen bleiben aktuell: Die Medien- und Meinungsfreiheit, der faire Wettbewerb oder die Vielfalt der Medien müssen weiterhin gesichert werden, und gleichzeitig müssen wir auf neue Phänomene reagieren. Der Bedeutungszuwachs digitaler Plattformen hat die Form, wie und wo sich Menschen heutzutage informieren, revolutioniert und damit einen gesellschaftlichen Wandel eingeläutet, der unsere traditionellen Mediensysteme vor enorme Herausforderungen stellt.
Die Konsequenzen können wir aktuell in Russland und in der Ukraine, aber auch hier in Deutschland sehen. Während wir in unseren Medien täglich schockierende Bilder über den Angriffskrieg Russlands in der Ukraine und die verheerenden Folgen für die ukrainische Zivilbevölkerung sehen, glaubt ein Großteil der russischen Bevölkerung aufgrund gezielter Propaganda immer noch an einen humanitären Befreiungseinsatz gegen ein ukrainisches Naziregime. Das ist bei Weitem kein Einzelfall. Spätestens seit der Präsidentschaft Donald Trumps und seinen damit verbundenen Ausführungen auf Plattformen wie Twitter wissen wir, welche Gefahr auch für Demokratien von diesen Plattformen ausgehen kann. Man denke nur an den Sturm auf das Kapitol in Washington im Januar 2021. Neue Phänomene wie Hassrede und Cybermobbing gehören genauso dazu wie gezielte Desinformationen und mediale Manipulation, die die Rechtspopulisten mittlerweile auch in dieses Hohe Haus getragen haben.
Das alles zeigt, dass wir in den kommenden Jahren eine vertiefte Diskussion anstoßen müssen, ob und wie wir journalistische Standards auf den Onlineplattformen etablieren können.
Beifall bei der CDU/CSU)
Die grundsätzliche Frage besteht darin, ob wir die marktdominierenden Plattformen wie Google, Facebook, Twitter, TikTok usw. zu einer Kooperation und Selbstverpflichtung bewegen können oder ob neue Angebote geschaffen werden müssen. Um diese Ziele zu erreichen, müssen wir jetzt die Grundlagen legen und bei allen politischen Entscheidungen zielorientiert und vernetzt denken.
Bereits bei der nun laufenden Auftrags- und Strukturreform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks müssen diese Ziele klar formuliert und beachtet werden. Das Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 18. Juli 2018 bestätigt, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Werte einer freiheitlichen Demokratie auf Plattformen zum Ausdruck bringen darf, dies aber in der aktuellen Form noch nicht leisten kann. Im Urteil wird erklärt, dass aufgrund der Werbefinanzierung vor allem massenattraktive Angebote auf den Plattformen konsumiert werden. Durch die Nutzung von Algorithmen wird verstärkt, dass Inhalte gezielt auf die Nutzerinnen und Nutzer zugeschnitten werden, was wiederum zur Manifestierung gleichgerichteter Meinungen führt.
Das alles hat zur Konsequenz, dass viele Menschen aktuell nicht ausreichend zwischen Information, Meinung und Werbung unterscheiden können. Es entfällt derzeit die professionelle Aufarbeitung der Informationen anhand von verantwortungsbewussten journalistischen Standards. Hier besteht akuter Handlungsbedarf, der durch die öffentlich-rechtlichen Medien abgedeckt werden kann. Dies geht aber weit über den aktuellen Medienstaatsvertrag hinaus, weshalb die letzte Bundesregierung an dieser Stelle eine Anpassung des Auftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks angeregt hat. Die BKM hat in jedem Fall in den vergangenen Jahren eine sehr gute Arbeit geleistet und immer wieder wegweisende Regulierungen unterstützt, die den Entwicklungen der jeweiligen Zeit gerecht wurden. Das sind die Maßstäbe, an denen wir als Opposition die neue Bundesregierung messen werden.
Das Aufgabenfeld ist klar umrissen, und wir sind bereit, einen konstruktiven Beitrag zu leisten, um 16 Jahre Unionsarbeit nicht verfallen zu lassen.
Vielen Dank.
Beifall bei der CDU/CSU)
Das Wort hat der Kollege Helge Lindh für die SPD-Fraktion.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)