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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich sage jetzt erst mal etwas Außergewöhnliches: Ich möchte mich bei der Union tatsächlich bedanken, aber nicht für diesen Antrag, sondern dafür, dass Sie in der Opposition sind.
Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD
Beifall der Abg. Dr. Tanja Machalet [SPD])
Denn Sie ermöglichen jetzt tatsächliche Teilhabe für Menschen mit Behinderung am Leben in der Gemeinschaft. Es gibt in diesem Haus so ein Phänomen; ich möchte Ihnen das mal näher erläutern. Wenn man näher hinguckt, stellt man fest: Immer wenn Sie in der Opposition sind, entdecken Sie plötzlich Arbeitsmarktpolitik und Sozialpolitik für Menschen mit Behinderung. Deshalb: Vielen, vielen Dank, dass Sie in der Opposition sind!
Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Jens Beeck [FDP]
Zuruf des Abg. Kai Whittaker [CDU/CSU])
Ein paar Worte möchte ich natürlich auch zu Ihrem Antrag sagen. Menschen mit Autismus in DAX-Unternehmen sind ein schönes Beispiel für gelungene Inklusion in die Arbeitswelt – meiner Meinung nach ein sehr gutes Beispiel, aber nicht unbedingt das Beispiel. Reden müssen wir besonders über Menschen mit psychischen Erkrankungen, Menschen mit altersbedingten und/oder geistigen Behinderungen. Was für mich besonders wichtig ist, ist, auch über die Menschen zu reden, die komplexere Behinderungen haben. Dort liegen nämlich die besonderen Herausforderungen.
Es ist ja auch so: Zu viele Unternehmen werden ihrer Verantwortung nicht gerecht, mehr Inklusion zu ermöglichen. Aus Ihrem Antrag habe ich herausgelesen, dass es oftmals eher den Menschen mit Behinderung und ihren Fähigkeiten zugeschrieben wird, dass das nicht möglich ist. Ich sage Ihnen aber ganz klar: Wir brauchen nicht unternehmensoptimierte Menschen mit Behinderung; wir brauchen menschlichere Unternehmen, die die Bedarfe der Menschen mit Behinderung erkennen und diese auch fördern können. Darin nämlich besteht der Auftrag.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Jens Beeck [FDP])
Wichtig ist doch – ich glaube, man darf diesen einen Aspekt nicht vernachlässigen –, dass es hier besondere Erfordernisse gibt, nämlich bei der Förderung und Weiterentwicklung der Persönlichkeit und des Selbstwertgefühls, damit Menschen mit Behinderung nicht immer das Gefühl vermittelt bekommen, eine Last für die Gesellschaft zu sein.
Ich kann Ihnen auch als Mensch aus der Praxis, der noch vor vier Monaten in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung gearbeitet hat, berichten: Manchmal lohnt sich auch ein vertiefter Blick in die Einrichtungen, statt nur mal bei Wahlkampfveranstaltungen dort präsent zu sein.
Das ist ziemlich arrogant, Herr Kollege!)
Sie schreiben in Ihrem Antrag, dass die Werkstätten ein Ort für Förderung seien. Das stimmt. Aber ich frage Sie – ein Blick in die Werkstättenverordnung zeigt es –: Wie wollen wir bei solch schlechten Personalschlüsseln von 1 : 12 für die Betreuer und von 1 : 120 für die Sozialdienste die Menschen mit Behinderung in den WfbMs fördern, damit sie den ersten Schritt in den Arbeitsmarkt schaffen können? Wir brauchen hier wesentliche Verbesserungen, und dann gelingt uns auch der Schritt, dass Menschen mit Behinderung aus den WfbMs in den ersten Arbeitsmarkt kommen können.
Beifall bei der SPD sowie des Abg. Jens Beeck [FDP])
Was wir aber auch brauchen, ist mehr Begegnung. Bei mir im Wahlkreis gibt es ein Unternehmen, das ich besucht habe. Ich habe irgendwann vier Anlagen gesehen, die nicht verwendet werden, und habe den Geschäftsführer gefragt: Warum werden die denn nicht benutzt? Da hat er gesagt: Ich habe keine Fachkräfte. Ich habe nicht mal Mitarbeiter. – Jetzt habe ich natürlich ein gekonntes Auge dafür
und habe gesagt: Ich habe vier für Sie. – Daraufhin habe ich veranlasst, dass Menschen aus meiner ehemaligen Einrichtung dorthin vermittelt werden können. Das hat nur gezeigt, dass wir mehr Begegnung zwischen Wirtschaft und den WfbMs brauchen,
Sozialversicherungspflichtig?)
mehr Begegnungen zwischen den Unternehmen und den Einrichtungen, damit uns das gelingt.
Beifall bei der SPD
Ich möchte Ihnen auch erzählen, was wir noch alles vorhaben:
Erstens. Durch die Einführung einer vierten Stufe der Ausgleichsabgabe wird es für die Unternehmen teurer. Wer weniger macht, wird auch mehr zahlen müssen, meine Damen und Herren.
Zweitens. Wir werden mit der Genehmigungsfiktion Entlastung schaffen und gerade kleine und mittlere Unternehmen von Bürokratie befreien. Wer vollständige Anträge auf begleitende Unterstützung im Arbeitsleben stellt, hat nach sechs Wochen so die Sicherheit der Genehmigung. So oder so: Wer Inklusion schafft, bekommt von uns freie Fahrt.
Noch ein Aspekt, der bei Ihnen völlig fehlt: das betriebliche Eingliederungsmanagement. Eingliederung in den Arbeitsmarkt bedeutet nämlich oft Wiedereingliederung. Mit verbindlichen und einheitlichen Qualitätsstandards sorgen wir hier für die Menschen in unserem Land. Ich denke, auch im Hinblick auf die Long-Covid-Erkrankungen kann das ein wichtiger präventiver Faktor sein.
Beifall bei der SPD sowie der Abg. Tessa Ganserer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Was mich aber besonders freut, ist: Wir werden ein ganzheitliches Konzept vorlegen, nämlich ein Bundesprogramm Barrierefreiheit. Wir machen den Abbau von Barrieren zur Pflicht für alle, vom Wohnen über Digitales bis zur Mobilität. Denn wer im Alltag weniger Barrieren hat, der hat auch einen besseren, schnelleren und umfassenderen Weg in die inklusive Arbeitswelt von morgen. Wichtig ist mir auch, dass wir an die Barrieren in den Einstellungen der Menschen rangehen, dass wir nicht nur an die physischen Barrieren, sondern auch an die subjektiven Barrieren rangehen und sie damit überwinden können.
Eins möchte ich aber noch loswerden – das ist ein persönliches Anliegen von mir –: Ich denke, wir müssen die wissenschaftliche Evaluation des Bundesteilhabegesetzes auch parlamentarisch begleiten. Das werde ich in den Fokus meiner Arbeit setzen. Deshalb möchte ich jetzt schon anraten, das Bundesteilhabegesetz überall da umzusetzen, wo wir es benötigen, und zwar so schnell wie möglich. Ich kann Ihnen zusichern: Ich kann ziemlich nervig werden, wenn uns das nicht gelingt. Deshalb: Bleiben Sie gespannt.
– Ja, ich weiß. Ich sehe es an Ihren Augen, dass ich jetzt schon nervig bin.
Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie der Abg. Tessa Ganserer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Jens Beeck [FDP])
Dementsprechend: Merci vielmal und Glückauf!
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Da gibt es noch Schlimmere in der SPD!
Jetzt spricht Hannes Gnauck für die AfD-Fraktion.
Beifall bei der AfD
Zuruf von der AfD: Guter Mann!)