- Bundestagsanalysen
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und meine Herren! Ich verspreche, ich werde zwischendurch auch mal Luft holen.
Gut, dass wir heute dieses Thema hier besprechen. Es ist die größte Vertriebenenkrise nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Lage ist ernst; das ist, glaube ich, uns allen bewusst.
Viele Menschen aus der Ukraine, vor allem Frauen, Mütter, Kinder und kranke und ältere Menschen, mussten alles zurücklassen und ins benachbarte Ausland fliehen. Diese Frauen und Kinder, die Schutz bei uns suchen, haben ihr Leben, ihren Glauben an Frieden und Freiheit in kleine Koffer und Tüten gepackt; der Staub des Krieges und der Verwüstung bedeckt noch ihr Haar.
Ukrainerinnen berichteten mir vorgestern, dass sie fassungslos vor den Mauerresten ihrer Häuser standen; keine Türen, keine Fenster, keine Dächer mehr, die ihre Familien schützen könnten. Sie berichten, dass ihre Kinder verstummt sind. In diesen Trümmern ließen Kinder ihre Kindheit zurück. Zwischen diesen Trümmern lassen Frauen ihre Männer und Söhne zurück. Viele wurden durch die Warnsirenen und Bomben mitten aus ihrem Leben gerissen, standen bis vor Kurzem noch im Beruf, mussten über Nacht ihre Habseligkeiten packen und sind nun auf dem Weg in eine ungewisse Zukunft.
3 Millionen Geflüchtete haben die Ukraine bereits verlassen. Unsere Nachbarn Polen, Rumänien, Tschechien, Slowakei und Moldau leisten einen unermesslichen logistischen und humanitären Beitrag, indem sie die Erstaufnahme dieser Menschen gewährleisten. Es erfüllt uns mit Dank, dass die Bürger/-innen in Polen 1,6 Millionen Menschen überwiegend über private Unterkünfte – Herr Stamp hat es gesagt – aufgenommen haben.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Als Bundesrepublik Deutschland helfen wir ebenfalls solidarisch und vor allem nach Kräften; wir tun, was wir können. Ich bin sehr froh, dass unser Gesundheitsministerium die Verlegung von verletzten und versorgungsbedürftigen Menschen nach Deutschland zugesichert hat und dass Deutschland bei der medizinischen Versorgung eine sehr zentrale Rolle übernimmt.
Neben den Tausenden, die täglich mit Zügen aus Polen in Berlin ankommen, übernimmt Deutschland kurzfristig 2 500 Geflüchtete aus Moldau. Mit Polen befinden wir uns im ständigen Austausch, um auch noch weitere Menschen aufzunehmen. Indem wir die Schutzsuchenden verantwortungsbewusst, gerecht und solidarisch in ganz Europa verteilen, nehmen wir den Druck von den hauptbetroffenen Ländern in Osteuropa. Wir zeigen aber auch, dass wir handlungsfähig sind, dass wir ressourcenorientiert eine europäische Lösung herbeiführen.
Wir haben aus der Flüchtlingskrise von 2015 einiges – wenn auch nicht alles – gelernt. Wir werden uns diesmal nicht auseinanderdividieren lassen. Die Zersetzungsstrategie von Putin und seinen Helferinnen und Helfern hier in Deutschland wird ins Leere laufen.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir werden alles daransetzen, dass Humanität, die Wahrung des Völkerrechts und der europäische Gedanke sich am Ende durchsetzen, und ich hoffe, dass wir auch gelernt haben, dass der Schmerz der Opfer eines unmenschlichen Krieges keine Hautfarbe hat. Es gibt keine guten und keine schlechten Schutzsuchenden. Lassen Sie uns dieser Unmenschlichkeit mit unserer Menschlichkeit begegnen, und zwar allen Menschen gegenüber!
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)
Das Mindeste, was wir den Ankommenden als Aufnahmeland bieten müssen, sind Schutz und Sicherheit, vor allem den Frauen und Kindern. Darauf sollen sich die Schutzsuchenden bei uns verlassen können.
Wir werden ausreichend zuverlässige und sichere Unterkünfte bieten, damit niemand sich gezwungen sieht, in der Hoffnung auf einen warmen Schlafplatz in ein fremdes Auto zu steigen, und dadurch Gefahr läuft, nicht mehr zurückzukommen. Es wird eine verbesserte Aufklärung auf Russisch und in ukrainischer Sprache geben, damit traumatisierte Frauen und Kinder nicht Opfer von Kriminellen in Deutschland werden.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Aufklärung wird auch die freiwilligen Helferinnen und Helfer und die Behörden umfassen. Es ist gut, dass das Innenministerium und die Polizeibehörden diese Gefahr erkennen und die Bundespolizei hier auch schon aktiv geworden ist. Es muss unbedingt verhindert werden, dass wieder Tausende geflüchtete Kinder verschwinden. Ich erinnere daran, dass im Zuge der Flüchtlingskrise 2015/2016 Tausende unbegleitete Kinder aus Syrien und Afghanistan auf der Flucht verschwunden sind. Kein Mensch weiß, wo sie sind. Leider hat das den Innenminister damals nicht wirklich interessiert.
Der ukrainische Präsident Selenskyj sprach heute Morgen von Mauern, die durch Europa gehen, und davon, dass wir uns hinter diesen Mauern verstecken. Ich empfinde es inzwischen ein bisschen anders. Zum ersten Mal nach sehr langer Zeit erleben wir, dass Europa die Mauern niedergerissen hat und geschlossen in Hilfsbereitschaft und geeint in der Verurteilung von Putins Kriegsverbrechen steht.
Das war übrigens auch im Europarat zu spüren, wo wir vorgestern eine historische, aber auch sehr traurige Entscheidung treffen mussten. 46 Mitgliedstaaten haben Russland in Einigkeit aus dem Europarat ausgeschlossen. Allen demokratischen Parteien im Bundestag bin ich für diese Entscheidung zum Ausschluss Russlands sehr dankbar.
Frau Kollegin.
Ich bin sofort fertig. – Jetzt gilt es, unseren Beitrag zu leisten, damit diese Organisation ihre wertvolle Arbeit weiterführen kann.
Danke.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)
Damit schließe ich die Aussprache zur Aktuellen Stunde.