- Bundestagsanalysen
Tagesordnungspunkt:
Zwischenrufe:
4
Beifall:
17
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe das gestern hier ausgeführt: Wladimir Putin will mit Vertreibung Europa destabilisieren, unsere Gesellschaften destabilisieren. Er will uns auch spalten. Und ich muss ganz ehrlich sagen, auch als Mitglied des Bundesrates, wo uns das Gott sei Dank erspart bleibt, dem Bundesrat selbst jedenfalls: Eine solche Partei gibt es eben leider auch in diesem Parlament, eine Gruppierung, die genau diesem Ziel von Putin Vorschub leisten will.
Jetzt reden Sie aber sehr unfair über die CDU!)
Aber die Demokraten in diesem Haus sind stärker, und wir werden gemeinsam die Solidarität mit den Menschen in der Ukraine verteidigen.
Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir üben Solidarität mit den Vertriebenen. Wir sind in einer anderen Situation – ich glaube, dass es auch wichtig ist, das immer wieder zu erklären – als 2015. Sie ist aber nicht weniger herausfordernd; sie ist vielleicht sogar noch herausfordernder.
Wir haben eine andere Situation als 2015, weil momentan in großen Mengen Frauen und Kinder zu uns kommen. Das ist natürlich besonders herausfordernd, weil wir für sie in den nächsten Wochen die entsprechenden Betreuungs- und vor allem auch Bildungsangebote schaffen müssen. Darauf sind wir so nicht vorbereitet gewesen. Wir wissen alle um den Mangel an Lehrerinnen und Lehrern, den wir in Deutschland haben. Wir wissen auch, dass wir nicht ausreichend Schulpsychologinnen und Schulpsychologen für die Betreuung Traumatisierter haben. Das alles sind Herausforderungen, mit denen wir zu tun haben. Wir haben auch nicht genügend Erzieherinnen und Erzieher. Das wird für uns alle eine ganz, ganz besondere Herausforderung.
Frau Lindholz hat natürlich recht, wenn sie sagt, dass es auch unsere Aufgabe ist, gerade den Frauen und Kindern, den unbegleiteten Minderjährigen einen besonderen Schutz zu geben.
Ich will aber eines auch ganz deutlich sagen: Das wird auch deswegen eine besondere Herausforderung, weil so viele in so kurzer Zeit kommen. Auch das ist ein Unterschied zu 2015. – Ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich alle in dieser Debatte verstanden haben,
Nein, das haben nicht alle verstanden!)
und ich rede nicht nur von der Debatte hier in diesem Haus, sondern ich rede auch darüber, wie das Thema in Europa bisher diskutiert worden ist, wo sich Hauptstädte zu Wort melden, die sagen, ja, sie seien auch bereit, 2 000 oder 3 000 Menschen aufzunehmen. – Das wird nicht reichen. Wir brauchen eine andere Solidarität.
Alleine in Polen sind in drei Wochen knapp 2 Millionen Menschen angekommen. Polen leistet Großartiges – ich habe heute mit einer polnischen Delegation sprechen können –, aber Polen wird nicht mehr viele Menschen aufnehmen können. Wenn Putin den Vertreibungsterror so weiter fortsetzt, dann werden in den nächsten drei Wochen wieder 2 bis 3 Millionen Menschen in die Europäische Union kommen. Viele werden alleine von der geografischen Lage her dann natürlich Deutschland ansteuern. Es gibt ja den Wunsch, möglichst nahe an der Heimat zu bleiben. Auch das ist ein Unterschied – zumindest in Teilen – zu denjenigen, die 2015/2016 gekommen sind: dass es einen unmittelbaren Wunsch gibt, so schnell wie möglich wieder zurückzukehren.
Aber es wird jetzt um die Bewältigung der Notsituation gehen: Wie bekommen wir diese Menschen jetzt untergebracht? Wenn wir ihnen mit den Standards gerecht werden wollen, wie das eben hier angemahnt worden ist, dann wird es nur gehen, wenn wir die internationale Verteilung hinbekommen. Wir sagen immer gerne: „Wir schaffen das“, und wir wollen das schaffen. Und ich bin auch überzeugt: Wir werden das schaffen. Aber wir werden es eben nur schaffen, wenn es auch diese internationale und europäische Solidarität gibt,
Sie lernen nicht dazu!)
wenn beispielsweise die Vereinigten Staaten, wenn Kanada, wenn Australien, aber auch die anderen europäischen Länder wirklich große Kontingente übernehmen.
Absolut lernresistent!)
Sonst können wir den Schutz auf dem Niveau, wie er hier beispielsweise von der Kollegin Lindholz vorhin gefordert worden ist, gar nicht leisten.
Aber ich will auch dazusagen: Ich gehe davon aus, dass es gelingen wird, diese internationale Solidarität zu organisieren. Dennoch bedeutet allein die Zahl der Menschen, die wir hier bei uns in Deutschland aufnehmen, eine historische Herausforderung.
Es gibt auch einen Unterschied zur polnischen Gesellschaft, was die Aufnahme angeht. Wir loben jetzt alle, dass das in Polen so fantastisch funktioniert hat, und dann sagen viele: Das kann hier doch genauso passieren. – Wir hatten in Polen vor Kriegsbeginn eine ukrainische Community von etwa 2 Millionen Menschen. Von diesen hat jetzt fast jeder privat jemanden aufgenommen. Die polnische Delegation hat mir eben noch mal eindrucksvoll geschildert, dass Polen bisher ohne Flüchtlingslager ausgekommen ist. Das werden wir hier nicht schaffen. Ich habe bei mir in Nordrhein-Westfalen 30 000 Menschen, die zur ukrainischen Community gehören. Die sind natürlich jetzt auch dabei, Menschen aufzunehmen; aber es ist natürlich eine ganz andere Dimension, als das in Polen der Fall gewesen ist. Deswegen mobilisieren wir gerade alle verfügbaren Flächen, alle Hallen, aber – das sage ich auch dazu – wir brauchen eine noch bessere Koordination zwischen Bund, Ländern und Kommunen.
Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU und der Abg. Gülistan Yüksel [SPD] und Clara Bünger [DIE LINKE])
Ich habe gestern hier an dieser Stelle ja ganz bewusst um einen nationalen Flüchtlingsgipfel gebeten, auch im Namen der Kommunen. Wenn die Kollegin Polat jetzt darauf hinweist, dass der Bundeskanzler dazu einladen will, dann bin ich ausgesprochen dankbar, dass so zügig gehandelt wird. Ich begrüße das ausdrücklich, und ich sage für uns in Nordrhein Westfalen: Wir werden sehr kurz danach auch von unserer Seite aus einen entsprechenden Gipfel organisieren, um die Arbeit mit den Hilfsorganisationen und allen Beteiligten zu koordinieren. Ich glaube, das ist das, was jetzt notwendig ist.
Beifall bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)
Meine herzliche Bitte an Sie alle: Wir wissen, es gibt in Bälde Landtagswahlen – im Saarland, auch bei uns in Nordrhein-Westfalen, in Schleswig-Holstein. Wir sind alle Menschen, und es ist natürlich verführerisch, auch bei diesem Thema parteipolitische Geländegewinne zu machen. Ich kann Sie alle als Fraktionen, als Vertreter eines Landes nur herzlich darum bitten, zu versuchen, dies zu verhindern. Wir sind es auch den Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtlern, die sich momentan vor Ort verausgaben, schuldig, dass wir hier gemeinsam handeln.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)
Wir werden viel improvisieren müssen. Es ist aber eben auch notwendig, dass es systematische Top-down-Entscheidungen gibt. Wenn dafür jetzt der Weg geebnet wird, bin ich sehr dankbar. Ich will den Bürgerinnen und Bürgern und auch den Ukrainerinnen und Ukrainern, die zu uns kommen, aber an dieser Stelle ganz offen sagen: Wir müssen uns ehrlich machen und sagen: Es wird nicht alles so klappen, wie wir uns das wünschen. Es wird auch immer wieder Hilfsangebote auf Zuruf geben müssen. Es wird improvisiert werden müssen. Aber je mehr wir hier gemeinsam zusammenstehen und nicht den individuellen Fehler bei irgendeinem Organisationsablauf suchen, sondern uns gemeinsam unterstützen, um diesen Fehler vielleicht schnell auszubügeln, dann werden wir das auch tatsächlich gemeinsam schaffen.
Haben Sie herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)
Dorothee Bär hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
Beifall bei der CDU/CSU)