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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn wir es schon getan haben, lassen Sie uns noch einmal 30 Jahre zurück auf das Jahr 1992 schauen. Damals setzte der 12. Deutsche Bundestag die Enquete-Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur“ ein. Die Arbeit und die Ergebnisse dieser Enquete-Kommission standen und stehen bis heute im Schatten anderer Ereignisse wie etwa des Mauerfalls am 9. November 1989, der ersten freien Wahlen in der DDR am 18. März 1990 oder des 3. Oktober 1990, des Tags der Deutschen Einheit. Dabei, meine sehr verehrten Damen und Herren, hätte es die Einsetzung der Kommission durch dieses Hohe Haus verdient, sehr viel mehr im Interesse der Öffentlichkeit zu stehen.
Ein kurzer Blick zurück in das Jahr 1992. Damals drückten die hohe Arbeitslosigkeit im Osten, die hohen Kosten der Wiedervereinigung, die Folgen der Stasibespitzelungen und ‑verfolgungen und die Ossi-Wessi-Diskussionen die Stimmung. Kurz gesagt: Es gab genug zu tun, mit dem man sich hätte beschäftigen können, aber es brannte der Ehrgeiz und die Notwendigkeit, sich mit der Geschichte und den Folgen der SED-Diktatur auseinanderzusetzen.
Mit der Einsetzung der Kommission war der hohe Anspruch verbunden, über 40 Jahre DDR nicht nur juristisch, sondern auch moralisch und politisch aufzuarbeiten. Man widerstand – und das war eine große Leistung – der Versuchung, ein Tribunal einzusetzen, und entschied sich für ein Gremium des Deutschen Bundestages als Ausweis demokratischer Legitimität.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Dies, meine Damen und Herren, war im Übrigen eine Idee von Markus Meckel, einem sozialdemokratischen Mitglied des Deutschen Bundestages, mit dem ich gestern telefonieren konnte. Die Aufarbeitung, so Markus Meckel wörtlich, war wichtig, weil auch DDR-Bürgern vieles nicht bekannt war; denn es fehlte Öffentlichkeit. Er hat im Gespräch noch einmal darauf hingewiesen, wie wichtig damals und heute die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit für unsere demokratische und politische Kultur war und ist.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Markus Meckel war damals ein Oppositionspolitiker, und er ist bis heute stolz darauf, dass er aus dieser Rolle heraus die Idee einer Enquete-Kommission einbringen konnte und sich diese Idee durchgesetzt hat.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Die Enquete-Kommission, auf die wir heute zurückblicken, bestand aus 16 Abgeordneten und 11 Experten. Von den Abgeordneten waren immerhin 5 – und damit fast ein Drittel – Frauen, von den Experten nicht eine. Heute wäre das übrigens undenkbar.
Beifall bei der SPD)
Beide Kommissionen – der ersten folgte bekanntlich eine zweite im 13. Deutschen Bundestag – haben viel erreicht. Sie haben weiße Flecken ausmalen können. Sie haben der Geschichtsforschung unglaublich wichtige Unterlagen zur Verfügung stellen können. Sie haben eine gesamtdeutsche Perspektive einnehmen können. Sie haben die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur initiiert. Und sie haben, meine sehr verehrten Damen und Herren, den Menschen die Möglichkeit gegeben, sich mit ihrer eigenen Verantwortung und ihrer eigenen Geschichte auseinanderzusetzen.
Beifall bei der SPD)
Bis heute allerdings wirken die Spuren des SED-Systems nach. In Bad Freienwalde bei mir im Wahlkreis, in Märkisch-Oderland, stand das sogenannte DDR-Durchgangsheim, im Volksmund „Kindergefängnis“ genannt, in dem sogar dreijährige Kinder untergebracht waren. Als Mutter stockt mir hier der Atem. Unter unmenschlichen Bedingungen wurden Kinder hier bis zu einem halben Jahr festgehalten, ehe sie zur Zwangsadoption übergeben wurden. Erst nach jahrelangem Rechtsstreit sind ehemalige Zwangsuntergebrachte 2019 vom zuständigen Landgericht Frankfurt (Oder) rehabilitiert worden. Erst diese Entscheidung hat die Tür für weitere erfolgversprechende Verfahren, Haftentschädigung und Opferrente geöffnet.
Meine Damen und Herren, dieses Beispiel zeigt, dass es auch mehr als 30 Jahre nach dem Mauerfall noch viel zu tun gibt, jenseits juristischer, politischer und moralischer Aufarbeitung.
Wir haben uns im Koalitionsvertrag ganz konkrete Maßnahmen vorgenommen. Packen wir es an, und vollenden wir gemeinsam das, was vor 30 Jahren auf den Weg gebracht wurde!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Mehr Redezeit gibt es hier nur einmal: bei der ersten Rede. – Jetzt gebe ich das Wort dem Kollegen Manfred Grund für die CDU/CSU-Fraktion.
Beifall bei der CDU/CSU)