- Bundestagsanalysen
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben jetzt eine Aktuelle Stunde zum Thema Wirtschaft. Wenn wir über Wirtschaft reden, dann haben zwei Dinge eine große Bedeutung, nämlich Verantwortung und Verlässlichkeit. Ich möchte das zum Anlass nehmen, einmal darüber zu reden und beides in das einzuordnen, was im Laufe dieses historischen Tages heute in diesem Parlament passiert ist.
Wir haben mit einer sehr würdevollen Gedenkveranstaltung zum Holocaust begonnen. Das hat für die meisten von uns – für mich gilt das in besonderem Maße – eine sehr große Bedeutung. Ich musste heute Mittag daran zurückdenken, wie ich als sehr junger Mensch vor knapp 40 Jahren die Rede eines großen Christdemokraten im Radio verfolgt habe. Am 8. Mai 1985 sagte der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker sinngemäß: Wir, unsere Generation, haben nicht die Verantwortung für das, was passiert ist, aber für das, was daraus wird.
Mich hat das damals einerseits sehr befreit. Andererseits habe ich das aber auch als Verpflichtung verstanden, dieser Verantwortung gerecht zu werden. In den vergangenen Jahrzehnten haben wir das in Deutschland vorbildlich im Kreise der demokratischen Parteien gemacht. Zu dieser Verantwortung gehört einmal das „#WeRemember“, die Erinnerung, aber auch die Verpflichtung zum „Nie wieder!“. Und zum „Nie wieder!“ gehört eben auch, dass wir Rechtsextremen und Faschisten keine Deutungshoheit, aber auch keine politischen Gestaltungsoptionen überlassen.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD
Das ist eine Verhöhnung der Opfer dieser Zeit, wenn Sie da auf uns zeigen!)
Diese Verlässlichkeit ist in den letzten Jahrzehnten eine Säule für das Ansehen Deutschlands in der Welt geworden und damit auch eine wesentliche Säule für die Marke „made in Germany“. Und Sie haben diese Marke heute stark beschädigt.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD
Zurufe von der AfD: Wir?
Sie sind der, der sie beschädigt! Unglaublich!)
Apropos Verlässlichkeit: Herr Wiener hat gerade wieder ein gutes Beispiel für die Verlässlichkeit der Union in der Wirtschaftspolitik gegeben. Sie haben zusammen mit der FDP damals ein Gesetz zum Atomausstieg, nachdem Sie es zuvor ausgesetzt hatten, wieder in Kraft gesetzt,
2002 unter Rot-Grün war der Ausstiegsbeschluss!)
haben dann sehr schnell Atomkraftwerke außer Betrieb genommen. Wir haben dann von Ihnen einen Schlamassel übernommen, nämlich leere Gasspeicher, die Sie an Russland verkauft hatten. Und jetzt jammern Sie auf einmal Atomkraftwerken hinterher.
Scholz auch!)
Wir haben sehr verantwortungsvoll geprüft
„Verantwortung“, das wäre mal ein Stichwort, Herr Außendorf! Verantwortung für Industriearbeitsplätze! Das ist unfassbar, ehrlich! Wir reden doch hier nicht über Petitessen!)
und auch die Laufzeit der drei Atomkraftwerke, die Sie übrig gelassen hatten, verlängert und sie in der Folge abgeschaltet. Und was ist dann passiert? Der Strompreis ist zurückgegangen.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Zur Verlässlichkeit gehört aber auch – da komme ich zurück auf das, was ich eingangs sagte – unser Bild in der Welt. Wir haben nämlich ein sehr positives Bild durch unsere Art der Erinnerungskultur, insbesondere wie wir uns da klar vom Faschismus abgegrenzt haben. Viele Menschen in der Welt gucken auf uns. Und wenn der Kanzlerkandidat der zweitgrößten Fraktion hier im Haus am 13. November ganz klar gesagt hat, jegliche Zusammenarbeit mit der AfD schließe er aus und er werde keine Anträge einbringen, wenn nicht vorher klar ist, dass es dafür eine demokratische Mehrheit gibt, dann haben viele Menschen ihm geglaubt und applaudiert.
Zuruf von der AfD: Wir haben aber die demokratische Mehrheit!)
Dazu gehöre auch ich, und ich habe das auch nach außen getragen.
Jammert doch rum!)
Und wenn mich jemand in den letzten Wochen gefragt hat: „Steht die Brandmauer der Union zur AfD“, dann habe ich gesagt: Ja, da vertraue ich Friedrich Merz. – Ich hoffe, er kommt zurück in den Kreis der Demokraten.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD
Das können Sie auch weiterhin, Herr Außendorf! Da können Sie auch weiterhin drauf vertrauen!
Zurufe von der AfD)
Jetzt komme ich noch mal zu Ihren Anträgen, die Sie heute hier durchgebracht haben, und den Auswirkungen auf die Wirtschaft. Ich will gar nichts dazu sagen, ob sie zur Lösung des eigentlichen Problems, nämlich zur Bekämpfung von Gewalt und zur Überwachung von Gewalttätern, etwas beitragen. Ich glaube, nicht. Ich glaube, das ist eher ein Placebo bzw. viel schlimmer als ein Placebo; denn sie haben krasse Nebenwirkungen. Darüber möchte ich einmal sprechen.
Sie fordern die Wiedereinführung von dauerhaften Grenzkontrollen. Ich kenne das noch aus meiner Jugend. Irgendwann waren wir alle froh, dass wir frei reisen konnten. Aber nicht nur wir, die wir frei reisen können, sind froh, sondern auch Menschen, die im europäischen Ausland arbeiten und dorthin jeden Tag zur Arbeit fahren. Allein aus NRW, meinem Heimatbundesland, fahren jeden Tag 26 000 Menschen in die Niederlande. Bundesweit sind das noch viel mehr Menschen, und diese Menschen stehen zukünftig jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit und zurück im Stau – dank Ihnen.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Sie sabotieren damit unseren Stand in der EU, weil wir uns dank Ihres Antrags möglicherweise EU-rechtswidrig verhalten müssen. Und was brauchen wir denn in dieser geopolitisch angespannten Zeit mehr als Einigkeit in der EU? Die Antwort auf „America first“ muss lauten: „Europe united“,
Dafür steht Merz!)
und hier legen Sie uns dicke Steine in den Weg.
Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Deutschland profitiert wie kein anderes Land in der EU von offenen Märkten, von dem freien Lauf von Waren und Dienstleistungen. Und Sie wollen das Ganze jetzt in Gefahr bringen. Sie bringen Lieferketten in Gefahr. Die Transportkosten werden extrem ansteigen, die LKWs werden im Stau stehen; sie müssen länger warten, was dazu führt, dass die Lieferketten nicht mehr verlässlich sind.
Wir haben heute im Wirtschaftsausschuss erfahren: Durch die USA-Zölle ist das Wirtschaftswachstum etwa um 1 Prozentpunkt pro Jahr gefährdet, bis zu 4 Prozentpunkte durch die Störung des Binnenmarktes; und Grenzkontrollen sind eine Störung des Binnenmarktes. Damit gefährden Sie unsere Zukunft.
Schon mal was von Stichproben gehört?)
Ich komme zum Schluss. Wir stehen für eine verlässliche Wirtschaftspolitik. Denn am Ende geht es darum, dass wir ein Land haben, das funktioniert, und ein Leben, das bezahlbar ist.
Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächster Redner ist der Kollege Jörg Cezanne, Gruppe Die Linke.
Beifall bei der Linken)