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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute den Antrag der Gruppe Die Linke zur Stärkung der Tarifbindung mit einem Forderungskatalog, der identisch ist mit dem Antrag der Fraktion Die Linke aus dem letzten Jahr.
Offensichtlich sind die zahlreichen klugen Argumente der Koalitionsfraktionen und der Union wirkungslos an den Antragstellern abgeprallt. Das ist vielleicht bedauerlich, das ist sicherlich wenig überraschend; aber das ist auf jeden Fall eine gute Gelegenheit, um mit einigen Vorurteilen aufzuräumen.
Da steht zunächst die Behauptung im Raum, nur tarifgebundene Arbeitsplätze seien gute Arbeitsplätze. In dieser Pauschalität stimmt das nicht. Zahlreiche Arbeitgeber ohne formale Tarifbindung zahlen nach Tarif, manche auch mehr, allein schon, um offene Stellen überhaupt besetzen zu können. Solche Arbeitgeber diskreditieren die Antragsteller zu Unrecht – und da machen wir nicht mit.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Auch Tariftreuegesetze dürfen immer nur auf Tarifwirkung abheben, nie aber auf formale Tarifbindung. Alles andere stünde im Widerspruch zur grundgesetzlich geschützten Koalitionsfreiheit und wäre somit schlichtweg verfassungswidrig.
Wer pauschal behauptet, nur tarifgebundene Arbeit sei gute Arbeit, wird auch Start-ups nicht gerecht.
Zuruf der Abg. Angelika Glöckner [SPD])
Da verzichten junge Beschäftigte gerne auf höhere Gehälter, wenn sie im Gegenzug am Unternehmenserfolg maßgeblich beteiligt werden. Das ist ein fairer Ausgleich, schont Gründungskapital, erlaubt nachhaltige Entwicklung des Geschäftsmodells und schützt Gründer und beteiligte Beschäftigte vor früher Verwässerung und Entwertung ihrer Anteile.
Überhaupt offenbart der Antrag ein erschreckendes Menschenbild. Die Antragsteller unterstellen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern pauschal, dass sie in böser Absicht ihre Beschäftigten schlecht behandelten oder schlecht bezahlten, und unterstellen gleichzeitig den Beschäftigten, dass diese ohne den massiven staatlichen Eingriff in Tarifautonomie und Koalitionsfreiheit solchen Arbeitgebern schutzlos ausgeliefert seien. Damit wird Die Linke der überragenden Mehrheit der Arbeitgeber genauso wenig gerecht wie den Beschäftigten, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Beschäftigte sind erwachsene Leute, die wissen, was sie tun – und die sich im Übrigen auch auf Mindestlohn und starken Arbeitsschutz in Deutschland verlassen können.
Die Ratio hinter der Forderung, sogenannte OT-Mitgliedschaften zu verbieten, erschließt sich nicht. Mitgliedschaft im Unternehmensverband ohne Tarif ist immer noch besser als gar keine Mitgliedschaft.
Ein solches Verbot von OT-Mitgliedschaften wäre, erstens, ein weiterer schwerer Eingriff in das Grundrecht auf Koalitionsfreiheit. Und zweitens würden Sie damit doch nur Arbeitgeber zum Austritt aus dem Unternehmensverband treiben,
Zuruf der Abg. Susanne Ferschl [Die Linke])
genau die Arbeitgeber, die Sie doch eigentlich für Tarifbindung gewinnen wollen. Was soll das denn bringen? Wer im Verband ist, kann zurück in die Tarifbindung, sobald attraktive Tarifverträge ausgehandelt werden. Wer erst einmal draußen ist, kommt kaum zurück. Von daher mein dringender Appell: Finger weg von der OT-Mitgliedschaft!
Beifall bei der FDP)
Bleibt die Allgemeinverbindlichkeit. Da wollen Sie de facto, dass Gewerkschaften allein Allgemeinverbindlichkeit beschließen können. Was ist das für ein Verständnis von Tarifautonomie? Tarifautonomie ja, aber nur für Gewerkschaften und nicht für Arbeitgeber? Nein, der Gesetzgeber setzt die Rahmenbedingungen für Allgemeinverbindlichkeit und überlässt alles Weitere den Sozialpartnern – beiden Sozialpartnern. So funktioniert Tarifautonomie in Deutschland, und das seit 75 Jahren ziemlich gut, wie ich finde, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Beifall bei der FDP)
Zu guter Letzt. Die Behauptung, die EU-Mindestlohnrichtlinie schreibe eine Tarifbindung von 80 Prozent vor, stimmt nicht, und zwar allein schon wegen der eindeutigen Kompetenzschranken der EU. Sie hat keine Zuständigkeit bei der Lohnfindung. Das ist höchstens eine Empfehlung.
Tarifautonomie ist eine tragende Säule unserer sozialen Marktwirtschaft. Sie gilt es zu achten. Nur so schützen wir Wohlstand und Wachstum in unserem Land.
Beifall bei der FDP sowie des Abg. Sebastian Roloff [SPD])