Rede von Jan Dieren in 181. Sitzung
Frau Präsidentin! Abgeordnete! Liebe Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben und Unternehmen! Im Jurastudium habe ich gelernt: Wollen zwei Menschen einen Vertrag schließen, dann ist es aus rechtlicher Sicht völlig egal, wer auf der einen und wer auf der anderen Seite steht. Solange sich die beiden einig sind, entsteht ein Vertrag unter Gleichen. So weit die Theorie.
In der Wirklichkeit, im Leben, sieht das ganz anders aus. Beschäftigte können sich nicht aussuchen, ob sie einen Arbeitsvertrag abschließen. Sie sind darauf angewiesen, weil sie mit ihrer Arbeit ihren Lebensunterhalt verdienen. Außerdem müssen sie eine Arbeitsstelle finden, die zu ihren Fähigkeiten und ihrer Ausbildung passt. Arbeitgeber/-innen hingegen können sich sehr wohl aussuchen, ob sie einen Arbeitsvertrag abschließen. Ist jemand nicht gut genug oder möchte einen zu hohen Lohn, müssen sie keinen Vertrag mit dieser Person schließen. Diese ungleiche Ausgangslage führt zu einem Kräfteungleichgewicht, durch das die Arbeitgeber/-innen eine deutlich stärkere Position dabei haben, Löhne und Arbeitsbedingungen auszuverhandeln.
Deswegen organisieren sich Beschäftigte in Gewerkschaften und verhandeln zusammen, gemeinsam. Denn auf den einen oder die andere kann die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber vielleicht verzichten. Aber ein Unternehmen kann nicht darauf verzichten, überhaupt Beschäftigte einzustellen. Diese gemeinsam verhandelten Verträge, das sind Tarifverträge. Und sie wirken. Beschäftigte mit Tarifvertrag arbeiten etwa eine Stunde weniger pro Woche. Und sie verdienen 12 Prozent mehr Lohn – 12 Prozent! Das sind im Durchschnitt 3 022 Euro im Jahr. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wenn Sie, wenn ihr euren Lebensunterhalt mit Arbeit verdient, organisiert euch, tretet in eine Gewerkschaft ein!
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Linken und des Abg. Carl-Julius Cronenberg [FDP])
Auch Arbeitgeber/-innen organisieren sich in Verbänden, um ihre Interessen gemeinsam durchzusetzen. Manche von denen erkennen aber nicht an, dass Beschäftigte das auf der anderen Seite auch tun. Die sagen: Ja, ich will in einen Arbeitgeber/-innenverband; aber nein, ich will nicht, dass Tarifverträge für mich gelten. – Drei von vier Betrieben in Deutschland haben keinen Tarifvertrag. Vor 30 Jahren hatten noch 80 Prozent der Beschäftigten in Deutschland einen Tarifvertrag, heute nicht einmal mehr die Hälfte.
Jetzt könnte man sich wieder auf den rechtlichen Standpunkt stellen und sagen: Das ist doch Vertragsfreiheit, das ist Koalitionsfreiheit. – Ja, das ist die Theorie. Aber in der Wirklichkeit, im Leben, ist das eine Ungerechtigkeit, ist das eine Sauerei. Die sind schon in der stärkeren Position und wollen dann noch Beschäftigten das Mittel nehmen, um das Ungleichgewicht nur ein kleines bisschen auszugleichen.
Und das ist noch nicht alles. Es gibt da nämlich Leute, auch hier im Bundestag, die wollen dieses Ungleichgewicht sogar noch erhöhen. CDU und CSU zum Beispiel
Was?)
wollen das Streikrecht einschränken, um zu verhindern, dass sich Leute organisieren und ihre Interessen gemeinsam durchsetzen.
Was reden Sie denn da?
So ein Quatsch!
Hört! Hört!)
Hat hier jemand vielleicht „Star Wars: Episode VI“ gesehen? Da gibt es zum Ende hin so eine Szene, wo der böse Imperator den Jedi Luke Skywalker auf den Boden wirft und ihn mit Blitzen quält. Darth Vader liegt währenddessen am Boden und überlegt sich, ob er auf Lukes Seite eingreifen will.
Und wer ist jetzt der Scholz?)
Sie von der Union würden eingreifen, aber auf der Seite des Imperators, und Sie würden bei Luke, der auf dem Boden liegt, noch nachtreten. Sie wollen die Ungerechtigkeit sogar noch erhöhen.
Wir wollen das Gegenteil.
Ich dachte, das wäre eine Parabel auf den Herrn Scholz!)
Wir wollen dafür sorgen, dass sich Arbeitgeber/-innen nicht einfach aus Tarifverträgen schleichen können. Wir wollen dafür sorgen, dass mehr Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt werden. Und wir wollen dafür sorgen, dass öffentliche Aufträge und öffentliche Gelder nur an diejenigen Unternehmen gehen, die nach Tarifvertrag bezahlen.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das alles, liebe Kolleginnen und Kollegen, hebt das Kräfteungleichgewicht, das es gibt, vielleicht nicht auf.
Herr Kollege.
Aber es wirkt ihm ein kleines bisschen entgegen.
Herr Kollege.
Das ist richtig, und das ist gerecht.
Herr Kollege, ich werde jetzt gleich Darth Vader. Sie sollten vorsichtig sein. Man kann sich nämlich auch hier in andere Figuren verwandeln.
Und deshalb arbeiten wir daran.
Vielen Dank.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Schönen guten Abend! Ich grüße Sie herzlich, freue mich, Sie alle zu sehen, und gebe Wilfried Oellers das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
Beifall bei der CDU/CSU)