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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Postkolonialismus ist ein Glaubenssystem, das die Welt in Opfer und Täter aufteilt und das der Komplexität der Welt, der Weltgeschichte und seiner Konflikte schon deshalb nicht gerecht werden kann.
Nirgendwo wird das so deutlich wie am Beispiel Israel, die Heimstätte und der Schutzraum der Juden in der Welt. Das jüdische Volk ist für den Postkolonialismus ein Vasall der USA und handelt deshalb unter dem Deckmantel eines vermeintlichen Imperialismus. Die Verbrechen an den Juden, und zwar die Shoah genauso wie die Vertreibung aus den arabischen Staaten, werden dadurch oft verharmlost und relativiert. Insofern stimmt sogar der Zusammenhang, den Sie als AfD in Ihrem Antrag zwischen postkolonialer Ideologie und dem Erstarken von Antisemitismus auch an den Hochschulen und in den Kulturinstitutionen herstellen. Sie fordern deshalb in Ihrem Antrag die Rückabwicklung der Aufarbeitung im Bereich Kolonialismus.
Es ist in der Tat fragwürdig, wenn die Bundesregierung die Rückgabe von Kulturgütern aufgrund von postkolonialer Schuld betreibt.
Zuruf des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Die eindimensionale Weltsicht mit Tätern und Opfern macht blind für die Nuancen der Geschichte. Das zeigt die Rückgabe der Benin-Bronzen an die ehemalige Herrscherfamilie, deren Vorfahren selbst vom Kolonialismus profitiert haben. Die Artefakte wurden nicht ausgestellt, womit die Bevölkerung Nigerias jetzt noch weniger von diesem kulturellen Schatz hat als vorher.
Aber Ihre Schlussfolgerung, sehr geehrte Herren – heute vor allem Herren – der AfD, ist nicht richtig. Nicht jede Rückgabe von Kulturgütern ist deshalb falsch und muss unterbunden werden, wie Sie es in Ihrem Antrag fordern. Zum einen kann man die Rückgabe von Kulturgütern an Ursprungskulturen schon deshalb befürworten, weil diese mehr davon haben als wir,
Lachen der Abg. Awet Tesfaiesus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
und zum anderen kann man auch historische Verbrechen anerkennen und Gesten der Wiedergutmachung befürworten, ohne in einen Schuldkomplex zu verfallen.
Beifall bei der CDU/CSU)
Mein Büroleiter Dimitrios Papoulias hat es gestern ganz gut auf den Punkt gebracht. Er hat griechische Wurzeln und würde sich über eine Rückgabe griechischer Artefakte freuen, aber nicht, weil er glaubt, ein Recht darauf zu haben, weil irgendein Onkel von ihm in einem Konflikt umgekommen ist, sondern weil er glaubt, dass diese Artefakte dort hingehören. Deswegen lehnen wir Ihren Antrag schon inhaltlich ab.
Vor allem aber glaube ich nicht, dass der aufrechte Kampf gegen den Antisemitismus das Motiv für Ihren Antrag war, wie Sie es schreiben. Die Zweifel beginnen schon mit der Überschrift. Sie schreiben: „Antisemitismus an der Wurzel bekämpfen“, als hätte der Antisemitismus in diesem Land nur eine Wurzel. Mit keinem Wort erwähnen Sie in diesem Antrag rechtsextremen Antisemitismus, und das tun Sie aus sehr gutem Grund.
Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP und der Abg. Nicole Gohlke [Die Linke])
Herr Kollege, Herr Frömming würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. Wollen Sie die zulassen?
Nein, ich habe jetzt keine Zeit für eine Zwischenfrage; denn das ist der Teil, bei dem sie mal aufpassen müssen.
Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ja, Juden in Deutschland haben Angst wegen der Entwicklung an unseren Universitäten und in unseren Kulturbetrieben; aber sie haben auch Angst vor Ihnen.
Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)
Sie haben deshalb Angst, weil Sie eine Partei sind, in deren Jugendorganisation auf einer Veranstaltung Mitglieder unwidersprochen Juden in Arbeits- und Internierungslager schicken wollten, weil Sie eine Partei sind, in der es Landtagsabgeordnete gibt, die „Sieg Heil“ in ein Gästebuch schreiben und immer noch Landtagsabgeordnete sind,
weil Sie eine Partei sind, in der Kommunalpolitiker gemeinsam mit der NPD Fraktionen bilden wollen,
Das ist doch Blödsinn, was Sie erzählen!)
und weil es in Ihrer Partei Landesvorsitzende gibt, die auf Nazidemonstrationen mitgelaufen sind.
Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nicole Gohlke [Die Linke])
Deshalb haben die Juden Angst vor Ihnen. Fragen Sie doch zum Beispiel beim Zentralrat der Juden nach!
Postkolonialismus gibt sich freundlich, aber er ist angetrieben von Wut und Hass.
Wer hasst hier wohl? Wer hasst und hetzt hier rum?)
Und das teilt er mit allen extremen Ideologien, die einfache Erklärungen versprechen, übrigens insbesondere auch mit der extremen Rechten.
Es ist deshalb kein Zufall, dass Antisemitismus von den politischen Rändern links und rechts kommt, aber auch von fanatistischen Religionen.
Wer also einfache Botschaften strickt, etwa dass der Westen am Entwicklungsstand des Globalen Südens schuld sei,
Das ist eine ekelhafte Rede!)
für den ist die Schlussfolgerung, Israel sei schuld an der Armut der Palästinenser, kein großer Gedankenspruch mehr. Diese extremen und einfachen Botschaften sind alle abzulehnen, aber das tun Sie nicht. Deswegen lehnen wir Ihre Anträge ganz klar ab.
Beifall bei der CDU/CSU)
Dr. Lina Seitzl hat das Wort für die SPD-Fraktion.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)