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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher! Schön, dass Sie da sind. Nicht so schön ist es, dass wir alle hier wieder diesen Murks einer wissenschaftsfeindlichen Partei ertragen müssen, die über ziviles Reden und Diskutieren spricht, aber die meisten Ordnungsgelder im Deutschen Bundestag bekommt.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Von den Anträgen, die seit gestern vorliegen, ist einer absurder als der andere. Im ersten Satz des ersten Antrags steht:
„Seit Mitte der 1980er Jahre schreitet die Politisierung der Hochschulen immer rascher voran.“
Haben Sie die 68er verpasst? In Ihrer Welt sind die 68er, die ursprünglich ein globaler Studentenprotest waren, offensichtlich gar nicht passiert.
Dann machen Sie weiter. Sie benutzen die Einleitung, um all Ihre ideologische Hetze und Ihre Schlagwörter unterzubringen. Daraus leiten Sie dann die Forderung ab, die Wissenschaft müsse wieder ideologiefrei sein. Da muss ich jetzt etwas grundsätzlicher werden; denn ich bin doch überrascht, dass sich die AfD hier bei Karl Marx bedient. Ihre Art, den Begriff „Ideologie“ zu verwenden, beinhaltet den Vorwurf, dass Ideen und Weltbilder, die nicht evidenzbasiert sind, zur Änderung von Machtverhältnissen verwendet werden: Ideologie als Kampfbegriff. Wenn man den Begriff „Ideologie“ aber nicht als Kampfbegriff benutzt, sondern im wissenschaftssoziologischen Kontext, dann beschreibt er schlicht Leitbilder sozialer Gruppen und Organisationen. Sie laden den Begriff „Ideologie“ auf, anstatt zu verstehen, dass er eine wissenschaftssoziologische Beschreibung ist. Sie haben Ihre eigene Wahrheit, laden sie auf – man könnte das auch „Ideologie“ nennen –, und dann fordern Sie, es dürfe in der Wissenschaft keine Ideologie geben. Aber im Grunde genommen haben Sie nicht einmal verstanden, wie Wissenschaft funktioniert, und das ist so absurd.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Stephan Seiter [FDP])
All diese Fragen sind doch Teil der Wissenschaft, Teil der Philosophie, Teil der Rechtstheorie. Das fängt schon beim Streit an, ob Recht und Moral zu trennen sind oder nicht. Das sind alles Fragen, die man sich stellt. Diese ganzen Fragen und die Forderung nach Werturteilsfreiheit der Wissenschaft sind ja nichts Neues. Es ist aber unerträglich, zu sehen, wie Sie Positionen von renommierten Philosophen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern so dilettantisch zerstückeln, um wiederum – und jetzt kommt der Witz – Ihre eigene Ideologie durchzudrücken. Sie sind Wissenschaftspolitikerinnen und Wissenschaftspolitiker und haben keine Ahnung von Wissenschaftstheorie. Beschäftigen Sie sich doch mal mit dem Positivismusstreit von Weber, Adorno, Habermas und Popper! Schauen Sie doch mal in die Debatten um die Gründung der modernen Politikwissenschaft in Deutschland! All das ist ja nicht neu. Aber nun ja: Das Niveau in Ihrem Antrag ist niedrig.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Frau Kollegin, möchten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Jongen zulassen?
Nein. Ich gebe diesen Menschen kein Podium.
Beifall bei der SPD)
Dass die Hochschulen als staatliche Institutionen Neutralität zu wahren haben, ist ja Standard. Hochschulen sind aber auch schon immer Orte des Diskurses, Orte, an denen sicher geglaubte Wahrheiten infrage gestellt werden. Sie behaupten jetzt allen Ernstes, die Hochschulen seien jahrzehntelang durch geschäftspolitische Anträge ideologisiert worden. Als ob Universitäten vorher unpolitisch gewesen wären. Wie absurd, wie geschichtsvergessen! Die Wissenschaft selbst beschäftigt sich doch mit der Gesellschaft und mit unserem Zusammenleben. Das ist politisch, das ist normativ. Es ist Teil des wissenschaftlichen Diskurses, diese Diskurse zuzulassen. Das ist der Punkt. Diese Diskurse zu verbieten – die Diskurse über Rassismus, über Geschlecht usw. –, ist eine Ideologisierung von Hochschulen. Sie als AfD machen genau das, was Sie anderen vorwerfen. Und völlig wirr schließen Sie daraus: Wenn die Hochschulen und die Wissenschaft endlich wieder ideologiefrei sind, dann können wir auch wieder Exzellenz den Vorrang geben.
Über das Kritisieren der Exzellenzstrategie brauchen Sie mir als langjähriger Juso-Landesvorsitzender nichts zu erzählen. Ich sehe da durchaus kritische Punkte. Aber Ihr Verbesserungsvorschlag für die Exzellenzstrategie ist dann wieder konsequent: Reduzierung von Diversität und Geschlechterverhältnissen in allen Entscheidungsschritten und – jetzt sind wir alle überrascht, hoppla! – wieder einmal das Durchsetzen Ihrer Ideologie: kein Gender-Gaga durch einen Eingriff in die Kriterien der wissenschaftsgeleiteten Verfahren des Wissenschaftsrates. Herzlichen Glückwunsch, AfD!
Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Ende.
Sie haben nichts verstanden.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit – und bei Ihnen, Frau Präsidentin.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Stephan Seiter [FDP])
Daniela Ludwig hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
Beifall bei der CDU/CSU)