Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Das Gesetz, das wir heute voraussichtlich mit großer Mehrheit verabschieden, gibt den Bundesländern die Möglichkeit, neue spezialisierte Spruchkörper einzurichten: Commercial Courts bei den Oberlandesgerichten, Commercial Chambers bei den Landgerichten. Ich denke, insofern sind wir uns weitgehend einig. Wir als Union hätten uns allerdings hier und da mehr Mut gewünscht.
Deutschland hat viele Hidden Champions, exportstarke Unternehmen. Wenn diese Unternehmen Rechtsstreitigkeiten im internationalen Handel auszufechten haben, dann sind sie oft darauf verwiesen, an Commercial Courts in anderen Ländern – London wurde schon erwähnt – oder an die nichtöffentlich tagenden internationalen Schiedsgerichte zu gehen, weil das vertraglich vereinbart ist. Das wollen wir ändern. Commercial Courts machen es den Unternehmen leichter, nach deutschem Recht und vor einem deutschen Gericht zu verhandeln. Das ist in deren Interesse, das ist aber auch im Interesse der eigenen Justiz und des Justizstandorts Deutschland.
Woher kommt diese Dominanz der angelsächsischen Schieds- und Handelsgerichte? Das liegt nicht an der Überlegenheit des Common Law; denn „Law made in Germany“ ist im internationalen Vergleich sehr hoch angesehen. Unsere Verfahren sind anerkanntermaßen von hoher Sachkompetenz, von Transparenz, von Unabhängigkeit und von Objektivität geprägt; das kann man nicht überall voraussetzen. Und im Gegensatz zu den Schiedsverfahren hinter verschlossenen Türen sind diese Verfahren dazu geeignet, die Rechtsprechung fortzuentwickeln und zur Vereinheitlichung des Rechts beizutragen. Es führt also insgesamt zu akzeptierten Ergebnissen.
Die Schiedsgerichte und die internationalen Courts machen vor allem drei Dinge interessant: zum Ersten die Spezialisierung auf Fragen des Handelsrechts, zum Zweiten die kompakten Verfahren in nur einer Instanz und zum Dritten die englische Sprache als Lingua franca im internationalen Handel. Daran muss sich auch unsere Reform messen lassen.
Es wurden die richtigen Punkte angesprochen, wie die englische Sprache und die Verkürzung des Instanzenzugs. Es kann auf Geschäftsgeheimnisse eingegangen werden, und es ermöglicht insgesamt eine freiere Gestaltung; das ist alles sehr positiv. Es ist gut, dass der Mindeststreitwert abgesenkt worden ist. Wir hätten ihn gerne komplett abgeschafft; wir sind aus der Anhörung dazu klüger geworden. Da wäre mehr Mut angebracht gewesen.
Der mögliche Sprachbruch zum BGH ist sicherlich noch ein Schwachpunkt, wenn man auf die Sprachkompetenz beim BGH Rücksicht nehmen will. Ich hätte empfohlen: Schicken wir die Senate an die Richterakademie in Wustrau; die hätten das hinbekommen.
Beifall bei der CDU/CSU
Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP)
Denn bis die erste Revision nach unserem Gesetz beim BGH ankommt, vergeht noch ein bisschen Zeit. Und wir sollten die Richterkollegen auch nicht unterschätzen.
Es wurde schon angesprochen: Das materielle Recht ist attraktiv, aber ein Schwachpunkt ist das AGB-Recht. Die starre Auslegung durch den BGH schießt manchmal übers Ziel hinaus. Es ist der Eindruck entstanden, dass im Streitfall das vertraglich ausgehandelte Gleichgewicht nicht hält. Das führt dazu, dass deutsches Recht gar nicht angewendet wird, was dann zu weniger Schutz von deutschen Unternehmen führt. Wir wissen, wir müssen hier eine kluge Abgrenzung zu den Unternehmen schaffen, die gerne genau dieses AGB-Recht in Anspruch nehmen wollen. Das ist nicht so einfach. Es ist aber ein klares Versäumnis bei diesem Gesetzentwurf, dass das nicht mit im Paket ist. Denn die Rechtswahl steht doch am Anfang der Überlegungen. Es wird im Paket vereinbart: deutsches Recht und deutscher Gerichtsstand. Deshalb muss das unbedingt schnell nachgeliefert werden.
Wir brauchen Richter und Richterinnen, die sich zutrauen, die Verhandlung auf Englisch zu führen. Das dürfte aber auch in Zukunft keine große Hürde sein. Im Gegenteil: Ich glaube, die Möglichkeit, an solchen Verfahren, die ja wirklich relevant sind, mitzuarbeiten, ist attraktiv und ein Pluspunkt im Wettstreit um die klügsten Köpfe mit den großen Wirtschaftskanzleien, die sonst für diese Kollegen attraktiv sind.
Wir streiten uns ein bisschen darum, wer als Erster die Initiative für diesen Gesetzentwurf ergriffen hat. Das ist vielleicht der ultimative Beweis dafür, dass wir uns hier einig sind, in den wesentlichen Punkten jedenfalls.
Es ist gut, dass NRW damals schon bei der Initiative mit dabei war und jetzt auch schon Überlegungen anstellt, Commercial Courts einzurichten.
Mir bleibt, aber doch noch mal darauf hinzuweisen, dass wir als Union in dieser Legislaturperiode diese Initiative als Erste eingebracht haben, vor zwei Jahren schon. Wir könnten schon viel weiter sein, und es geht darum, nicht weiter Zeit zu verlieren. Insofern freuen wir uns, dass wir es jedenfalls heute schaffen, diesen Gesetzentwurf zu verabschieden.
Vielen Dank.
Beifall bei der CDU/CSU)
Das Wort hat Carl-Julius Cronenberg für die FDP-Fraktion.
Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)