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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren in diesen Tagen und Wochen viel über die deutsche Wirtschaft. Manch einer malt da gern den Teufel an die Wand, spricht von uns als „kranker Mann Europas“. Ich muss ganz ehrlich sagen: Das finde ich befremdlich.
Der Kanzler hat es in seiner Regierungserklärung vergangene Woche betont: Deutschland ist mit gerade einmal 84 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern die drittgrößte Wirtschaftskraft der Welt.
Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])
Wir haben das Hochtechnologieland Japan mit 126 Millionen Einwohnern überholt und als drittgrößte Wirtschaftsnation abgelöst. Wir beheimaten hochwertige und zukunftsgerichtete Industrien, von denen sich immer mehr in Deutschland ansiedeln.
An alle, deren Lieblingsbeschäftigung darin besteht, unser Land, Deutschland, schlechtzureden: Der Investitionsstandort Deutschland bleibt attraktiv. Wir sind eine starke Wirtschaftsnation, meine Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen.
Beifall bei der SPD)
Diese Wirtschaftskraft fußt in großem Maße auf internationaler Vernetzung, simpel gesprochen: auf Importen und Exporten. Deutsche Unternehmen sind Teil eines harten globalen Wettbewerbs, und ein solcher bringt immer wieder Streitigkeiten hervor, die rechtlich geklärt werden müssen. Um derartige Wirtschaftsstreitigkeiten auch in Deutschland verhandeln zu können, haben wir das vorliegende Gesetz entwickelt und stärken damit unser Land als Justiz- und Wirtschaftsstandort zugleich. Denn bis dato hatte unsere ordentliche Gerichtsbarkeit nur eingeschränkt zeitgemäße sowie international attraktive Verfahrensformen für Dispute mit hohen Streitwerten im Angebot.
Um die Frage zu beantworten, welche attraktiveren Optionen uns hier Konkurrenz machen: Das wären vor allem privat agierende Schiedsgerichte, die den Verfahrensbeteiligten umfassende Geheimschutzregelungen und den Ausschluss der Öffentlichkeit anbieten können.
Zudem waren deutsche Zivilgerichte bislang nur eingeschränkt in englischer Sprache verhandlungsfähig. In der Weltwirtschaft geht aber kein Weg an Englisch als Verhandlungssprache vorbei. Das Ergebnis: Bislang werden länderübergreifende Wirtschaftsstreitigkeiten in anderen Rechtsordnungen wie dem Londoner Commercial Court oder eben vor den genannten privaten Schiedsgerichten ausgetragen. Dieses Themenfeld der Justiz läuft also an uns vorbei.
Das wollen wir ändern. Konkurrenzfähig im Welthandel, konkurrenzfähig als Standort der globalen Wirtschaftsjustiz, das ist unsere Vision, das wollen wir erreichen, meine Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Der vorliegende Gesetzentwurf sieht deshalb vor, dass die Verfahren privatrechtlicher Wirtschaftsstreitigkeiten künftig vollständig auf Englisch geführt werden können. Auch die Urteile dieser Gerichtsverfahren werden dann zukünftig in englischer Sprache ergehen.
Wir ermöglichen den Bundesländern, an ausgewählten Landgerichten, den sogenannten Commercial Chambers, für zu bestimmende bürgerliche Rechtsstreitigkeiten von Unternehmerinnen und Unternehmern Englisch umfassend als Gerichtssprache vorzusehen, wenn sich die Parteien über die Sprache geeinigt haben.
Die Berufung und Beschwerde gegen die englischsprachigen Entscheidungen dieser Landgerichte wird an sogenannten Commercial Courts möglich sein. Sie können an Oberlandesgerichten oder einem Obersten Landesgericht eingerichtet werden.
An diesen Commercial Courts können ebenfalls auf Englisch ab einem Streitwert von 500 000 Euro erstinstanzliche bürgerliche Streitigkeiten zwischen Unternehmerinnen und Unternehmern oder Streitigkeiten aus dem Bereich des Unternehmenskaufes geführt werden. Die Beteiligten haben zudem bei Konsens einen Anspruch auf Erstellung eines mitlesbaren Wortprotokolls. Der Commercial Court ist zudem verpflichtet, im Rahmen eines frühestmöglichen Organisationstermins den Ablauf des Verfahrens zu erörtern und sich mit den Parteien auf einen Verfahrensplan zu einigen.
Gegen die erstinstanzlichen Entscheidungen dieser Commercial Courts wird die zulassungsfreie Revision zum Bundesgerichtshof eröffnet sein. Die umfassende Verfahrensführung auf Englisch soll am Bundesgerichtshof möglich sein, allerdings nur, wenn Einvernehmen darüber mit dem zuständigen Senat des BGH besteht.
Wir werden dann also schon bald in diesem Bereich Urteile von deutschen Gerichten in einer Streitsache zwischen Wettbewerbern haben. Damit endet aber in der Regel nicht der wirtschaftliche Konkurrenzkampf zwischen den Beteiligten. Deshalb brauchen wir klare Regelungen zum Umgang mit Geschäftsgeheimnissen. Ich habe es eingangs gesagt: Hier haben private Schiedsgerichte bislang die Nase vorn. Im Sinne aller Beteiligten wollen wir es hier ermöglichen, die Öffentlichkeit auszuschließen, wenn Geschäftsgeheimnisse verhandelt werden. Der jeweilige Verfahrensgegner soll zudem verstärkt zur Diskretion betreffs solcher im Verfahren erlangter Erkenntnisse verpflichtet werden können.
Dass wir in der Frage solcher Wirtschaftsgerichte weiterkommen, liegt auch im Interesse der Bundesländer. Das machen entsprechende Gesetzentwürfe des Bundesrates aus den Jahren 2010 bis 2022 deutlich, die wir beim vorliegenden Gesetzentwurf berücksichtigt und fortentwickelt haben. Zudem haben die parlamentarischen Verhandlungen und die öffentliche Anhörung die Qualität des Gesetzes zusätzlich gesteigert. So sind zum Beispiel der Organisationstermin und das Wortprotokoll auch bei den Commercial Chambers, also auf Ebene der Landgerichte, ermöglicht worden.
Ich fasse zusammen. Mit der Einführung der Commercial Courts und der englischen Sprache in der Zivilgerichtsbarkeit setzen wir einen entscheidenden Schritt in die Zukunft. Man kann sich unsere Justiz der Zukunft dann vorstellen wie ein Schweizer Taschenmesser: effizient, zuverlässig,
international anerkannt und ausgestattet mit allerlei spezialisiertem Werkzeug.
Diese Reformen, werte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, machen Deutschland zu einem attraktiven Rechtsstandort und stärken unsere Wirtschaft nachhaltig. Das sollte in unser aller Interesse liegen, weshalb ich um Ihre Zustimmung bitte.
Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat der Abgeordnete Fabian Jacobi für die AfD-Fraktion.
Beifall bei der AfD)