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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Ende der Debatte kann man, glaube ich, feststellen, dass wir uns in Teilen einig sind in der Analyse des Problems. Man muss aber auch feststellen, dass von Ihnen wenig bis keine Vorschläge gekommen sind zur Lösung. Aber, Herr Kollege Fiedler, wir nehmen natürlich gerne auch Ihr Angebot zu konstruktiven Gesprächen an.
Denn schon das Bundesverfassungsgericht hat uns ja entsprechende Hausaufgaben aufgegeben. Es war der Meinung, dass die Väter und Mütter des Grundgesetzes dem Staat die Aufgabe gegeben haben, seine Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Das ist genau unsere Aufgabe. Besondere Sorgfalt muss der Staat dann eben auch auf den Schutz derjenigen legen, die sich oft nicht selbst schützen können. Das sind vorwiegend Kinder, Ältere, beeinträchtigte Menschen und ganz besonders eben auch die Frauen.
Das belegen auch die Zahlen. Im Jahr 2023 waren über 180 000 Opfer häuslicher Gewalt weiblich; das sind gut 70 Prozent. Knapp 80 Prozent der Opfer von Partnerschaftsgewalt sind Frauen. Rund ein Viertel der Frauen im Alter von 16 bis 85 Jahren haben mindestens einmal im Leben Partnerschaftsgewalt erlebt. Die Betroffenen kommen aus allen sozialen Schichten, mit unterschiedlichsten Bildungsgraden und kulturellen Hintergründen. Es gibt nicht die eine Art von Frau, die betroffen ist – es kann jede treffen. Gemein ist ihnen, dass die gegen sie verübte Gewalt oft von Männern ausgeht. Und das Schlimmste ist: Die Täter sind meist die Männer, die den Frauen nahestehen und die Taten in den eigenen vier Wänden ausüben, also dort, wo man sich eigentlich besonders geschützt fühlen sollte. Das ist gerade das Perfide.
Circa ein Viertel aller in der Polizeilichen Kriminalstatistik erfassten Opfer der einschlägigen Delikte sind Opfer von häuslicher Gewalt, Dunkelziffer unbekannt. Im Jahr 2023 wurden insgesamt 155 Frauen und 24 Männer durch ihre Partner oder Ex-Partner getötet. Das ist also ungefähr jeden zweiten Tag ein Mensch in Deutschland, der Opfer einer Beziehungstat wird.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die Zahlen zeigen deutlich: Es gibt Handlungsbedarf. Es geht uns nicht darum, hier Kritik an Gerichtsurteilen zu üben, sondern es geht uns darum, angemessene Strafmöglichkeiten zu schaffen. Wir müssen Opfer von Gewalt künftig besser schützen. Akteure und Institutionen müssen besser kooperieren und für die Problematik sensibilisiert sein. Wir müssen bei häuslicher Gewalt hinsehen und Hinweise geben, wie man dagegen vorgehen kann, wenn man sie beobachtet. Maßnahmen und ausgesprochene Sanktionen gegen gewaltausübende Personen müssen funktionieren. Täter müssen verlässlich von den Opfern ferngehalten werden. Wir müssen allen von Gewalt Betroffenen ausreichend Schutzräume bieten – das hat die Kollegin Lindholz auch ausgeführt – und diese finanziell auf eine stabile Grundlage stellen. Wir müssen als Gesellschaft Gewalt gegen Frauen ächten. Und auch das kommt in unseren Vorschlägen zum Ausdruck.
Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Frank Bsirske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Was ist also zu tun? Wir wollen ganz konkret das Merkmal „unter Ausnutzung der körperlichen Überlegenheit“ bei den Delikten Mord, gefährliche Körperverletzung und Raub einführen und damit insbesondere Frauen schützen. Der Kollege Krings hat es ausgeführt. Ich möchte ihm an dieser Stelle ganz ausdrücklich für die Initiative danken.
Beifall bei der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir machen aber auch Vorschläge zur Prävention, und da empfehle ich Ihnen einmal die genaue Lektüre unseres Gesetzentwurfs. Das ist uns sehr wichtig; denn es läuft ja oft so ab: Gerichte beschließen Kontakt- und Annäherungsverbote, wegen der Dringlichkeit häufig sogar im Eilverfahren; aber im Anschluss wird den Gewalttätern der Beschluss einfach zugestellt, manchmal nur durch Einlegen in den Briefkasten. Eine Überwachung der Gefährder durch den Staat findet nicht statt. Da kann man als betroffene Frau eigentlich nur sagen: Danke für nichts.
Deshalb planen wir unter anderem etliche Änderungen im Gewaltschutzgesetz, insbesondere die Einführung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung, der sogenannten Fußfessel. So können unserer Meinung nach potenzielle Täter effektiv überwacht werden und Opfer besser und wirksamer geschützt werden.
Auch einige Pilotprojekte zeigen die Effizienz. Es ist schon gesagt worden: Beispielsweise in Spanien glänzt man mit einer hundertprozentigen Erfolgsquote; seit der Einführung im Jahr 2009 ist im Rahmen des Schutzprogramms keine einzige Frau mehr getötet worden. Gewalttätige Männer halten meist Abstand zu ihren ehemaligen Partnerinnen.
Bei uns in Deutschland ist die Situation noch eine ganz andere. Das zeigt auch eine Recherche des Weißen Rings, die herausgefunden hat, dass es im Zeitraum von Januar bis Oktober 2023 109 Presseartikel über Frauen gibt, die in Deutschland von Männern getötet wurden, gegen die vorher ein Kontakt- oder Annäherungsverbot verhängt wurde. 109 Frauen also, die Hilfe bei staatlichen Stellen gesucht haben und deren Tod wir am Ende nicht verhindern konnten. Das muss ein Ende haben, und darüber müssen wir uns doch hier einig sein.
Beifall bei der CDU/CSU)
Der Bundesjustizminister sieht das anscheinend anders. Einen von der Justizministerkonferenz vorgelegten Vorschlag hält er schlicht für nicht geeignet und spielt das Thema an die Länder zurück. Das ist einfach zu wenig.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit unserem Gesetzentwurf machen wir etwas, wozu die Bundesregierung seit zweieinhalb Jahren nicht in der Lage ist: Wir bieten Lösungen für ein Gefühl in der Bevölkerung, das leider immer weniger ein Gefühl ist, sondern mit Zahlen unterlegte Realität. Es ist die angemessene Reaktion auf die dramatische Zunahme von Straftaten, insbesondere im Bereich der Gewaltkriminalität und der häuslichen Gewalt. Was wir von Ihnen heute gehört haben, ist keine angemessene Reaktion. Relativieren ist keine angemessene Reaktion, und Nichtstun ist auch keine angemessene Reaktion. Wenn man wie die Familienministerin Equal Pay vorschlägt, um dem Problem zu begegnen, dann ist das auf gar keinen Fall angemessen, sondern zynisch. Tun Sie was!
Beifall bei der CDU/CSU)