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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 75 Jahre NATO, das ist eine einzigartige Erfolgsgeschichte, die vor allem zwei zentrale Anker hat:
Zum Ersten ist es die Erkenntnis, dass Verteidigungsfähigkeit, Abwehrfähigkeit, am besten gemeinsam zu organisieren ist, weil in der Abschreckung, in der Verteidigung das Zusammenwirken der Einzelteile mehr ergibt als nur die Summe der Einzelteile; eins plus eins ist mehr als zwei in der Verteidigung.
Zum Zweiten. Als Europäer konnten wir uns natürlich ganz stark auf Amerika als die stärkste Nation in der NATO verlassen. Ich erlaube mir heute, am Fourth of July, am Nationalfeiertag der Vereinigten Staaten von Amerika, auch Amerika herzlich zu danken für das, was sie in den letzten 75 Jahren für unsere Sicherheit getan haben.
Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Diese 75 Jahre waren wechselvolle Jahre. Sie waren geprägt von atomarer Aufrüstung und Kaltem Krieg. Aber die NATO hat es dann geschafft, die großen Bewährungsproben zum Ende des Kalten Krieges zu bestehen. Wir erinnern uns an die große Diskussion um den NATO-Doppelbeschluss in Deutschland, die in Deutschland eine Regierung gespalten hat, die auch die Bevölkerung gespalten hat. Ich habe vor wenigen Wochen im Radio ein Interview mit Wolfgang Niedecken von BAP gehört. Ich kann es leider nur aus dem Gedächtnis zitieren. Er hat gesagt: Auch ich habe damals gegen den NATO-Doppelbeschluss demonstriert. Ein Glück, dass wir keinen Erfolg hatten. – Also, die Erkenntnis, dass das damals eine richtige Entscheidung war, hat sich über die Jahre durchgesetzt.
Die NATO hat es dann in der wechselvollen Zeit nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und der Auflösung der Sowjetunion geschafft, als integrierende Kraft in Europa zu wirken, und zwar – das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich betonen – im völligen Einklang mit allen völkerrechtlichen Regeln, mit der UN-Charta, mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag, mit der Pariser Charta der OSZE. Alles, was die NATO in den Jahren nach dem Ende des Kalten Krieges bis zum heutigen Tag gemacht hat, war also im völligen Einklang mit dem Völkerrecht.
Die NATO steht vor der neuen Herausforderung, dass sie nun auf eine neue Aggression, eine Aggression, die wir so nicht erwartet haben, gemeinsam und gestärkt reagieren muss. Die Bundesaußenministerin hat es angesprochen: Alle in der NATO, auch die europäischen Bürgerinnen und Bürger, erwarten eine stärkere Rolle Europas bei der Verteidigung unserer gemeinsamen Werte und unserer gemeinsamen Territorien.
Und da ist die Frage, was über das Sonntagsbekenntnis zu mehr Europa in der NATO konkret daraus wird. Wir haben vor zwei Tagen mit amerikanischen Kongressabgeordneten zusammengesessen. Die haben uns diskret darauf hingewiesen, dass das Bruttoinlandsprodukt der Europäischen Union ziemlich genau 8,5-mal so groß ist wie das Bruttoinlandsprodukt Russlands. Die Frage – eigentlich ist es eine Forderung an uns –, warum wir denn nicht mehr tun können in Abwehr dieser russischen Aggression, die ja mit dieser massiven Aufrüstung auf russischer Seite einhergeht, ist also völlig legitim, und dieser Frage müssen wir uns auch stellen.
Ich finde es gut, dass die mutmaßlich neue Kommissionspräsidentin, Ursula von der Leyen, die Absicht hat, einen Kommissar für Verteidigung und Rüstung einzusetzen; denn das ist etwas, wo wir als Europäer ganz konkret einen Beitrag leisten können: Wir wollen unsere Rüstungsanstrengungen konsolidieren, effizienter, effektiver machen und die Vielfalt der verschiedenen Rüstungsgüter, die wir in unseren Streitkräften haben, reduzieren. Wir wollen gleichzeitig aber auch sicherstellen, dass wir bei führenden Rüstungssystemen nicht von nur einem Lieferanten in der NATO abhängig sind, sondern dass wir vielleicht neben einem amerikanischen Leitsystem auch ein europäisches Leitsystem haben. Genau diese Konsolidierung der Rüstungsindustrie muss, wie ich finde, stattfinden und könnte von der Kommission maßgeblich vorangetrieben werden.
Das bedeutet für uns aber auch, dass wir darüber nachdenken müssen, welche Anforderungen wir unsererseits an diese gemeinsame europäische Rüstungspolitik stellen. Es kann ja nicht sein, dass zum Beispiel bei der Frage des Exportes von Rüstungsgütern jeder der 27 Mitgliedstaaten eigene Regeln hat und eigene Maßstäbe verfolgt.
Das Zweite, wo ich Europa ganz stark sehe, ist im Bereich der Konsolidierung der Ausbildung. Ich glaube, dass wir gerade dann, wenn wir mehr gemeinsames Gerät haben, besser ausbilden können und dass wir die erheblichen Aufwendungen, die wir brauchen, um unsere Soldaten bei der Handhabung dieser hochmodernen Geräte fit zu halten, in der Europäischen Union stärker gemeinsam aufbringen müssen.
Das Dritte ist, dass wir gemeinsame Anstrengungen brauchen, um die Logistik in Europa für die NATO und für die NATO-Partner in Europa zu verbessern, zum Beispiel beim Bau von Brücken und von Fernverbindungswegen in die Regionen, in die wir verlegungsfähig sein müssen. Ich glaube, das sollte im Arbeitsprogramm der neuen Kommission ganz oben mit anstehen.
Es liegt an uns, dafür zu sorgen, dass die NATO auch eine gute Zukunft hat.
Danke schön.
Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Als Nächster hat das Wort für die SPD-Fraktion Dr. Nils Schmid.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)