- Bundestagsanalysen
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Gesundheitssystem in Deutschland liegt auf der Intensivstation. So, wie es jetzt ist, kann es nicht weitergehen. Wir haben eines der teuersten Gesundheitssysteme der Welt, aber auch eines der ineffektivsten. Das gut ausgebildete Personal läuft im Hamsterrad. Es bleibt keine Zeit für Patientengespräche. Es herrscht der Eindruck, dass das Krankenhaus einfach eine Reparaturwerkstatt für kranke Menschen ist und Reparaturen am Fließband stattfinden. Es arbeiten mehr Fachkräfte im Gesundheitswesen als je zuvor, und trotzdem haben wir zu wenig Personal. Es gibt viele Defizite, Fehlanreize, Über- und Unterversorgung, überbordende Bürokratie und noch fehlende Digitalisierung.
Es ist die Verantwortung von uns Bundespolitikerinnen und -politikern und von den Landespolitikerinnen und -politikern, das zu verändern, und das tun wir jetzt.
Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Mit dieser Reform beseitigen wir diese Unwuchten. Wir relativieren den Abrechnungsdruck der Krankenhäuser. Wir geben dem medizinischen Personal Luft zum Atmen und zum Behandeln: weg vom Arbeitsdruck am Fließband, hin zu den Patientinnen und Patienten, hin zu qualitativ hochwertiger Versorgung.
Wer jedoch populistisch unterwegs ist und behauptet, die vorgeschlagene Reform sei schlecht und unsere Strukturen müssten so erhalten bleiben, handelt unredlich und gefährlich und – ich möchte es deutlich sagen – täuscht die Bevölkerung.
Um unser Gesundheitssystem auf Vordermann zu bringen und vordringlich die Krankenhäuser fit für die kommenden Jahrzehnte zu machen, brauchen wir einen harmonischen Dreiklang:
Wir brauchen erstens eine Reform der Krankenhausstrukturen mit einer Reduktion der Krankenhausbetten. International gesehen haben wir statistisch sehr viele Krankenhausbetten – die Bevölkerung sieht das ebenfalls so – mit den entsprechenden Fehlbelegungen, die wir heute haben.
Wir brauchen zweitens eine Entfesselung bei der Ambulantisierung. Viele Patienten müssen nicht zwingend im Krankenhaus behandelt werden. Wenn wir nicht kurzfristig mehr Personal beschaffen können, müssen wir mehr ambulante Leistungen erlauben und diese auch entsprechend honorieren.
Und drittens brauchen wir eine verbesserte Patientensteuerung im Notfall. Menschen müssen im Notfall rasch in die spezialisierten Zentren gebracht werden.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Diese drei Punkte gehen wir als Koalition jetzt mit dem KHVVG, GVSG und der Notfallreform an.
Gestern hatte ich auf einer Veranstaltung Gespräche über die Krankenhausstrukturreform. Dabei wurde viel in Metaphern gesprochen. Das Gesundheitssystem wurde mit der Bahn verglichen. Als die Krankenhausreform zur Sprache kam, meinte der Kollege Sorge, dass die Krankenhausreform lediglich eine Regionalbahn sei und zu langsam fahre. Da bin ich ehrlich gesagt ganz anderer Meinung. Wir sind ein moderner ICE; das Problem bleibt das Schienennetz, das die Länder bereitstellen. Denn die Länder sind für die Krankenhausplanung verantwortlich. Hier müssen wir noch mutiger sein als der Gesundheitsminister in Nordrhein-Westfalen, der Kollege Laumann. Ohne vernünftige Schienen kann die beste Lokomotive nicht fahren. Das heißt konkret: Ohne Krankenhausplanung gibt es keine vernünftige Reform. Die Reform bleibt Makulatur, und das System geht zugrunde.
Herr Kollege Ullmann, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Sorge?
Gerne.
Das verlängert auch Ihre Redezeit.
Ja, das ist gut.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Jetzt kann man uns unterstellen, wir hätten das abgesprochen, aber ich wollte nur kurz etwas richtigstellen. Der Kollege Ullmann hat auf eine Veranstaltung gestern hingewiesen, wo die Bahn als Metapher herangezogen wurde, und hat mich falsch zitiert.
Ich habe bei der Frage der Krankenhausreform im Kontext der Bahn gesagt, dass Vergleiche mit der Bahn und ihrer Pünktlichkeit etc. immer suboptimal sind, aber in dem Fall stimmt es tatsächlich. Ich habe gesagt: Ich fühle mich da wie in der Regionalbahn. Da kommt immer der Zugbegleiter – der heißt häufig auch Karl, zumindest wenn ich nach Hause fahre – und sagt: Herr Sorge, es ist zwar jetzt heiß hier in der Bahn, die Klimaanlage funktioniert nicht, aber es wird besser. Wir denken darüber nach. Dann sage ich zu ihm: Ja, gut, gibt es denn einen Kaffee? Und dann sagt er: Das Bistro hat gerade geschlossen, aber wir arbeiten daran. Es wird besser. – Das war im Grunde der Kontext meiner Aussage.
Zurufe von der SPD)
Mich würde Folgendes interessieren, lieber Herr Kollege Ullmann: Sie haben Punkte angesprochen, die wir ja auch genannt haben. Es wird ja immer darauf hingewiesen, dass Sie auch mit den Ländern im Gespräch sind. Gehen Sie davon aus, dass die Anregungen, die die Länder im Rahmen der Stellungnahme und auch im Rahmen des 16 : 0-Beschlusses unterbreitet haben, wie man die Krankenhausreform optimieren und besser machen könnte – ich habe vorhin selbst sechs Punkte aus Unionssicht vorgebracht –, in den Beratungen vom BMG und der Ampel berücksichtigt werden, oder machen Sie weiter wie bisher?
Vielen Dank.
Herr Kollege Sorge, danke für die Frage. Die kann ich relativ einfach beantworten. – Nicht nur die Statistik spricht für sich, sondern auch die Tatsache, dass wir regelmäßig Bund-Länder-Konferenzen haben, auf denen wir darüber sprechen. Ich erinnere auch gerne daran, dass wir gemeinsam ein Eckpunktepapier verabschiedet haben, an dem alle beteiligt waren, bis auf zwei Länder: Einmal war es Bayern, das sich dagegen gewandt hatte, und einmal Schleswig-Holstein, das sich enthalten hatte. Diese Gespräche laufen regelmäßig. Wir hatten erst vor einigen Wochen ein gemeinsames Gespräch über die Notwendigkeit dieser Krankenhausreform. Sie können sicher sein – und der Minister hat das ja auch gerade erwähnt –: Diese Gespräche, die mit den Ländern bereits geführt werden, werden auch weitergeführt.
Auch die Sorgen und die Nöte – darauf möchte ich gleich noch in meiner Rede eingehen – nehmen wir ernst. Wir werden sie nicht einfach so wegwischen. Wir müssen diese Reform ja gemeinsam erreichen. Es ist wichtig, dass Bund und Länder zusammenarbeiten. Und das ist das Problem: Die Länder arbeiten noch nicht zusammen. Die sagen: Gebt uns mehr Geld, und wir regeln das schon. – Das ist die alte Politik, die Politik der letzten 30 Jahre, und das müssen wir verändern.
Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, es darf nicht zu einer weiteren Steigerung der Zusatzbeiträge auf dem Rücken der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler kommen. Es muss mehr auf Qualität gesetzt werden, und dafür brauchen wir auch die Länder.
Wir nehmen auch die Ängste und Sorgen der Menschen ernst. Da gibt es noch viel zu tun. Der Gesetzentwurf in der jetzigen Form ist erst der Beginn einer wichtigen Reform. Es wird noch viele Gespräche innerhalb der Koalition und mit den Ländern geben, um ihn noch weiter zu verbessern, mit den Zielen, die wir uns gesetzt haben.
Wir brauchen eine bedarfsgerechte flächendeckende Grundversorgung und eine gestaffelte spezielle Versorgung. BG-Kliniken, Bundeswehrkrankenhäuser, Belegkrankenhäuser und Fachkliniken werden in dieser Reform ebenfalls berücksichtigt. Es wird immer gesagt, dass die außen vor sind. Das ist nicht der Fall.
In Richtung Sachsen-Anhalt möchte ich sagen: Die Sicherstellungszuschläge bleiben bestehen. In Richtung Schleswig-Holstein und Bayern sage ich: Gut funktionierende Schlaganfallversorgungsysteme werden nicht zerstört, sondern berücksichtigt. Denn, meine Damen und Herren, was bereits gut und bedarfsgerecht läuft, müssen wir erhalten.
Die Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung, inklusive der ambulanten Pflege, muss verbessert werden. Die sektorengleiche Vergütung wäre hier unter anderem ein Lösungsansatz.
Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Nur so haben wir die Chance, das Gesundheitssystem fair, modern und zeitgemäß zu gestalten. Das haben die Menschen in der Bundesrepublik Deutschland auch verdient.
Ich freue mich auf konstruktive Gespräche für eine verbesserte medizinische Versorgung unserer Bürgerinnen und Bürger.
Danke schön.
Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank, Herr Kollege Ullmann. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Sepp Müller, CDU/CSU-Fraktion.
Beifall bei der CDU/CSU)