Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet“, so lautet eine gängige Redensart. Für den Vorgang, den wir hier beraten, wäre sie aber vielleicht doch etwas zu harsch. Nüchtern-sachlich kann man festhalten, dass der Justizminister an dem Ziel, das er sich mit dem vorliegenden Gesetzentwurf gesetzt hat, gescheitert ist.
Beifall bei der AfD)
Das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz soll zwei Dinge tun: Es soll den Opfern von falschen und irreführenden Kapitalmarktinformationen die Durchsetzung ihrer Schadensersatzansprüche erleichtern, und es soll die Gerichte im Hinblick auf zahlreiche, denselben Fall betreffende, parallele Klageverfahren entlasten. Diesen Anspruch hat das 2005 erlassene Gesetz nach wohl allgemeiner Auffassung nur unvollkommen eingelöst. Zu kompliziert der Ablauf, viel zu langwierig die Verfahren, so das Urteil der Praxis. Eine erste Reform im Jahr 2012 brachte keine grundlegende Verbesserung. Nun also der nächste Reparaturversuch, der aber voraussichtlich ebenfalls nicht wirklich zum Ziel führen wird.
Dem Abstimmungsverhalten der Fraktion der CDU/CSU im Rechtsausschuss nach zu schließen, wird sie den Gesetzentwurf gleich ablehnen. Dem Entschließungsantrag derselben Fraktion zufolge ist ihr wesentlicher Kritikpunkt, dass nach dem Gesetzentwurf zukünftig bei Durchführung eines Musterverfahrens nicht mehr alle in der Sache betroffenen Klageverfahren von Amts wegen ausgesetzt werden, unabhängig davon, ob das in diesen Verfahren auch beantragt wird. Diese Änderung ist in der Tat in verschiedenen Stellungnahmen kritisiert worden. Der Kritik zufolge soll es nämlich zur Erreichung der gewünschten Breitenwirkung des Musterverfahrens nötig sein, wie bisher alle Mitbetroffenen in das Musterverfahren einzubeziehen. Davon nimmt der vorliegende Gesetzentwurf Abschied. Zukünftig sollen nur noch diejenigen Kläger an dem Musterverfahren beteiligt sein, die das auch wollen.
Aus unserer Sicht ist diese Änderung gerade kein Grund, den Gesetzentwurf abzulehnen. Dass dem rechtsuchenden Bürger ein Stück Autonomie und Entscheidungsfreiheit zurückgegeben werden soll, auf welchem Weg er selbst meint, seinen Anspruch am besten verfolgen zu können, ist vielmehr zu begrüßen.
Beifall bei der AfD)
Wenn man als Gesetzgeber möchte, dass möglichst viele Kläger sich an einem solchen Musterverfahren beteiligen, dann muss man dieses Verfahren halt so attraktiv gestalten, dass sie das auch freiwillig tun. Tatsächlich begegnet es sogar verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf den Justizgewährleistungsanspruch des Bürgers, wenn man ihn gegen seinen Willen in ein Verfahren hineinzwingt, das oftmals so langwierig ist, dass er mit gewisser Wahrscheinlichkeit seinen Abschluss gar nicht mehr erlebt.
Auch sonst enthält der Gesetzentwurf einige Ansätze, die sich als sinnvoll erweisen könnten. Dass das Oberlandesgericht, bei dem das Musterverfahren durchgeführt wird, nicht mehr an die Formulierung der Feststellungsziele durch das vorliegende Landgericht gebunden ist, sondern diese selbst in zweckdienlicher Weise präzisieren kann, das kann durchaus zur erfolgreichen Beschleunigung der Musterverfahren beitragen. Auch dass die vielfach zeitraubende Akteneinsicht durch die zahlreichen am Musterverfahren Beteiligten mittels einer elektronischen Aktenführung erleichtert und beschleunigt werden soll, mag diesem Zweck dienlich sein. Solche für sich genommen sinnvollen Einzelpunkte sind sicherlich nicht schädlich. Sie ergeben aber in der Summe auch nicht den großen Wurf bei der Neugestaltung des Musterverfahrens, der eigentlich erforderlich wäre. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist somit nicht gut genug, um ihn mit unserer Zustimmung zu adeln. Gründe, die seine Ablehnung nötig machen würden, enthält er aber ebenso wenig. Wir werden ihn also schlicht passieren lassen.
Sie werden ihn passieren lassen müssen!)
Es mag sich dann zeigen, ob er in der Realität eine wahrnehmbare Verbesserung bewirken kann.
Vielen Dank.
Beifall bei der AfD)
Das Wort hat Dr. Manuela Rottmann für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)