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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz – ein totes Pferd?“ Diese Frage wirft ein Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Köln in der aktuellen Ausgabe der „Zeitschrift für Rechtspolitik“ auf.
Schaut man auf die aktuelle Rechtslage, stellt man fest: Das Pferd ist jedenfalls sehr, sehr träge. Kapitalanlegermusterverfahren sind viel zu langwierig, viel zu kompliziert und viel zu schwerfällig. Die Verfahren beschäftigen Anleger und Emittenten, Gerichte und Anwälte oft viele, viele Jahre – zu viele Jahre.
Die vorgeschlagene Reform des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes ändert diesen Zustand nicht grundlegend. Auch die Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen tun das nicht. Sie schlagen zwar durchaus einige sinnvolle Änderungen vor. Ich will hier zwei Beispiele nennen:
Erstens. Es ist richtig, dass bei der Zulässigkeit eines Musterverfahrensantrags ebenso wie bei der Aussetzung und Unterbrechung von Parallelverfahren künftig statt des konkreten Abhängigkeitsmaßstabs des Bundesgerichtshofes ein abstrakter Abhängigkeitsmaßstab gelten soll.
Zweitens. Es ist auch gut, dass die Oberlandesgerichte künftig den Streitstoff abschichten und die Feststellungsziele neu fassen können sollen.
Die Grundlage, auf der die Oberlandesgerichte das tun sollen, bleibt freilich weiterhin unzulänglich. Der Vorlagebeschluss des Landgerichts reicht dafür nach wie vor nicht aus – auch mit der jetzt zusätzlich vorgeschriebenen Angabe der Beweismittel. In Summe ist die Reform so oder so nicht geeignet, das träge Pferd wirklich aufzupäppeln.
Beifall bei der CDU/CSU)
Deshalb ist es auch falsch, dieses träge Pferd jetzt einfach auf Jahre weiter zu reiten, indem man das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz entfristet. Dass der Regierungsentwurf allen Ernstes annimmt, das Kapitalanlegermusterverfahren habe sich trotz seiner bisherigen Unzulänglichkeiten grundsätzlich bewährt, überzeugt schon angesichts der überlangen Verfahrensdauern nicht. Ebenso wenig überzeugt sein pauschaler Befund: „Alternativen: Keine.“
Um hier jegliche Missverständnisse zu vermeiden, will ich eins klar sagen: Natürlich ist es richtig, das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz jetzt nicht ersatzlos auslaufen zu lassen. Aber „besser als nichts“ ist doch keine überzeugende Begründung für eine Entfristung, und alternativlos ist das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz auch nicht.
Wir beraten doch gerade im Rechtsausschuss selbst darüber, wie wir den Zivilgerichten helfen können, Massenverfahren in ihrer gesamten Breite besser bewältigen zu können. Deshalb wäre es richtig, das Gesetz nicht nur, wie jetzt vorgesehen, erneut zu evaluieren, sondern das Gesetz auch erneut zu befristen. Wer stattdessen „Alternativen: Keine.“ schreibt, der leugnet letztendlich, dass es überhaupt ein besseres und schnelleres Pferd gibt.
Beifall bei der CDU/CSU)
Darüber hinaus wird der Ballast, den die Reform dem trägen Pferd jetzt abnehmen will, auch nur verschoben. Diesen muss die Justiz an anderer Stelle tragen. Dass Parallelverfahren nicht mehr von Amts wegen, sondern nur noch auf Antrag ausgesetzt werden können, reduziert deren gebündelte Verhandlung und Entscheidung. Dass Parallelverfahren nicht mehr ausgesetzt werden müssen, sondern nur noch ausgesetzt werden können, verzögert deren Verhandlung und Entscheidung durch eine anfechtbare Ermessensentscheidung zusätzlich und unnötig. Dass Parallelverfahren nur noch auf Antrag des Klägers ausgesetzt werden können, widerspricht der prozessualen Waffengleichheit, und dass ein rechtsschutzversicherter und anwaltlich vertretener Kläger diesen Antrag nicht stellen wird, das liegt doch auf der Hand.
Das alles führt zu mehr Individualverfahren mit doppelten oder gar drei- oder vierfachen Beweisaufnahmen sowie divergierenden Entscheidungen. Das heißt im Ergebnis: Mehrbelastung für die Justiz und weniger Rechtssicherheit für Anleger und Emittenten.
Beifall bei der CDU/CSU)
Letztlich behandelt die Reform nur Symptome und nicht die Ursache für die Trägheit des Pferdes. Heute braucht es in Kapitalanlegermusterverfahren teils eine dreistellige Anzahl an Feststellungszielen, um zu einer Entscheidung zu kommen. Das zeigt eindeutig: Das materielle Recht macht die Entscheidung in Kapitalanlegermusterverfahren so schwierig, so langwierig und so kompliziert. Deshalb reicht es eben nicht aus, die prozessualen Schrauben anzuziehen, wie es die Reform allein macht. Um Kapitalanlegermusterverfahren grundlegend zu beschleunigen, muss man auch und gerade das Rad des materiellen Rechts drehen. Das tut die Reform aber an keiner einzigen Stelle.
Beifall bei der CDU/CSU)
Die Frage, ob das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz ein totes Pferd ist, knüpft der Autor übrigens an eine Weisheit, die den Dakota zugeschrieben wird: „Wenn du entdeckst, dass du ein totes Pferd reitest, steig ab.“ Das ist auch bei einem trägen Pferd sehr ratsam,
Also sollen wir es erschießen?)
wie es das Kapitalanlegermusterverfahren ist und nach seiner Reform auch bleiben wird. Deshalb lehnen wir als Unionsfraktion diese Reform heute auch ab.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, schauen wir endlich der Realität ins Auge. Es wird Zeit, sich ernsthaft Gedanken darüber zu machen, wie man aus diesem trägen Pferd ein echtes Rennpferd macht. Mit dieser Reform gelingt das jedenfalls nicht.
Beifall bei der CDU/CSU
Es bleibt ein lahmer Gaul!)
Das Wort hat die Kollegin Luiza Licina-Bode für die SPD-Fraktion.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)