Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz, so umständlich und lang das Wort ist, so umständlich und lang dürfen die Gerichtsverfahren nicht sein! Daher werden wir mit der vorliegenden Reform heute die Verfahren einfacher und effektiver gestalten.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Marianne Schieder [SPD])
Unternehmen müssen regelmäßig Informationen veröffentlichen, zum Beispiel zum Umsatz und anderen Kennzahlen. Auf deren Grundlage entscheiden Anleger, Aktien zu kaufen, zu verkaufen oder zu halten. Bei Falschinformationen können Anleger Schadensersatz verlangen und sich für ein Musterverfahren nach dem KapMuG zusammenschließen. Aus den vielen möglichen Klägern wird ein Musterkläger ausgewählt, der den Prozess stellvertretend für alle führt.
Um die Relevanz und gleichzeitig das Problem des KapMuG zu verstehen, genügen zwei Zahlen: 16 000 und 20. Sie stammen aus dem Musterverfahren zum dritten Börsengang der Telekom. 16 000 Anleger haben einen Schaden erlitten und hätten ohne das KapMuG in 16 000 Einzelklagen um ihr Recht streiten müssen – eine Flut an Fällen, die die Gerichte vermutlich überlastet hätte. Wir brauchen das KapMuG, um solche Massen gleichgelagerter Fälle effizient und kostengünstig bewältigen zu können.
20 Jahre dauerte das Verfahren gegen die Telekom – unvorstellbar lang. In dieser Zeit haben einige der Kläger Kinder bekommen, die vor dem Prozessende schon ihr Abitur hatten. Die KapMuG-Verfahren sind offenbar zu komplex und die Abläufe zu zeitintensiv. Nun ist dieses Verfahren sicherlich ein Extrembeispiel. Aber auch andere Verfahren haben sich über ein Jahrzehnt hingezogen.
Das KapMuG läuft Ende August dieses Jahres aus. Ich bin daher Justizminister Buschmann dankbar, dass sich sein Entwurf nicht darauf beschränkt, die Geltungsdauer für das KapMuG nur zu verlängern, sondern es endlich entfristet und grundlegend modernisiert, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Dank der guten Zusammenarbeit mit meinen Koalitionskolleginnen und -kollegen im Rechtsausschuss ist es uns gelungen, ein Gesetz auf den Weg zu bringen, mit dem die Gerichte die Verfahren einfacher führen können und Anleger schneller zu ihrem Recht kommen. Dazu verkürzen wir die Zeit, bis eine normale Klage zu einer Musterklage wird. Zulässige Musterverfahrensanträge müssen nun bereits nach drei statt nach sechs Monaten im Klageregister bekannt gemacht werden. Die notwendige Zahl der Kläger für eine Musterklage kommt so schneller zusammen.
Wir verbessern außerdem den Informationsaustausch zwischen den Ausgangsgerichten und den Oberlandesgerichten, die das Musterverfahren anschließend durchführen. Wenn das Ausgangsgericht seinen Fall dem Oberlandesgericht vorlegt, soll es den Sachverhalt der Klage kurz zusammenfassen und die vorgebrachten Beweise auflisten. Das erleichtert es dem Oberlandesgericht, die Vielzahl der Fälle besser zu ordnen und sich schneller mit den entscheidungsrelevanten Tatsachen zu beschäftigen. Das schafft schnellere Verfahren.
Beifall bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir setzen zudem auf die Vorteile der Digitalisierung. Ab nächstem Jahr sind die Verfahrensakten elektronisch zu führen. Das vereinfacht den Aktenaustausch enorm. Anstatt bergeweise Papier auf den Postweg zu schicken, kann das Oberlandesgericht die Fallakten von den Ausgangsgerichten mit wenigen Klicks abrufen. Das entlastet die Geschäftsstellen der Gerichte und bringt einen deutlichen Schub für die Prozessökonomie. Das ist praktizierter Bürokratieabbau, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Beifall bei der FDP sowie der Abg. Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Mit diesem Gesetz geben wir den Oberlandesgerichten mehr Handlungsfreiheit, um die Verfahren straffer zu führen. Bisher waren die vorgelegten Fragen der Ausgangsgerichte bindend. Nun dürfen die Oberlandesgerichte selber entscheiden, welche Feststellungsziele sachdienlich sind. Irrelevantes kann ignoriert und Feststellungsziele dürfen umformuliert werden. Außerdem können sie Musterkläger, die den Prozess nicht gewissenhaft führen, einfacher auswechseln. Mit diesen Maßnahmen bekommt das KapMuG die Flexibilität, die ein Großverfahren benötigt, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ein funktionierendes KapMuG ist wichtig für unseren Wohlstand. Während in anderen EU-Ländern privater Aktienbesitz ein normaler Baustein des Vermögensaufbaus ist, besteht in Deutschland gegenüber der Börse eine Grundskepsis. Sparbuch und Lebensversicherung alleine sind aber keine ausreichende Altersvorsorge mehr. Deutschland braucht mehr Kleinanleger.
Beifall bei der FDP sowie der Abg. Luiza Licina-Bode [SPD] und Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Dies bekommen wir nur hin, wenn die Menschen durch den Rechtsstaat effektiven Schutz erhalten. Das wird das neue KapMuG leisten, und daher bitte ich Sie, diesem Gesetz zuzustimmen.
Vielen Dank.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat Dr. Martin Plum für die CDU/CSU-Fraktion.
Beifall bei der CDU/CSU)