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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Jahr 2017 brach in Tschetschenien eine regelrechte Repressionswelle gegen homo- und bisexuelle Männer herein. Hunderte von ihnen wurden innerhalb kurzer Zeit verhaftet, gefoltert und getötet. Nach einem internationalen Aufschrei stellte der Regierungssprecher sich in die Öffentlichkeit und wies die Vorwürfe mit den Worten zurück – ich zitiere, Herr Präsident –: Man kann niemanden verhaften oder unterdrücken, den es in der Republik gar nicht gibt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, was im Jahr 2017 in Tschetschenien passiert ist, war nach allem, was wir wissen, von Machthaber Kadyrow persönlich angeordnet. Wir gewährten den Menschen, die sich retten konnten, Asyl in Deutschland, weil wir anerkennen, dass es sich bei dieser Säuberungswelle um schwerste Menschenrechtsverletzungen gehandelt hat. Aber ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren beim Generalbundesanwalt gegen die Täter wurde im Jahr 2021 eingestellt, womöglich auch, weil die Rechtsgrundlage dafür nicht eindeutig war.
Das ändern wir heute mit dem Beschluss zur Reform des Völkerstrafgesetzbuches. Wir stellen explizit klar, dass die systematische Verfolgung queerer Menschen ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit sein kann, was übrigens auch der Rechtsauffassung des Chefanklägers beim Internationalen Strafgerichtshof entspricht.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute ist mal wieder einer dieser Tage, an denen ich wirklich stolz auf diese Koalition bin. Ich bin stolz, dass Deutschland als einer der ersten Staaten weltweit diese explizite Klarstellung vornimmt. Ich bin stolz darauf, dass wir damit einmal mehr unserer Vorreiterrolle in der gerichtlichen Aufarbeitung von Völkerstraftaten gerecht werden, und das gerade in Zeiten zunehmender internationaler Repressionen gegenüber queeren Menschen – man schaue nach Uganda, nach Ghana, nach Russland. Was für ein starkes, was für ein wichtiges Signal, das von diesem Beschluss ausgeht!
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Lassen Sie mich zum Abschluss und zum Anlass des Pride Month noch den Bogen zu einem ähnlichen Thema schlagen. Queere Menschen wurden im Gegensatz zu nahezu allen anderen Gruppen nach dem Ende des Nationalsozialismus in der Bundesrepublik unverändert staatlich verfolgt, teilweise durch die exakt selben Richterinnen und Richter. Queere Menschen galten auch nach dem Ende des Nationalsozialismus noch als widernatürlich. § 175 StGB wurde erst im Jahr 1994 endgültig abgeschafft. Queere Menschen galten also zur Zeit der Einführung des Völkerstrafrechts explizit nicht als schutzwürdig und wurden so schlichtweg unterschlagen. Es ist ein großer Schritt, dass wir diese historische Schutzlücke mit dem heutigen Tag schließen. Und es wäre ein noch viel größerer Schritt, wenn wir dieselbe historische Schutzlücke auch in Artikel 3 des Grundgesetzes schließen könnten.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Ich appelliere deshalb an die Unionsfraktion – und Sie zeigen ja, dass Sie über Ihren Schatten springen können –: Schließen Sie sich Ihren Ministerpräsidenten Wüst, Wegner und Günther an, und lassen Sie uns gemeinsam diesen wichtigen Schritt zur Ergänzung des Artikels 3 des Grundgesetzes gehen!
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)