- Bundestagsanalysen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unser Grundgesetz stellt in Artikel 25 klar, dass die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts sind. So wie das nationale Recht das Zusammenleben im Nationalstaat der Menschen regelt, so will das Völkerrecht die Koexistenz der Staaten untereinander regeln. Es unterteilt sich in Friedensrecht und Kriegsrecht. Auch im Krieg gibt es Regeln, die einzuhalten sind. Wie es aussieht, wenn das nicht geschieht, konnten wir in jüngster Zeit im Krieg Russlands gegen die Ukraine in Butscha, wo die Russen ein Massaker verübt haben, sehen. Solche verbrecherischen Verstöße gegen das Völkerrecht – Völkermord, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und das Verbrechen der Aggression – rufen nach strafrechtlichen Sanktionen. Regelungen dazu trifft das Völkerstrafrecht.
Leider gibt es immer wieder neue Grausamkeiten, etwa durch immer perfider werdende Waffen wie beispielsweise solche, deren Splitter noch nicht einmal von Röntgenstrahlen erfasst werden können, oder Laserwaffen, die zur Erblindung führen. Auch kennt die Zunahme des Ausmaßes menschlicher Gräuel offenbar kein Ende, sodass sexualisierte Gewalt noch nicht einmal vor der Abtreibung menschlichen Lebens gegen den Willen einer schwangeren Frau zurückschreckt, um ethnische Vernichtung auszuüben.
Dieser schlimmen Entwicklung muss Einhalt geboten werden. Vor allem müssen bestehende Strafbarkeitslücken geschlossen werden, um den Tätern, gewissermaßen den Feinden der Menschheit, die richtigen Antworten auf ihr unmenschliches Verhalten zu geben. Aus diesen Gründen müssen wir das Völkerstrafrecht weiterentwickeln. Das wollen wir heute hier beschließen. Mit den Erweiterungen und Änderungen erreichen wir zudem – das ist bereits gesagt worden – einen weitestgehenden Gleichklang mit dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs. Wie bei Fragen des Völkerrechts üblich, wollen wir guter parlamentarischer Praxis entsprechend dies als größte Oppositionsfraktion heute im Einvernehmen mit den die Bundesregierung tragenden Fraktionen gemeinsam tun. Wir können dies als Union guten Gewissens tun, da die Fraktionen der Ampelkoalition mehrere entscheidende Punkte, die wir nach der Sachverständigenanhörung zum Gegenstand eines eigenen Gesetzesänderungsantrags gemacht haben, aufgegriffen haben und ihrerseits zum Gegenstand eines eigenen Änderungsantrags gemacht haben.
Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Katharina Willkomm [FDP])
Da wäre zum Beispiel das klare Bekenntnis gegen eine funktionelle Immunität. Darunter versteht man, dass Amtsträger sich nicht darauf berufen können, als Teil der Hierarchie eines ausländischen Staatswesens gehandelt zu haben, um sich so der strafrechtlichen Verfolgung zu entziehen.
Weiter wäre zu berücksichtigen, dass durch den vorgelegten Änderungsentwurf unsere Forderung, beim Verschwindenlassen einer Person eine Auskunftspflicht über deren Verbleib festzuschreiben, wie es unser Grundgesetz in Artikel 104 vorsieht, nunmehr im Gesetz enthalten ist.
Ein weiterer gewichtiger Punkt, der der besseren Durchführbarkeit und dem Schutz der Justiz vor Überlastung in völkerstrafrechtlichen Verfahren dient, ist die Konkretisierung der Nebenklageberechtigung, deren Möglichkeit grundsätzlich ausgeweitet wird; andererseits können wir insbesondere Verfahren, deren Gegenstand ein Genozid, ein Völkermord ist, besser bewerkstelligen, weil nicht gewissermaßen alle Angehörigen eines Volkes als Nebenkläger zur Nebenklage berechtigt werden, sondern nur diejenigen, die unmittelbar durch die Tat geschädigt wurden.
Zudem wurde eine Evaluierungsklausel in dieses Gesetz hineingeschrieben. Ich halte es für sehr wichtig, dass man in fünf Jahren erstmals einen Zwischenbericht bekommt und sieht, ob das Ganze so machbar und durchführbar ist.
An dieser Stelle noch eine grundsätzliche Anmerkung, mit der ich Sie alle, liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Nachdenken anregen und zugleich ermutigen möchte: Wenn wir Sachverständigenanhörungen durchführen, dann sollten wir vernünftige und nachvollziehbare Verbesserungsvorschläge der Experten, die nach Möglichkeit frühzeitig einbezogen werden sollten, aufgreifen und umsetzen. Das tun wir aus meiner Sicht viel zu wenig. Dass es hier in etlichen entscheidenden Punkten gelungen ist, freut mich ganz persönlich. Dafür möchte ich mich bei allen Kolleginnen und Kollegen, die daran mitgewirkt haben, ganz herzlich bedanken.
Die Freude wäre noch etwas größer, wenn auch noch weiter gehende Anregungen zum Schutz der Opfer, wie wir sie uns vorgestellt haben, und zur Sicherung der Aussagebereitschaft mit aufgenommen worden wären. Das wäre der Fall gewesen, wenn Sie sich bei der Abwägung zwischen der zeitgeschichtlichen Dokumentation durch audiovisuelle Aufzeichnungen und dem Interesse der Zeugen, von Repressalien unbehelligt zu bleiben, etwas mehr vor die Opfer gestellt hätten und die Möglichkeit zur audiovisuellen Aufzeichnung der Hauptverhandlung eingeschränkt hätten. Es bleibt zum Schutz der Opfer nur die Möglichkeit, die Öffentlichkeit auszuschließen.
Mit dieser Krücke gelingt es uns als Union allerdings, auch diese Hürde zu nehmen. Wir stimmen dem Gesetzentwurf in seiner jetzigen geänderten Fassung zu. Wir erteilen Ihnen damit aber – letzter Satz – keinen Freibrief für die von der Ampelkoalition an anderer Stelle angestrebte Aufzeichnung der strafgerichtlichen Hauptverhandlung.
Ich bedanke mich.
Beifall bei der CDU/CSU)
Das Wort hat Sonja Eichwede für die SPD-Fraktion.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)