- Bundestagsanalysen
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute geht es um das Herz unserer Demokratie. Es hat Rhythmusstörungen. Jeder, der so etwas einmal miterlebt hat, weiß, dass das nicht unbeachtet oder unkontrolliert bleiben darf, da sonst irreversible Schäden entstehen.
Unser demokratisches Herz hat aber schon vor langer Zeit angefangen, zu stolpern, nicht erst jetzt, sondern lange bevor der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke ermordet worden ist. Wir haben es vielleicht nicht wahrnehmen wollen oder nicht wahrnehmen können. Das schleichende Gift aus Verrohung, Unerzogenheit, Respektlosigkeit im gesellschaftlichen Umgang hatte sich da bereits lange gegen Angestellte in Arbeitsagenturen, städtische Mitarbeiter und Ehrenamtliche breitgemacht, genauso wie in Schulen und in Sportvereinen. Das alles war schon da. Selbst hier – es wurde heute schon mehrfach erwähnt –, in diesem Hohen Haus, haben Respektlosigkeit, Unerzogenheit und Stillosigkeit Einzug gehalten. Die Demokratie hat auch hier und heute und überhaupt einiges auszuhalten.
Zunächst klagten die in der Kommunalpolitik tätigen Frauen über Bedrohungen. Aber erst als ein prominent politisch Tätiger ermordet worden war, bekam das Thema eine gewisse Reichweite. Heute hören wir immer wieder von Bedrohungsvorfällen. In meinem Heimatbundesland Brandenburg kam es zwischen 2014 und 2021 bei jedem dritten kommunalen Amts- oder Mandatsträger zu Beleidigungen, Bedrohungen, Sachbeschädigungen oder körperlicher Gewalt – bei jedem dritten! Die Situation ist so drängend, dass einige Bürgermeister und Mitglieder der Stadtverordnetenversammlungen ihr Engagement schon eingestellt haben oder überlegen, es generell einzustellen. Sie wollen nicht mehr, sie können nicht mehr, und das ist kein Ruhmesblatt für unsere freiheitliche Demokratie.
Das Fehlen von Sicherheit und die mangelnde konsequente juristische Reaktion auf dieses Fehlverhalten schädigen nicht nur unsere Institutionen, sondern auch die mutigen Frauen und Männer, die sich tagtäglich an vielen Stellen unseres Gemeinwesens für unsere gemeinsamen Werte und den Erhalt unserer Gesellschaft einsetzen. Ich bin seit über 20 Jahren in verschiedenen Funktionen in der Kommunalpolitik tätig und habe selbst etliche Anfeindungen erlebt. Als kommunalpolitischer Sprecher der Freien Demokraten stehe ich für eine freiheitlich-liberale Politik, die die Rechte und die Freiheiten jedes Einzelnen hochhält. Gemeinsam glauben wir an die Kraft des Dialogs, an die Bedeutung von Bildung und an die Notwendigkeit, eine Kultur des Respekts und der Anerkennung zu fördern.
Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Grundlage muss es auch sein, dass man sich darauf verlassen kann, dass strafbare Handlungen in einem angemessenen Zeitraum strafrechtlich verfolgt werden. Die besten Strafvorschriften bringen nichts, wenn nicht ausreichende Kapazitäten vorhanden sind, um Straftaten ernsthaft zu verfolgen. Um sich dieses Themas anzunehmen, ist die Allianz für Kommunen ins Leben gerufen worden. Sie hat sich zur Aufgabe gemacht, durch verschiedene Maßnahmen für mehr Schutz für kommunale Amts- und Mandatsträger zu sorgen. So wird derzeit eine bundesweite Ansprechstelle entwickelt, an die sich Betroffene wenden können und über die für eine bedarfsgerechte und schnelle Unterstützung gesorgt werden soll. Es wurde heute auch schon erwähnt: Das Melderecht muss geändert und wird geändert werden, damit Privatadressen von Kommunalpolitikerinnen und -politikern geschützt werden können.
Ich will ganz deutlich sagen – wir alle kennen den Spruch: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“ –: Es lastet eine große Verantwortung auf den Schulen in unserem Land, den richtigen Umgang mit der Politik und mit Andersdenkenden zu vermitteln. Da sind meiner Meinung nach nicht nur die Schulen, sondern auch die Medien gefordert. Fundierte Recherchen sind genauso wichtig wie das Überlegen, ob das allgemeine Politiker-Bashing angemessen ist und welche Konsequenzen daraus erwachsen können.
Wir dürfen nicht zulassen, dass die Säulen unserer Demokratie, die freie Äußerung der eigenen Meinung und die Teilhabe an der Gestaltung unserer Gesellschaft, untergraben oder gar gefährdet werden. Es liegt an uns allen, aufzustehen und zu sagen: Es ist genug. Gewalt geht gar nicht.
Danke.
Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das Wort hat die Kollegin Petra Nicolaisen für die CDU/CSU-Fraktion.
Beifall bei der CDU/CSU)