Zwischenrufe:
4
Beifall:
8
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Frau Wehrbeauftragte! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Letzte Woche wurden in Bayern zwei russische Spione festgenommen. Es gebe Indizien, dass Anschläge auf die deutsche Militärhilfe für die Ukraine geplant wurden. Einmal mehr wurde uns dadurch aufgezeigt, wie bedrohlich die derzeitige Sicherheitslage ist. An dieser Stelle möchte ich allen beteiligten Einsatzkräften und Sicherheitsbehörden für ihre permanente Wachsamkeit und ihren Einsatz danken.
Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Dieser Vorfall ist ein weiterer unbestreitbarer Beweis dafür, dass ein konsequentes Umsetzen der Zeitenwende und die Stärkung der staatlichen Resilienz zwingend notwendig ist. Die Zeiten haben sich verändert. Wir sind zwar noch umgeben von Freunden, aber unsere Partner eben nicht. Unsere Sicherheit ist untrennbar mit der unserer NATO- und EU-Verbündeten im Osten verbunden. Deshalb schulden wir es nicht nur unser aller Sicherheit, dass wir die vollumfängliche Ertüchtigung unserer Streitkräfte vorantreiben, sondern eben auch unseren Verbündeten.
Genau hier blicken wir als Union besorgt auf den Kalender; denn wir wissen, dass der Faktor Zeit nicht unser Freund ist. Tatsache ist, dass in den vergangenen zwei Jahren unter der Ampelregierung bei den Haushaltsberatungen quasi alles wichtiger war als die adäquate finanzielle Hinterlegung der Zeitenwende. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte, zu glauben, dass es diesmal anders sein wird. Wichtige Wahlen stehen an, und Verteidigung war, mit Verlaub, bei der SPD und auch bei den Grünen im Wahlkampf noch nie ein starkes Thema.
Zuruf von der AfD: Bei Ihnen schon!)
Auch bei Ihnen, liebe Kollegen, muss die Stärkung der Bundeswehr zwingend an erster Stelle stehen.
Beifall bei der CDU/CSU)
Wahlkampf auf Kosten der Bundeswehr können wir uns nicht erlauben.
Die Mehrheit der Deutschen unterstützt höhere Verteidigungsausgaben. Diesen Moment gilt es zu nutzen und eben nicht zu verspielen. Wenn der eigene Verteidigungsminister 6,7 Milliarden Euro mehr fordert, dann macht er das ja nicht aus Lust und Laune, sondern weil es zweifelsohne notwendig ist, dass die großspurigen Ankündigungen des Bundeskanzlers und anderer Kabinettsmitglieder umgesetzt werden. Es ist leider keine Überraschung, dass das Sondervermögen nicht ausreicht. Ohne einen Aufwuchs des regulären Verteidigungshaushaltes kann die Zeitenwende nicht gelingen, und das sagen wir schon seit zwei Jahren.
Beifall bei der CDU/CSU)
Auch der Bericht der Wehrbeauftragten für das Jahr 2023 zeigt das mal wieder. Zwar wird Geld allein nicht alle Probleme der Bundeswehr lösen, aber es ist die Grundvoraussetzung für das Lösen des Großteils dieser Probleme. Wer mehr Material, mehr Personal und eine zeitgemäße Infrastruktur will, wird nicht drumherum kommen, mehr Geld für die Verteidigung zur Verfügung zu stellen.
Da hilft es auch nicht, alles, was nicht bei drei auf dem Baum ist, zu den Verteidigungsausgaben hinzuzurechnen, um krampfhaft die 2 Prozent zu erreichen.
Das ist ja wohl eine NATO-Vorgabe! Was soll das denn?)
Zinstilgungen für Staatskredite sowie Pensionen für ehemalige NVA-Soldaten erhöhen nicht die Kampfkraft der Truppe und ändern übrigens auch nichts an den verrotteten Kasernen.
Beifall bei der CDU/CSU
Das machen alle NATO-Staaten so!
Das ist eine NATO-Vorgabe!)
Und ja, es liegt nicht nur am Geld; denn wir verwalten, statt zu gestalten. Kürzlich meinte ein Soldat zu mir: Die Zeitenwende ist in der Praxis mit den Prozessen und Vorschriften von vorvorgestern. Im tagtäglichen Betrieb merke die Truppe nichts von den Ankündigungen hinsichtlich der Entbürokratisierung, der Entschlackung und der Beschleunigung der Prozesse.
Ankündigungen gab es offenkundig viele. Aber wir müssen uns mal vor Augen führen, dass in den letzten zwei Jahren die Truppe um circa 2 000 Uniformträger geschrumpft ist und weiter altert. Immer noch nicht geklärt wurde, ob der Zielumfang von 203 000 Soldaten ausreicht und trotz Krieg in Europa genügend Geld für Munition bereitgestellt werden kann – und das alles trotz des Krieges in der Ukraine, der anhaltenden Krise im Nahen Osten und der Muskelspiele Chinas im Fernen Osten. Die Zeitenwende scheitert nicht an dem Willen und der Einsatzbereitschaft unserer Soldaten, sondern daran, dass wir es trotz allem nicht schaffen, klar zu formulieren, was uns unsere Sicherheit wert ist. Machen wir uns endlich ehrlich!
Die Forderung von Christian Mölling von der DGAP nach einer sicherheitspolitischen Dekade trifft den Kern unserer Zeit. Wir müssen unser Verständnis von Verteidigung erneuern und eine umfassende Gesamtverteidigung anstreben, wie es auch unsere skandinavischen und baltischen Partner bereits tun. Das erfordert eine Priorisierung – nicht für ein Jahr, nicht in der Form eines Sondervermögens, sondern eben für einen deutlich längeren Zeitraum; anders werden wir die Defizite bei der Bundeswehr, dem Bevölkerungsschutz und der gesamtgesellschaftlichen Resilienz nicht ausreichend adressieren können. Wir fordern dieses nicht, weil wir es wollen, sondern einzig und allein, weil wir es müssen.
Sehr geehrte Frau Wehrbeauftragte, Ihr Bericht zeigt wie jedes Jahr, wie gigantisch die Herausforderungen sind, vor denen wir stehen. Ich möchte die Gelegenheit nicht ungenutzt lassen, um Ihnen und Ihrem Team für Ihre wichtige Arbeit zu danken. Denn Ihr Bericht dient als dringend benötigter Realitätscheck, als Warnung, wie weit Anspruch und Realität auseinanderklaffen, als Anlass, sich ehrlich zu machen, wenn es um den Zustand der Bundeswehr geht, und schließlich auch als Beweis dafür, dass wir mehr tun müssen, um unsere Verteidigungsbereitschaft zu stärken. Es ist an der Zeit, dass wir mit Taten auf diesen Bericht antworten.
Beifall bei der CDU/CSU)
Das Wort hat Merle Spellerberg für Bündnis 90/Die Grünen.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)