Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich die Situation im Ahrtal mit einer Überschrift betiteln sollte, dann würde ich sagen, sie lautet: Die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit.
135 Menschen haben ihr Leben verloren, Tausende von Menschen ihr Zuhause, eine ganze Region ihre Heimat. Vieles ist seitdem schon passiert, auch für den Wiederaufbau; aber es ist tatsächlich auch noch sehr viel zu tun.
Heute stehen einem einfachen Wiederaufbau frustrierende Hürden entgegen. Ich kann die Resignation und den Frust der Menschen vor Ort verstehen. Von den Bürgermeistern höre ich: Kurz nach der Flut, als wir einfach aufgebaut haben, da war es viel einfacher, da kamen wir wenigstens voran. – Dann kam der Bürokratiewahnsinn zurück, an dem die Menschen und die Verwaltung zu verzweifeln drohen.
Direkt nach der Nacht der Flut war die Solidarität riesig. Es waren Tausende von Freiwilligen, Hilfsorganisationen und Private im Einsatz. Das sind sie teilweise noch heute. Der Bund hat sofort reagiert und einen Aufbaufonds von 30 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Ich selbst bin auch aus dem Norden von Rheinland-Pfalz und habe diese überwältigende Hilfsbereitschaft mitbekommen.
Aber wir dürfen jetzt nicht nachlassen, meine Damen und Herren, den Menschen im Ahrtal zu helfen, auch wenn andere Krisen vielleicht in den Vordergrund getreten sind.
Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Deswegen bin ich regelmäßig im Ahrtal unterwegs. Wir waren – Sie haben es eben schon gehört – auch letzten August mit dem Bauausschuss im Ahrtal. Es ist mir ein Herzensanliegen, dass die Menschen im Ahrtal wissen, dass wir in Berlin sie nicht vergessen haben.
Was machen wir auf parlamentarischer Ebene? Wir haben eben schon gehört: Wir arbeiten in einem überfraktionellen Kleeblatt zusammen. Gemeinsam mit Anja Liebert, mit Martin Diedenhofen, aber auch mit Mechthild Heil – alle als Abgeordnete aus der Region – kämpfe ich dafür, dass die politischen Herausforderungen vor Ort adressiert und vereinfacht werden. Wir konnten durch unser gemeinsames Engagement bereits die Verlängerung der Antrags- und Bewilligungsfristen erreichen. Hier war Not, weil die Menschen teilweise mental überhaupt nicht in der Lage waren, innerhalb der zuvor geltenden Frist ihre Anträge zu stellen. Es gab auch gar nicht genug Gutachter, um innerhalb der Frist diese Tausenden von Schäden aufzunehmen.
Wir haben aber auch mit dem neuen § 246c im Baugesetzbuch einen Grundstein gelegt für einen resilienten Wiederaufbau in einem Katastrophengebiet. Die Landesregierungen haben jetzt ein Instrument an der Hand, das sie ermächtigt, ein Wiederaufbaugebiet zu deklarieren und dort katastrophenangepasst wiederaufzubauen. Das sind wichtige Schritte, um den Betroffenen Planungssicherheit, aber auch Zuversicht zu geben.
Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Hauptkritik, die wir als Bauausschuss im Ahrtal damals gehört haben, galt der Vorgabe des Eins-zu-eins-Wiederaufbaus, nach der mit Flutmitteln nur Dinge bezahlt werden dürfen, die es vorher schon gab – und damit natürlich nicht Dinge, die vielleicht zukunftsgewandt, innovativ oder vielleicht auch nachhaltiger sind. Deswegen müssen wir tätig werden. Wir haben als Parlamentarier bereits Gespräche auf allen Ebenen geführt, auf Bundesebene, auf Landesebene. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass drei Dinge unbedingt umgesetzt werden:
Erstens. Die Erfüllung künftiger energetischer Standards muss durch den Wiederaufbaufonds finanziert werden. Auch das moderne Nahwärmenetz, das in Ihrem Antrag steht, muss aus Mitteln des Wiederaufbaufonds gefördert werden können.
Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Zweitens. Neubau und Sanierung sollen beim Wiederaufbau gleichbehandelt werden.
Drittens. Bei gleichartigen Maßnahmen muss die Summenbetrachtung zulässig sein. Was heißt das? Das heißt: Wenn zum Beispiel, wie geschehen, drei Gemeinden ihren Sportplatz durch die Flut verloren haben und sie jetzt sagen: „Wir wollen beim Wiederaufbau nicht mehr so viel Fläche versiegeln, wir wollen jetzt nur noch einen Sportplatz bauen, den dafür ein bisschen größer, ein bisschen schicker, ein bisschen besser; er kostet dann ein bisschen mehr“, dann muss auch dieser Sportplatz durch den Fluthilfefonds förderfähig sein, auch wenn er nicht dem entspricht, wie es vor der Flut war.
Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Linken)
Es sind jetzt beherzte Schritte notwendig, um einen Kurswechsel einzuleiten. Ich habe das Gefühl, dass es ein Übersetzungsproblem gibt: Wir wollen alle helfen, aber Bund und Länder verstehen einander noch nicht ganz.
Zuruf von der CDU/CSU: Tja, das ist die Ampel!)
Wir führen die Gespräche, aber am Ende des Tages dürfen wir nicht mit dem Finger aufeinander zeigen.
Frau Kollegin, Sie kommen zum Ende, bitte.
Am Ende des Tages müssen wir den Menschen vor Ort helfen, und das geht nur, indem wir diesen gordischen Knoten durchschlagen. Unser Wille ist, dem Ahrtal zu helfen.
Zuruf von der CDU/CSU: Aber Sie regieren doch!)
Insofern –
Frau Kollegin.
– müssen wir die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit schließen.
Danke schön.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Lars Rohwer [CDU/CSU])
Für die Unionsfraktion gebe ich Detlef Seif das Wort.
Beifall bei der CDU/CSU)