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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Anlass der Debatte heute ist das zweijährige „Jubiläum“ von Putins Frontalangriff auf die Ukraine. Einen Tankstopp von hier entfernt sind Hunderttausende Europäer in Schützengräben, während wir hier sprechen. Einen Tankstopp von hier entfernt mussten sich Millionen Menschen daran gewöhnen, dass Luftangriffe auf ihre Städte geflogen werden, Tag und Nacht, und sie in ihren Wohnungen bombardiert werden.
Diese Ernsthaftigkeit der Situation sollte uns alle erden und jedes parteipolitische Gezänk aus dieser Debatte heraushalten. Ich denke, darauf sollten wir uns alle einigen, meine Damen und Herren.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich bin allen Kolleginnen und Kollegen sehr dankbar, die sich selbst ein Bild von der Situation machen. Das kann man in der Ukraine tun. Ich habe das beispielsweise in Cherson getan. Ich war mit einem ukrainischen Polizisten in einem ehemaligen Foltergefängnis der Besatzungstruppen, nachdem die Stadt befreit wurde. Er hat mir geschildert, wie er über Wochen in einer Zelle, die für zwei Personen ausgelegt war, zu neunt untergebracht war. Ich erspare mir jetzt Ausführungen über die sanitären Rahmenbedingungen. Er hat – nur einige Kilometer von den nächsten russischen Stellungen entfernt und unter dem Eindruck der russischen Artillerie, die wir hören konnten – den Mut aufgebracht, mir zu schildern, dass er mit den Schlägen in den Verhören „arbeiten“ konnte, aber nicht mit den Stromstößen durch Elektroden, die an seinen Ohrläppchen und an seinen Hoden befestigt worden waren. Wir konnten seine Zelle verlassen, weil diese Stadt von den ukrainischen Streitkräften befreit worden war, meine Damen und Herren.
Man kann an vielen Stellen der Ukraine den Terror, den systematischen Terror Putins sehen, beispielsweise in Lyman. Dort sind 30 Prozent aller Gebäude komplett zerstört. 90 Prozent der Gebäude sind beschädigt. 90 Prozent heißt vor allem auch, keine Fenster. Und keine Fenster ist sehr schlecht bei minus 15 Grad Celsius. Das ist der systematische Terror.
Der Bürgermeister von Lyman ist mit mir zu einem Massengrab vor der Stadt gefahren, in dem 350 Ukrainer verscharrt waren. Nach der Befreiung der Stadt wurden sie ordentlich beigesetzt. Bei der Gelegenheit wurden auch DNA-Proben genommen, um identifizieren zu können, wer dort verscharrt war. Dort waren auch 60 Kinder verscharrt. Über all das kann man sich informieren. Wegen all dieser Punkte ist es wichtig, dass wir der Ukraine helfen.
Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich bin sehr froh, dass wir diese Woche ein großes Stück weiterkommen mit dem Antrag der Koalition, den wir nachher noch beraten und dann hoffentlich auch beschließen werden; denn all das sollte so nicht weitergehen.
Ich habe in einem Kinderkrankenhaus mit der Chefärztin gesprochen, die während der Besatzung von Cherson bei 100 Kindern eine Behandlung vorgetäuscht hat, weil sie nicht wollte, dass diese Kinder deportiert werden – wie es über 10 000 Kindern in den besetzten Gebieten ging, die jetzt mit neuer Identität in Russland zur Adoption freigegeben wurden, teilweise verkauft wurden. Sie hat das in einem Kinderkrankenhaus getan, das vor meinem Besuch bombardiert worden war und das auch nach meinem Besuch bombardiert wurde – so, wie inzwischen über zwei Drittel der Krankenhäuser in der Ukraine bombardiert worden sind.
Das ist der systematische Terror vor Ort. Mit dem müssen wir uns deswegen hier auch mit der nötigen Ernsthaftigkeit beschäftigen, gerade in diesem Saal und auf diesen Stühlen. Unsere ukrainischen Kolleginnen und Kollegen verfolgen heute auch diese Debatte. Am Tag der Invasion kamen sie in ihrem Parlament zusammen und haben den Kriegszustand beschlossen. Danach wurden ihnen im Parlamentsgebäude Waffen ausgehändigt, um die Stadt zu verteidigen. So ernsthaft ist die Situation dort.
Ich möchte, dass das in keinem Land und nie wieder nötig ist. Deswegen müssen wir die Ukraine unterstützen, meine Damen und Herren.
Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Der nächste Redner ist Thomas Erndl für die CDU/CSU-Fraktion.
Beifall bei der CDU/CSU)