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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, dass wir heute, zum zweiten Jahrestag des Angriffskrieges Putins gegen die Ukraine, noch einmal grundsätzlich über die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik sprechen. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir nicht dulden dürfen, dass Grenzen in Europa mit Gewalt verschoben werden, und dass wir an der Seite der Ukraine stehen.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Der Antrag der Union fordert eine echte Zeitenwende. Frei nach Goethe: „Was glänzt, ist für den Augenblick geboren; das Echte bleibt der Nachwelt unverloren.“ Nur, liebe Union, an Ihrem Antrag glänzt relativ wenig, und echt war die Rede des sozialdemokratischen Bundeskanzlers zur Zeitenwende. Olaf Scholz hat nach Putins Angriff auf die Ukraine ein Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro vorgeschlagen. Der Bundestag hat das mit großer Mehrheit hier beschlossen.
Die Verteidigungs- und Bündnisfähigkeit der Bundeswehr muss wiederhergestellt werden. Wenn man bei Ihnen nachliest, hat man den Eindruck, die Herren Jung, zu Guttenberg, de Maizière, Frau von der Leyen, Frau Kramp- Karrenbauer hätten 16 Jahre lang unter der Kanzlerschaft von Angela Merkel die Bundeswehr in den Zustand gebracht, und schuld daran ist die SPD. Ist es Ihnen eigentlich nicht selber peinlich, zu so einem Urteil zu kommen?
Beifall bei der SPD sowie des Abg. Frank Bsirske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Verstehen Sie mich nicht falsch: Wir haben eine gemeinsame Verantwortung; aber es ist Boris Pistorius, der den verteidigungspolitischen Karren aus dem Dreck ziehen muss, und er macht das mit Bravour. Das will ich hier ausdrücklich festhalten.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Wenn man sich Ihren Antrag anschaut, sieht man: Er umfasst 28 Punkte und ist inhaltlich doch sehr dünn. Er enthält Allgemeinplätze; Dinge, die wir sowieso tun, und Ihre fetischhafte Aufzählung von Nationalem Sicherheitsrat, Taurus und Schuldenbremse. Ja, Sie beziehen sich oft auf Willy Brandt. Da lag der Verteidigungshaushalt bei 4 Prozent des BIP – aber damals gab es keinen Krieg in Europa, auch keine Schuldenbremse. Und seine Ost- und Friedenspolitik, auf die wir stolz sind, haben Sie bekämpft. Das ist der Unterschied!
Wenn wir die Akzeptanz für die Landes- und Bündnisverteidigung gewährleisten wollen, dürfen wir niemals die innere und äußere Sicherheit gegen die soziale Sicherheit ausspielen, meine Damen und Herren.
Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es ist für die Menschen nicht nachvollziehbar, warum für Panzerhaubitzen, Marschflugkörper und Beraterverträge genug Geld da sein soll, während Bahnstrecken und Schulen verfallen, das letzte Schwimmbad in der Stadt schließen muss und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufgrund der schwierigen Lage zur Zurückhaltung bei Tarifverhandlungen ermahnt werden.
Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sie rühren eine echt gefährliche Mischung an aus immer stärkerer Aufrüstung, Entfesselung der Rüstungsindustrie, Sozialkürzungen und womöglich Steuergeschenken für Großverdiener, und Sie behandeln die Schuldenbremse wie der Vatikan den Zölibat. Das ist ein Giftcocktail für die Demokratie und ein Energydrink für die Rechtsradikalen.
Zuruf von der CDU/CSU: Oh!
Zuruf von der AfD: Wo ist denn der Applaus dafür?)
Der rhetorische Aufrüstungswettbewerb kennt keine Grenzen mehr: 300 Milliarden Euro Sondervermögen, „den Krieg nach Russland tragen“ – so tönt es aus Ihren Reihen. Andere reden über nukleare Aufrüstung in Europa. Und die dritte Wunderwaffe soll endlich die Realität auf dem Schlachtfeld umkehren.
Zuruf des Abg. Jürgen Hardt [CDU/CSU])
Sie haben weder für die deutsche und die europäische Sicherheit noch für die notwendige nachhaltige Unterstützung der Ukraine eine angemessene Finanzierung. Alle wissen, dass wir niemals ersetzen können, was die USA leisten, schon gar nicht aus dem regulären Haushalt, obwohl ich dagegen bin, so zu tun, als hätte Trump schon gewonnen. Da ist bis jetzt noch nicht eine Stimme abgegeben worden. So wird Ihre Schuldenbremse zu einem richtigen Sicherheitsrisiko. Entweder wir installieren ein neues Sondervermögen für die umfassende Modernisierung unseres Landes, wie das andere tun, oder wir müssen die Schuldenbremse reformieren. Wenn man für gemeinsame Sicherheit wirbt, ist das zwar ein Kompromiss, bei dem mir nicht jeder Satz gefällt, aber anders als Ihr Antrag entspricht dies der Verantwortung. Wie man übrigens beiden Anträgen zustimmen kann, muss das Geheimnis einzelner Abgeordneter bleiben, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Zuruf von der CDU/CSU: Die erste applausfreie Rede!)
Einen Aspekt Ihrer echten Zeitenwende finde ich aber verstörend. Viele reden ausschließlich darüber, wie Kriege am besten geführt werden können; aber fast niemand redet darüber, wie sie beendet oder gar verhindert werden können. Forderungen nach diplomatischen Initiativen oder nach Humanität, ob in Gaza oder in der Ukraine, werden lächerlich gemacht, als realitätsfern und pazifistisch oder als Appeasement oder Putin-Freundlichkeit diffamiert.
Beifall bei Abgeordneten des BSW)
Dabei wünscht sich ein Großteil der Bevölkerung in Deutschland eine Friedenspolitik, die unsere Wehrhaftigkeit mitdenkt, aber nicht ausschließlich der militärischen Logik folgt.
Applaus von Sahra Wagenknecht! Aber sonst kriegen Sie keinen hier!)
Ich schließe mit dem Satz des ehemaligen Generalinspekteurs der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, der gesagt hat: „Eine Alternative zum Krieg gibt es immer, eine zum Frieden nicht.“
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Der nächste Redner ist Matthias Moosdorf für die AfD-Fraktion.
Beifall bei der AfD)