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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Tag für Tag werden in unserem Land Kinder, ja, zum Teil Kleinstkinder, Opfer von sexuellem Missbrauch. Diese Kinder sind ihren Peinigern oft über Jahre hinweg ausgeliefert. Der Missbrauch wird gefilmt und ins Netz gestellt und dort tausendfach abgerufen. Die Kinder werden damit immer wieder aufs Neue Opfer des verbrecherischen Missbrauchs. Polizistinnen und Polizisten sind gezwungen, sich diese Videos anzusehen, um die Täter aufzuspüren. Sie sehen nicht nur die perversen und unbeschreiblichen Missbrauchstaten, sondern sie hören auch die Schreie dieser Kinder. Diese Polizisten sind tief frustriert, wenn sie immer wieder erfahren, dass der Staat ihnen die Mittel verweigert, um möglichst viele Täter ihrer gerechten Strafe zuzuführen und um möglichst alle Kinder aus deren Fängen zu retten.
In sehr vielen dieser Fälle gibt es nur einen einzigen Ermittlungsansatz, nämlich die als IP-Adresse bekannte Kennung des Computers, mit dem diese abscheulichen Filme ins Netz geladen werden. Diese Zahlenkombination, die immer nur für einige Stunden neu vergeben wird, führt die Ermittler in vielen Fällen zum Täter. Aber dafür gibt es eben eine wichtige Voraussetzung: Die Adresse muss mitsamt der Portnummer vom Internetdienstleister auch gespeichert werden. Darauf verzichten in Deutschland aber manche Provider, und alle anderen speichern sie nur für wenige Tage, oft viel zu kurz, um bei einem Hinweis den Täter noch ausfindig machen zu können.
Meine Damen und Herren, die bittere und alarmierende Feststellung hierzu ist: Wenn es um den Schutz unserer Kinder vor den abscheulichsten Missbrauchs- und Gewalttaten geht, regiert in Deutschland das Prinzip Zufall. Und verantwortlich dafür ist einzig und allein diese Bundesregierung und ihre Parlamentsmehrheit.
Beifall bei der CDU/CSU
Zuruf des Abg. Marcel Emmerich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Tag für Tag bekommen wir wertvolle Hinweise auf Missbrauch vom US-amerikanischen National Center for Missing & Exploited Children. Die Zahl dieser Hinweise steigt mit jedem Jahr an. Wir sind inzwischen bei 90 000 Hinweisen pro Jahr. Unser Bundeskriminalamt, das hier einen tollen Job macht, versucht, jedem einzelnen dieser Hinweise nachzugehen. Aber es muss feststellen: Bei nur rund 40 Prozent der Vorgänge konnte die IP-Adresse einem Nutzeranschluss für weitere Ermittlungen zugeordnet werden. In der Mehrzahl der Fälle war die IP-Adresse beim Telekommunikationsanbieter schlichtweg nicht mehr gespeichert. 2022 konnte das BKA in 20 000 strafrechtlich relevanten Vorgängen daher den Staatsanwälten nur noch die Einstellung des Verfahrens empfehlen. Das sind 20 000 Kapitulationen unseres Rechtsstaates in einem einzigen Jahr, und die Leidtragenden sind Kinder. Ich finde, Ihnen sollten diese Zahlen die Schamesröte ins Gesicht treiben, meine Damen und Herren.
Beifall bei der CDU/CSU)
Wir als Union können und wollen diesen Zustand nicht hinnehmen. Wir nehmen die Hilferufe aus der Praxis ernst, die dringend eine gesetzliche Mindestspeicherpflicht für IP-Adressen fordert. Wir folgen dabei der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs. Der hat schon vor 16 Monaten klipp und klar gesagt, dass zur Bekämpfung schwerer Kriminalität eine IP-Adressen-Speicherung natürlich zulässig ist.
Für einen eng umgrenzten Zeitraum!)
Aber was folgert nun die Bundesregierung aus alldem? Auch noch weit über ein Jahr nach dieser Entscheidung tun Sie nichts. Wir hören insgesamt schon seit zwei Jahren immer wieder Ankündigungen, bis hin zum Bundeskanzler. Aber es folgen keine Taten, nicht einmal ein Referentenentwurf, nicht einmal ein Gesetzentwurf. Diese Arbeitsverweigerung ist ein Skandal, der auf dem Rücken der Schwächsten ausgetragen wird, auf dem Rücken von Kindern, die Missbrauchsopfer werden.
Meine Damen und Herren, wie schwach Ihre Position ist, sieht man ja schon daran, dass sich die meisten Ampelredner in vergangenen Debatten – wir haben es eben wieder zumindest im Anklang gehört – nur noch damit zu helfen wussten, wahrheitswidrig und auch faktenfrei zu behaupten, die IP-Adressen-Speicherung sei so eine Art Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung.
Und dass die Ampel uns über ein Jahr lang eine Anhörung zu unserem Antrag verweigert hatte, beweist nur eines: Sie haben schiere Angst vor der Wahrheit.
Zuruf des Abg. Fabian Jacobi [AfD])
– Bei Ihnen von der AfD habe ich nichts anderes erwartet; aber von der Ampel hätte ich mir mehr erhofft. – Sie finden Ausreden, Halbwahrheiten, Falschaussagen und nehmen nicht zur Kenntnis, dass es hier um eine ganz andere Form und eine ganz andere Intensität eines Grundrechtseingriffs geht.
Vielleicht trotzdem noch eine Bitte: Hören Sie endlich auf, einen wirklich zynischen Gegensatz zwischen effektiver Strafverfolgung und Prävention zu erfinden. Wir treten für beides ein. Und unsere Landesinnenminister beweisen, dass sie nicht nur reden, sondern in beiden Bereichen auch effektiv handeln.
Aber Sie haben eben keinerlei Antwort für die Kinder, denen Täter trotz bester Präventionsprogramme immer noch die schlimmsten Dinge antun, weil bei diesen Tätern die Prävention eben leider nicht angeschlagen hat. Und ich finde, es ist dann zu wenig, zu sagen: Dann haben diese Kinder einfach Pech gehabt.
Das, meine Damen und Herren, ist eben der Unterschied zwischen unserer Politik und der Politik, die hier links und rechts von uns gemacht wird: Sie lassen – im Ergebnis jedenfalls – diese Kinder seit zwei Jahren im Stich. Wir wollen sie schützen und retten.
Beifall bei der CDU/CSU
Nächster Redner ist der Kollege Sebastian Fiedler, SPD-Fraktion.
Beifall bei der SPD)