Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Dass die Union für den Europäischen Forschungsraum brennt, hat man ehrlicherweise gerade nicht so gemerkt. Da standen eher verschiedene Konsumgüterfragen im Vordergrund. Das tut mir leid; denn ich weiß, dass Sie, Frau Gräßle, eigentlich ein Mensch sind, der sich extrem viele Gedanken macht, wie man mit dem Europäischen Forschungsraum in die Zukunft gehen kann. Jetzt haben wir von Ihnen gar nichts dazu gehört, wie diese Zukunft eigentlich aussehen soll, und das finde ich extrem schade.
Wer nichts weiß, kann natürlich gar nicht verstehen, was ich vorgetragen habe!)
So haben wir nach der zweiten Debatte eine Chance verpasst, darüber zu reden, wie eine europäische Forschungspolitik der Zukunft eigentlich aussehen soll. Das sollten wir in Zukunft anders machen; denn das ist ein wichtiges Thema.
Das erste Forschungsrahmenprogramm 1984 hatte ein Volumen von 3,3 Milliarden Euro. Heute sind wir bei einem Volumen von 95,5 Milliarden Euro. Daran sehen wir: Es ist eines der wichtigsten Programme, über das wir debattieren wollen.
Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Deswegen will ich die Debatte dazu nutzen, um mich zum einen für den Aktionsplan zu bedanken, aber zum anderen auch nach vorne zu schauen. Denn wir reden jetzt darüber, wie das nächste Forschungsrahmenprogramm in der EU aussehen sollte. Ich will einige Punkten nennen, die mir wichtig sind.
Erstens. Wir brauchen einen breiten Europäischen Forschungsraum. Das heißt, es ist gut, dass Großbritannien wieder Mitglied dieses Forschungsraums geworden ist, dass wir mit der Schweiz in guten Verhandlungen stehen und dass wir diese Kooperation sogar nach Kanada ausweiten konnten.
Es ist aber genauso wichtig, dass wir jetzt bei den EU-Beitrittskandidaten weitermachen. Wir müssen schauen, wie wir diese in einen Europäischen Forschungsraum einbinden. Denn es geht bei der Forschung eben nicht darum, nach dem Prinzip zu verfahren: „Die Universität in meinem Dorf soll schöner werden“, sondern wir müssen gucken, wie wir einen Forschungsraum bauen, von dem ganz Europa profitiert und mit dem wir alle Potenziale in Europa heben. Das ist der erste Punkt, der mir wichtig ist.
Der zweite Punkt ist: Wir müssen eine vielfältige Wissenschaft stärken, und das sollten wir auch in den nächsten Verhandlungen machen. Wir müssen auf der einen Seite einen Schwerpunkt auf den ERC legen und auf forschungsgetriebene Wissenschaft, wo Forschung selber bestimmt, worüber geforscht wird. Auf der anderen Seite müssen wir das zuspitzen, was wir als missionsorientierte Forschung begreifen, nämlich indem wir gucken: Wie können wir in den Bereichen Klimaschutz, Digitalisierung, KI und Gesundheit weiterkommen? Wie können wir diese Bereiche entbürokratisieren? Und wie können wir dafür sorgen, dass die Missionen in Zukunft noch ein bisschen klarer werden?
Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Stephan Seiter [FDP])
Der dritte Punkt. Bei der vielfältigen Wissenschaft ist mir wichtig, dass wir uns eben nicht nur auf Innovation und Technologie konzentrieren, sondern dass wir Fragen der Gesellschafts- und Geisteswissenschaften – wie sieht eigentlich die Gesellschaft der Zukunft aus, welche Konflikte haben wir, und wie treffen wir politische Entscheidungen auf der Grundlage von Wissenschaft? – zentral in diesen Europäischen Forschungsraum stellen. Das ist mir bei einem vielfältigen europäischen Wissenschaftsraum wichtig.
Lassen Sie mich noch etwas Viertes sagen. Mir ist wichtig, dass wir diesen europäischen Raum als Raum der Wissenschaftsfreiheit definieren, dass wir sagen: Europa ist der Raum, wo Forschung eine wirkliche Freiheit hat.
Dazu gehört ein Bekenntnis zu öffentlicher Forschungsfinanzierung. Dazu gehört aber auch, dass wir das Thema „Scholars at Risk“, also diejenigen, die vor Krieg und Verfolgung nach Europa flüchten, um ihre Wissenschaft fortzusetzen, noch stärker in den europäischen Fokus nehmen und dafür nicht nur Ad-hoc-Programme, sondern kontinuierlich laufende Programme schaffen, wenn wir das nächste Mal darüber reden, wie wir den Europäischen Forschungsraum ausgestalten.
Beifall bei der SPD sowie des Abg. Philipp Hartewig [FDP])
Liebe Kolleginnen und Kollegen, am Ende will ich zum Aktionsplan sagen: Es ist richtig von der Regierung, diesen Europäischen Forschungsraum zu stützen. Da ist der Aktionsplan eine gute Sache, ebenso wie der Antrag, der hier eingebracht wurde. Wir müssen diesen Forschungsraum, da wir in eine europäische Wahlauseinandersetzung gehen, aber auch schützen. In diesem Europa gibt es nämlich auch Feinde Europas, Feinde des Europäischen Forschungsraums und Feinde der Wissenschaft. Genau das muss jeder wissen, wenn er bei der Europawahl sein Kreuz macht.
Vielen Dank.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Für die AfD-Fraktion hat Dr. Michael Kaufmann jetzt das Wort.
Beifall bei der AfD)