Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann es mir jetzt trotz der Aufforderung nicht verkneifen: Es scheint ja tatsächlich der letzte Antrag der Linksfraktion hier in diesem Haus – zumindest vorläufig – zu sein. Ich hätte nicht gedacht, dass ich diesen Satz noch mal sagen kann, aber: Die Bundesregierung ist dabei, die Hälfte Ihres Antrags sogar auch umzusetzen.
Beifall bei Abgeordneten der LINKEN
Da können wir klatschen!)
An der Stelle sieht man – Silke Launert hat es auch gerade gesagt –, wie groß der Konsens für den Haushalt 2023 ist.
Aber lassen Sie mich auch sagen: Der Antrag ist ziemlich dünn, und eineinhalb Seiten sind nicht so besonders viel. Da fällt es insofern auch leicht, die Hälfte umzusetzen. Der Antrag kommt mir schon ein bisschen reflexhaft vor, wenn ich da ehrlich sein darf. Wenn ich an die ersten Tage nach dem Urteil zurückdenke, muss ich sagen: Wir haben uns natürlich alle viele Sorgen und uns Gedanken darüber gemacht, wie es jetzt weitergeht. Eine der Befürchtungen war: Kommt jetzt die nächste unterkomplexe Schuldenbremsendiskussion? Und sie kam. Alle, die vor zwei und vor vier und vor sechs Jahren ihre Texte schon fertig hatten, die schon immer gegen die Schuldenbremse waren, und alle, die die Texte schon fertig hatten, die schon immer für die Schuldenbremse waren, haben diese Texte einfach wieder rausgeholt. Und das gilt nicht nur für die Kolleginnen und Kollegen in diesem Haus, das gilt auch für die Journalistinnen und Journalisten. Und nach fünf Tagen der immer gleichen Debatte war man genauso schlau wie vorher.
Ich glaube, die Reichweite des Urteils, nicht nur für die Haushalte des Bundes, sondern auch für die Haushalte der Länder, verlangt, dass wir tatsächlich ein bisschen komplexer diskutieren
Beim komplexen Denken hört es ja bei Ihnen auf!)
und dass wir die Reflexe unterdrücken. Einer der Punkte, die das Urteil ja anspricht und die man, glaube ich, wirklich einmal diskutieren muss, ehrlich gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, ist eine der Grundannahmen der Schuldenbremse in ihrer aktuellen Form, und diese Grundannahme lautet: Auf Krise folgt Erholung – eine Erholung, in der man, auch in engen zeitlichen Leitplanken, Tilgungen vornehmen kann.
Wenn wir jetzt sehen, dass wir die Schuldenbremse ausgesetzt haben in 2020, in 2021 und in 2022 und jetzt auch in 2023, gilt dann noch, dass auf Krise Erholung folgt? Gilt da nicht vielmehr: „Auf Krise folgt Krise, ohne dass Erholung absehbar ist“, „Auf Krise türmt sich Krise, ohne dass Erholung auch nur denkbar ist“?
Was bedeutet das dann für diese Regelung der Schuldenbremse? Ist die Lösung dann, dass man die Definition von „Krise“ immer enger und enger zieht – mit der Konsequenz, dass das, was der Staat im Krisenfall für die Bürgerinnen und Bürger leistet, deutlich schmaler wird als das, was wir aktuell anbieten? Oder bedeutet das, dass wir tatsächlich Jahr für Jahr immer wieder die Schuldenbremse aussetzen – mit der Konsequenz, dass sie das Papier nicht mehr wert ist, auf dem sie steht? Zu allen fiskalpolitischen Folgen, die das hätte, hat der Kollege Schäfer ausgeführt.
Meine Damen und Herren, ich glaube, an der Stelle – und das gilt für beide Seiten in diesem Haus; das gilt auch für uns – brauchen wir eine andere Debatte über die Schuldenbremse, eine, die nicht die Antworten gibt, die vielleicht vor vier oder fünf Jahren brauchbar waren, sondern Antworten, die das Hier und Jetzt anerkennen, wo wir uns der grundlegenden Frage stellen müssen, ob die Grundannahme „Auf Krise folgt Erholung“ tatsächlich immer noch gilt.
Vielen Dank.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein fröhliches Hallo erst mal von der Spätschicht!
Nach der Spätschicht kommt die Nachtschicht!)
Jetzt kommen wir auch schon zum letzten Redner in dieser Debatte; das ist Metin Hakverdi für die SPD-Fraktion.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Otto Fricke [FDP])