Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der Homo sapiens ist fähig und leider viel zu oft bereit, Gewalt gegen seinesgleichen anzuwenden. Das ist das evolutionäre Erbe unserer Spezies, das wir wohl ewig mit uns mitschleppen werden und mit dem wir umzugehen haben. Jahrtausendelang blieb diese Gewalt ungeahndet; wer körperlich, später dann militärisch überlegen war, konnte ungestraft andere Individuen oder ganze Völker vertreiben, unterwerfen oder auslöschen. Auch in der scheinbar schon zivilisierten Phase der letzten drei Jahrhunderte trug sich mit der Kolonialisierung großer Teile dieser Welt viel Gewalt und Unrecht zu, mit dem wir uns erst jetzt rechtlich so richtig auseinandersetzen.
Der Weg über die Schaffung der Genfer Konventionen und der UN-Charta bis zum heutigen Stand des Völkerstrafrechts war lang und blutig. Diesen zivilisatorischen Fortschritten gingen die Entrechtung und das Abschlachten unzähliger Völker voraus. Ich finde es wichtig, das anzuerkennen, wenn wir heute über das Völkerstrafrecht sprechen, meine Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Und so finden sich im Völkerstrafgesetzbuch auch viele der schwersten Verbrechensformen unserer globalen Menschheitsgemeinde: Tötung von Zivilisten und Gefangenen, Aushungern, Einsatz von ABC-Waffen, Menschenhandel, Völkermord. Die noch erweiterbare Liste von Straftatbeständen zeichnet das dunkelste Bild menschlicher Abgründe, das man sich vorstellen kann.
Es ist ein Segen, dass der Generalbundesanwalt in unserem Land die Möglichkeit besitzt, diese Straftaten zu verfolgen. Ich möchte an den weltweit ersten Strafprozess um Staatsfolter in Syrien erinnern, der in Deutschland geführt wurde; Herr Buschmann und auch andere Redner vor mir sind darauf eingegangen. Ein ehemaliger Vernehmungschef eines syrischen Geheimdienstgefängnisses wurde 2022 am Oberlandesgericht Koblenz wegen 27-fachen Mordes, gefährlicher Körperverletzung in 25 Fällen, besonders schwerer Vergewaltigung, sexueller Nötigung, Freiheitsberaubung, Geiselnahme und sexuellen Missbrauchs von Gefangenen schuldig gesprochen. Es fehlen einem die Worte bei solchen Gräueltaten, aber unserem Rechtsstaat zum Glück nicht die Mittel. Deutschland wird mit solchen Prozessen auch seiner internationalen Verpflichtung gerecht, meine Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wo wir der Schwere dieser Verbrechen bislang aber nicht gerecht werden, ist im Bereich der Opferbeteiligung. Bislang ist es Verletzten von Völkerstraftaten nur möglich, sich Verfahren als Nebenklägerinnen und Nebenkläger anzuschließen, wenn eine Straftat aus dem StGB in Tateinheit mit einer VStGB-Straftat begangen wurde. Dabei ist die Nebenklage, Herr Kollege Jung, essenziell, um die Rechte von Geschädigten in Strafverfahren zu wahren. Auch aus psychologischer Sicht ist es etwas komplett anderes, ob man als passives Opfer seinem Peiniger gegenübertritt oder als Kläger. Verletzten von Völkerstraftaten fehlt zudem die Möglichkeit, einen Anspruch auf Beiordnung eines für sie kostenlosen Rechtsbeistands oder einer psychosozialen Prozessbegleitung zu erheben. Diese Defizite unseres Völkerstrafgesetzbuchs wollen wir mit dem vorgelegten Gesetzentwurf beheben.
Werte Kolleginnen und Kollegen, man kann, wenn man in diesem Rahmen über das Völkerstrafrecht spricht, nicht den brutalen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine unerwähnt lassen; ihn haben auch schon Vorredner genannt. Wir erleben inmitten des 21. Jahrhunderts in Europa einen Rückfall in die Barbarei der vorangegangenen Jahrhunderte. Ein Land vor den Toren der Europäischen Union greift ein anderes Land an, um sich dessen Territorium anzueignen. Diesen bestialischen Expansionshunger Putins bezahlen tagtäglich Hunderte von jungen Russen und Ukrainern mit ihrem Leben. Das ist mit keinem Gerechtigkeitsempfinden vereinbar. Das Einzige, das wir für diese sinnlos sterbenden Opfer erreichen können und müssen, ist, dass ihre Mörder zur Rechenschaft gezogen werden. Die Antwort der Staatengemeinschaft, die Art und Weise, wie wir auf diese Form der Aggression strafrechtlich reagieren, entscheidet zwischen Rückfall oder Fortentwicklung unserer Zivilisation.
Letztendlich muss das Ziel sein, dass ausnahmslos alle Staaten die Notwendigkeit des Völkerstrafrechts erkennen und sich diesem unterwerfen.
Vielen herzlichen Dank.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Nächster Redner ist Axel Müller für die CDU/CSU-Fraktion.
Beifall bei der CDU/CSU)