- Bundestagsanalysen
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Parteien! Liebe Mieterinnen und Mieter! Kann ich mir die Miete noch leisten? Heutzutage ist das eine der größten Sorgen der Menschen im Mieterland Deutschland, selbst für die Mittelschicht.
Nach den Zahlen des Statistischen Bundesamtes ist diese Sorge mehr als begründet. Im letzten Jahr haben die Deutschen durchschnittlich fast 30 Prozent ihres Einkommens für Miete ausgegeben. Rund 3,1 Millionen Haushalte, insbesondere die einkommensschwächeren, mussten sogar zwischen 40 und mehr als 50 Prozent ihres Einkommens für Miete und Betriebskosten ausgeben. Diese katastrophale Entwicklung des deutschen Mietmarktes trifft nicht nur die Niedrigverdiener, sondern reicht bereits bis in die Mittelschicht hinein. Wer die Hälfte seines verfügbaren Einkommens nur für die Miete ausgeben muss, ist extrem eingeschränkt. Am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben, Urlaub, Rücklagen für das Alter oder größere Anschaffungen sind so kaum bis gar nicht mehr möglich.
Nach dem Wirtschaftsstrafgesetz sind Mieten, die mehr als 20 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen, unangemessen hoch. Umgangssprachlich werden sie als das entlarvt, was sie sind, nämlich Wucher. Gerade in Großstädten gibt es kaum noch Stadtteile, in denen überhöhte Mieten oder gar Mietwucher nicht verbreitet wären. Wer solche Wuchermieten verlangt, handelt nach dem Wirtschaftsstrafgesetz ordnungswidrig und riskiert eine Geldbuße von bis zu 50 000 Euro – zumindest in der Theorie.
In der Praxis allerdings hilft diese Regelung den Mieterinnen und Mietern nicht, erst recht stellt sie keine Gefahr für die schwarzen Schafe unter den Vermietern dar; denn allein die Tatsache, dass ein Vermieter eine Wuchermiete verlangt, reicht für seine Bestrafung noch nicht aus.
Nein, leider!)
Das Gesetz verlangt darüber hinaus noch die „Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen“. Anders ausgedrückt: Die Gerichte verlangen Beweise, dass der Vermieter absichtlich die Wohnraumknappheit ausnutzt.
So einen Beweis zu erbringen, ist den Mietern aber kaum möglich, wie viele Gerichtsurteile zeigen.
Das ist echt nicht leicht!)
Ein Beispiel aus Stuttgart. Dort hat das Landgericht klar geurteilt, es genüge nicht, dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses in Stuttgart allgemein eine Knappheit an vergleichbarem Wohnraum bestand. Der Mieter muss darüber hinaus darlegen und beweisen, dass die Mangellage am Wohnungsmarkt bei der Vereinbarung der Miethöhe im konkreten Einzelfall ausgenutzt wurde. Der Mieter muss vortragen, welche Bemühungen er bei der Suche nach einer angemessenen Wohnung unternommen hat und weshalb diese Suche erfolglos geblieben ist, er also auf den Abschluss des für ihn ungünstigen Mietvertrags angewiesen war. Darüber hinaus muss der Vermieter davon Kenntnis haben, dass der Mieter sich in einer Zwangslage befindet und diese ihn im konkreten Fall dazu zwingt, die teure Wohnung zu mieten, weil er aus nachvollziehbaren gewichtigen Gründen nicht auf eine preiswertere Wohnung ausweichen kann.
Das ist kaum nachweisbar!)
Und der Mieter muss vortragen, dass der Vermieter gerade diesen Umstand bewusst ausnutzt. Damit bleibt Mietwucher nur auf dem Papier strafbar. Die 50 000 Euro Bußgeld schrecken so niemanden ab.
Es reicht aber nicht, sich über jeden einzelnen Fall zu empören, mit dem betroffenen Mieter mitzuleiden und sich solidarisch zu erklären. Wenn der Gesetzgeber erkennt, dass das Gesetz sein Ziel verfehlt und das bestehende Problem nicht löst, liegt es an uns Abgeordneten, das Gesetz so zu ändern, dass es sein Ziel erreicht.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN
Also sind Sie dafür?)
Der Bundesrat hat dankenswerterweise bereits den Entwurf einer Gesetzesänderung beschlossen. Demnach soll es nicht mehr auf die subjektive Absicht des Vermieters ankommen, eine Wohnraumknappheit auszunutzen, sondern lediglich darauf, dass die Miete faktisch überhöht ist. Außerdem soll das Bußgeld auf bis zu 100 000 Euro verdoppelt werden. Eine derartige Regel, mit der wir Wuchermieten wirksam den Kampf ansagen können, vermissen ich und die SPD ausdrücklich.
Leider sind die juristischen Bedenken zu der vom Bundesrat beschlossenen Gesetzesverschärfung nicht einfach von der Hand zu weisen.
Aha!)
Es geht um die strittige Frage, ob eine Ordnungswidrigkeit ohne eine subjektive Schuld des Täters
Aha!)
gegen den Schuldgrundsatz im Strafrecht verstößt. Das klingt nach juristischem Klein-Klein. Aber es macht einen Unterschied, ob die Ordnungswidrigkeit von Amts wegen festgestellt wird,
Was ist jetzt Ihre Position?)
weil objektiv ein zu geringes Angebot an vergleichbaren Wohnungen vorliegt, oder der Mieter nachweisen muss, dass der Vermieter diese Lage subjektiv ausnutzt.
Diesen Unterschied juristisch korrekt herauszuarbeiten und Lösungswege zu skizzieren, wäre jetzt Aufgabe des Bundesjustizministers. In der Stellungnahme aus 2022 hieß es – ich zitiere –: „Die Meinungsbildung innerhalb der Bundesregierung ist noch nicht abgeschlossen.“ Zitat Ende. Wir schreiben jetzt November 2023 und wissen immer noch nicht, ob und wie weit die Meinungsbildung im Bundesjustizministerium vorangeschritten ist.
Das neue Deutschlandtempo!)
Ich freue mich deshalb, dass wir als Abgeordnete nicht weiter untätig auf diese Meinungsbildung warten. Stattdessen haben wir gestern im Rechtsausschuss beschlossen, im Februar 2024 eine öffentliche Anhörung der Sachverständigen zur Reform von § 5 Wirtschaftsstrafgesetz durchzuführen.
Ich bin überzeugt: Politik ist Wille! Wo der Wille vorhanden ist, werden wir in Zusammenarbeit mit Experten und Juristinnen einen guten Weg zu einer rechtlich korrekten und politisch wirksamen Lösung finden,
Davon bin ich überzeugt!)
damit wir mit Blick auf den Mietmarkt, auf die Verstöße gegen die Mietpreisbremse, auf Mietwucher, auf Entmietungen und Herausmodernisierungen nicht mehr länger dem doppelten Unrecht hilflos zusehen müssen,
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
weil die Mieter nichts zu erwarten und die Vermieter nichts zu befürchten haben.
Vielen Dank.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP und der Abg. Caren Lay [DIE LINKE])
Vielen Dank, Frau Kollegin Martens. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Jan-Marco Luczak, CDU/CSU-Fraktion.
Beifall bei der CDU/CSU)