- Bundestagsanalysen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Sehr geehrter Herr Fabritius! Ich freue mich, dass wir nach monatelangen Abstimmungen zwischen den Fraktionen, vielen Gesprächen mit den Betroffenen und den Verbänden und den parlamentarischen Verhandlungen heute in der zweiten und dritten Lesung über die Änderung des Bundesvertriebenengesetzes entscheiden.
Gerne möchte ich mich zu Beginn meiner Rede bei allen Beteiligten – den Selbstorganisationen, den Verbänden, den demokratischen Fraktionen dieses Hauses und auch bei unserer Bundesinnenministerin Nancy Faeser – ganz herzlich für die konstruktive Zusammenarbeit und die Unterstützung bei diesem Anliegen bedanken.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Mit der Gesetzesänderung passen wir die Aufnahmepraxis bei Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern an die Lebensumstände der Menschen an. Wir stellen die Rückkehr zur früheren Verwaltungspraxis in Bezug auf das Bekenntnis zum deutschen Volkstum im Rahmen der Spätaussiedleraufnahme sicher. Künftig soll, wie vor dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Januar 2021, das Bekenntnis durch bloße Änderung der Volkszugehörigkeit in allen amtlichen Dokumenten bis zum Verlassen des Aussiedlungsgebietes abgegeben werden können. Dabei reichen auch ernsthafte erfolglose Änderungsbemühungen aus.
Wir schaffen eine Rechtsgrundlage zur Aufbewahrung der bei den Vertriebenenbehörden befindlichen Spätaussiedlerdaten. Dadurch soll der endgültige Verlust der für die Betroffenen essenziellen Daten über die Feststellung ihrer Spätaussiedler- oder Vertriebeneneigenschaft verhindert werden.
Außerdem – darauf bin ich besonders stolz, dass wir das hinbekommen haben – kommt neu hinzu, dass wir eine Regelung für eine Verordnungsermächtigung des Bundesinnenministeriums schaffen, in der die Voraussetzungen festgelegt werden, unter denen der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet bei kriegsbedingter Flucht als fortbestehend gilt.
Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Dies ist insofern von Bedeutung, als dass Menschen, die gerade vor dem Krieg aus der Ukraine und vor den Folgen davon auch aus Russland zu uns fliehen, nicht den Anspruch verlieren, jemals wieder als Spätaussiedler anerkannt zu werden.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in dem Prozess und in den Debatten sind viele weitere Punkte hinzugekommen, die auch noch relevant wären. Das Bundesvertriebenengesetz ist hochkomplex. Mit der Anerkennung als Spätaussiedler geht die Staatsangehörigkeit mit allen staatsbürgerlichen Rechten und rentenrechtlichen Ansprüchen einher. Gleichzeitig müssen wir immer wieder abwägen zwischen der Logik des Gesetzes, nämlich unserer Verantwortung für das besondere Kriegsfolgenschicksal der Angehörigen der deutschen Minderheiten, und den aktuell gegebenen Herausforderungen und Lebensumständen der Menschen.
Aus Erfahrung wissen wir, dass es wichtig ist, Gesetzesänderungen auf den Weg zu bringen, die nicht wieder von der Rechtsprechung gekippt werden. Deswegen ist es gut, alles immer in Ruhe zu prüfen.
Gleichzeitig müssen wir aber auch auf die aktuelle Situation Rücksicht nehmen, nämlich die schwierige Lage, in der sich viele Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler befinden, gerade vor dem Hintergrund des schrecklichen Krieges in der Ukraine. Deswegen müssen wir dieses Gesetz schnell auf den Weg bringen, um dort Abhilfe zu schaffen.
Ich sage Ihnen jedoch zu, dass der heutige Beschluss nicht das Ende der Auseinandersetzung mit dem Thema sein soll. Ich werde zeitnah einen neuen Dialogprozess über die Zukunft des Bundesvertriebenengesetzes organisieren und mit Ihnen weiterhin im Austausch bleiben. 70 Jahre nach Einführung des Gesetzes ist es gut, dass wir uns wieder intensiv damit auseinandersetzen.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich bitte zum Schluss ein paar Sätze loswerden, von denen ich finde, dass sie in diesem Haus ausgesprochen gehören; denn ich weiß, dass oben auf der Tribüne viele junge Menschen sitzen, die erst seit einigen Monaten hier sind und als Spätaussiedler anerkannt wurden. Die Geschichte und die Integration von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern ist eine Erfolgsgeschichte. Sie sind eine Bereicherung für unsere Gesellschaft! Sie haben Unglaubliches geleistet, um hier anzukommen; das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen.
Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Dr. Bernd Baumann [AfD])
Dieses Haus, dieses Parlament und unsere Demokratie stehen zu unserer historischen Verantwortung gegenüber dieser Gruppe. Wir stehen an Ihrer Seite, und wir lassen uns von den Kriegstreibern und Hetzern in dieser Welt nicht spalten! Sie sind ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft; bitte seien Sie sich dessen sicher.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Dr. Silke Launert [CDU/CSU])
Das Wort hat der Kollege Christoph de Vries für die CDU/CSU-Fraktion.
Beifall bei der CDU/CSU)