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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was Sie da eben vorgeführt haben, ist an Unappetitlichkeit nicht zu überbieten, Herr Dr. Jongen. Das war geschichtspolitisch blinder Whataboutism schlimmster Art, und das muss man auch so benennen.
Sie haben ja dieses Projekt bezeichnet – ich zitiere – als monumentale Zurschaustellung des eigenen Schuldstolzes. Das Gegenteil ist dieses Projekt; das wüssten Sie, hätten Sie die Unterlagen mal genau gelesen. Was Sie aber machen, das ist eine monumentale Zurschaustellung Ihrer eigenen Geschichtsvergessenheit, und das ist dieses Hauses wirklich nicht würdig.
Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Sandra Bubendorfer-Licht [FDP])
Wenn Sie sich damit beschäftigen würden, dann würden Sie sich auch solchen Situationen stellen, wie sie sich im Sommer 1942 im polnischen Dorf Jozefow abgespielt haben, als mitnichten SS-ordensgeschulte Menschen, sondern, wie Christopher Browning gezeigt hat, ganz normale Mitglieder eines Reserve-Polizeibataillons, des Reserve-Polizeibataillons 101, in dieses Dorf in Polen einfuhren, es abriegelten, jeden, der das Dorf zu verlassen suchte, erschossen, dann mehrere Hundert Arbeitsfähige selektierten und die anderen, Person für Person, im Wald erschossen, mindestens 1 500 Personen. Übrigens hätte keiner der Mitglieder dieses Polizeibataillons es tun müssen. Sie hatten ausdrücklich die Möglichkeit, davon Abstand zu nehmen; kaum jemand tat es.
Diese Form der Shoah, des Holocaust jenseits der Vernichtungslager, ist etwas, was nur aus der Realität der Besatzungsherrschaft zu begreifen ist. Es war zutiefst verwoben mit Jahren der Besatzung. Die Mitglieder dieses Polizeibataillons haben, nachdem sie tagtäglich Menschen erschossen haben, abends Brahms und Mozart gehört, Briefe an ihre Familien geschrieben und sich bestens arrangiert mit dem Verbrechen und der Gewaltherrschaft.
Genau das will dieses Dokumentationszentrum deutlich machen: diesen blinden Fleck in unserer Erinnerung, wie Besatzung funktioniert hat, wie Gewalt durch die deutsche Besatzung funktioniert hat, wie sie Menschen in Schuld und Verantwortung gezogen hat – und das ist das Gegenteil von monumental –, eben nicht demonstrativ, sondern individuell reflektierend, unter Einbezug der Nachkommen der Opfer, der Opferverbände. Die große Leistung von Raphael Gross und seinem Team ist, dass sie die Perspektive der besetzten Länder deutlich machen und uns helfen, zu begreifen, dass wir, wenn wir über manche Länder heutzutage sprechen, wenn wir etwa urteilen über das Handeln kriegerischer Regierungen, immer mitdenken müssen, welche Realität der Besatzung im kollektiven Gedächtnis dieser Länder ist.
Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das ist ein bescheidenes, eben nicht monumentales Projekt, das die Perspektiven der besetzten Länder in den Mittelpunkt stellt und nicht unsere eigene Erinnerung. Das ist das Gegenteil dessen, wofür die AfD steht.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)