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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das sind so Momente der Selbstentlarvung, die ich immer gerne zur Kenntnis nehme, weil sie der Erkenntnisbildung auf die Beine helfen. Sie haben in Ihrem Antrag versucht, teilweise den Eindruck zu erwecken, Ihnen ginge es wirklich um zutiefst pädagogisch und sozial motivierte Arbeitsmarktintegration. Und dann hauen Sie hier einfach so die „soziale Hängematte“ heraus, und alle wissen, worum es Ihnen geht
Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
und um welche leider eben doch allzu platte, allzu schlichte Demagogie es geht.
Sie haben gar nichts verstanden!)
Also nächstes Mal weniger Selbstentlarvung, strategisch klüger!
Wo ist denn Ihre Ministerin?)
Wenn Sie als größte Oppositionspartei diesen Begriff ernsthaft verwenden und dann auch noch wie eben sagen: „in den Arbeitsmodus bringen“, frage ich mich: Sind wir uns einig in dem Menschenbild?
Nein, wir sind uns nicht einig!)
Da bekomme ich echte Sorgen. Mein Menschenbild von geflüchteten Menschen, die im Übrigen hier als Schutzberechtigte anerkannt sind, ist nicht, dass sie irgendwelche Befehlsempfänger sind oder Menschen, die man mit Zwängen und Pflichten domestizieren muss, weil sie nicht selber erkennen können, dass man arbeiten sollte. Das ist wirklich unwürdig und wird der Realität von Geflüchteten in diesem Land wahrlich nicht gerecht.
Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Clara Bünger [DIE LINKE])
Sie kommen hier jede Woche mit einem neuen Vorschlag.
Zuruf des Abg. Christoph de Vries [CDU/CSU])
Das tut Ihrem Ansinnen, eine große Gemeinschaft für einen erweiterten Minimalkonsens in der Frage zu schaffen, wirklich nicht gut.
Weil wir Vorschläge machen?)
Sie wissen ganz genau – Sie haben es selbst erwähnt –, dass es für Asylsuchende schon die Möglichkeit im Asylbewerberleistungsgesetz gibt. Das hat sich aber nicht als Erfolgsmodell erwiesen, weil einerseits die Idee von Sanktionen, die damit verbunden war, nicht greift und weil es andererseits auch in der Praxis nicht wirklich funktioniert. Diese Realität anzuerkennen, wäre zumindest sinnvoll.
Und es geht noch weiter. Wir müssen uns ja fragen: Worum geht es Ihnen eigentlich? Geht es Ihnen wirklich ernsthaft um Arbeitsplatzvermittlung – das haben Sie eben selbst konterkariert –, oder geht es Ihnen vielleicht darum, ein bestimmtes Bild zu vermitteln
und damit womöglich – jetzt unterstelle ich Ihnen guten Willen – manche Geister zu beruhigen, indem man zeigt: „Jetzt werden die Geflüchteten aber mal härter rangenommen und sanktioniert“? Ich sage Ihnen: Sie werden damit diese Geister nicht beruhigen. Sie werden noch viel schlimmere Geister rufen. Also lassen Sie das lieber!
Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Gucken wir uns mal den Vorschlag selbst an. Macht das denn Sinn? Sie haben sich zu Recht aufgeregt. Es war natürlich ungünstig, dass Minister Heil gestern seinen Integrationsturbo vorgestellt hat. Ich muss Sie noch mehr enttäuschen. Er hat es nicht wegen Ihres Antrags vom 10. Oktober gemacht; das war gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit unter Andrea Nahles monatelang vorbereitet. Er war schneller, Sie waren langsamer. So ist die Reihenfolge. Und sein Vorschlag ist auch viel sinnvoller.
Aus Ihren Reihen wurde zu Recht bei Fragen von Gemeinnützigkeit und sozialem Arbeitsmarkt immer wieder auf Problematiken wie die Verdrängung von Arbeit und die Zusätzlichkeit hingewiesen. Wenn Sie ernsthaft Leute in den ersten Arbeitsmarkt vermitteln wollen, warum dann diese Petrifizierung in einem Sonderarbeitsmarkt der Gemeinnützigkeit? Warum diese Sonderrechtlichkeit? Das sind anerkannte Personen, die einen dauerhaften Aufenthaltsstatus haben,
Zuruf der Abg. Dr. Silke Launert [CDU/CSU])
und sie sind in unseren Regelsystemen drin. Also nutzen wir die Regelsysteme unseres Sozialstaates und bauen nichts Gesondertes auf!
Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es kommt noch Weiteres hinzu. Denken Sie das doch mal zu Ende! Wir haben viele Menschen in Deutschland, die versuchen, über §-16e- oder §-16i-Maßnahmen tatsächlich in den sozialen Arbeitsmarkt mit Sozialversicherungspflicht hineinzukommen, aber auch viele, die froh sind, und das wahrlich nicht wegen der überschaubaren Mehraufwandsentschädigung, Arbeitsgelegenheiten, sogenannte AGHs, zu bekommen. Die sind aber knapp, werden teilweise abgebaut. Jetzt gucken Sie sich mal die Situation an! Es gibt lange hier lebende deutsche Staatsangehörige oder andere mit dauerhaftem Status, und Sie züchten jetzt eine Art von Konkurrenzwettbewerb. Das ist vielleicht ein Konjunkturprogramm für Wagenknecht und Co, klug ist es aber wahrlich nicht, eine solche Doppelstruktur aufzubauen und das Signal auszusenden: Die müssen mal zur Arbeit erzogen werden.
Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Auch Wirtschaftsinstitute sagen – und Sie waren doch mal eine wirtschaftsfreundliche Partei –, dass es viel besser ist, wirklich radikal marktwirtschaftlich zu denken, wirklich liberal zu denken und zu sagen: Die Menschen wollen im Regelfall arbeiten, also bauen wir Hürden und Hindernisse ab, die sie daran hindern, zu arbeiten.
Setzen wir auf die Möglichkeiten des Marktes, und schaffen wir nicht noch extra einen gemeinnützigen Sektor, der die Vermittlung und Flexibilität stoppt, damit Menschen – und das ist ein Ziel dieser Koalition – auch dorthin können, wo Arbeitsplätze sind! Schaffen wir ein atmendes, flexibles System!
Wenn wir eine Arbeitsverpflichtung einführen, dann – das kann ich Ihnen jetzt schon sagen – wird das mehr Bürokratie bedeuten, weniger Flexibilität, und es wird Vermittlungen in den ersten Arbeitsmarkt nicht fördern, sondern verhindern. Sinnvoll wäre gewesen – aber das machen Sie ja nicht –, mal über einen gemeinnützigen Markt für diejenigen zu sprechen, die dauerhaft keine Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt haben. Das ist sinnvoll. Hier sollte man tatsächlich über die Unterstützung des Gemeinwesens und Daseinsvorsorge reden und eben nicht nach „Geflüchteten“ und „nicht Geflüchteten“ selektieren; es geht um alle.
Und noch ein Mythos: Selbstverständlich – übrigens auch im Integrationsturbo, gestern von Herrn Heil vorgestellt – gibt es im Regelleistungsystem Mitwirkungspflichten, und es gibt Leistungsminderungen. Die sind Realität, ausdrücklich.
Nein, nein! Das gibt es nicht!
Dafür brauchen Sie die Leute nicht extra durch rein symbolische, rein demagogische, rein auf parteipolitischen Geländegewinn gerichtete Maßnahmen zu drangsalieren. Das ist dumm, das ist nicht marktwirtschaftlich, das ist nicht überlegt.
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Deshalb: Machen Sie einen Schritt zurück! Denken Sie mal darüber nach, was Sie wirklich wollen, und ersparen Sie uns diese Symbolpolitik, die Ressentiments und die falschen Freunde von der AfD nährt, –
Beifall der Abg. Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Herr Lindh, letzter Satz bitte.
– und die nichts, auch wirklich gar nichts zur sinnvollen Vermittlung von Menschenarbeit beiträgt!
Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)