Rede von Dirk Wiese in 112. Sitzung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Viel zu lange gehörten die verfolgten Zeugen Jehovas zu den vergessenen Opfergruppen des Nationalsozialismus. Ich glaube, die heutige Debatte hier hat gezeigt, dass sich die Fraktionen – Die Linke, die SPD, Bündnis 90/Die Grünen, die FDP, die CDU/CSU – dieser Verantwortung bewusst sind, sich ihr gestellt haben und dass wir diesem Vergessen, das viel zu lange da gewesen ist, ein Ende bereiten wollen mit einem würdigen Denkmal hier in Berlin.
Es ist angesprochen worden: Vor 90 Jahren, im Jahr 1933, begann die systematische Verfolgung als Verweigerer der Wehrpflicht, wegen Heimtücke und ab 1939 wegen des Vorwurfs der Wehrkraftzersetzung. Viele von ihnen sind in den Konzentrationslagern inhaftiert worden. Sie erhielten dort die Kennzeichnung mit dem sogenannten lila Winkel. Sie kamen in die Fänge von SS und Gestapo. Sie sollten ihrem Glauben abschwören, und sie haben es nicht getan. Mindestens 1 700 Zeugen Jehovas haben das mit ihrem Leben bezahlt.
Gerade in einer Zeit, in der diejenigen, die noch berichten könnten, nicht mehr da sind und wir als nachfolgende Generationen die Verantwortung haben, ist es wichtig, dass diese Biografien und Schicksale bekannt werden. Ich bin den Kolleginnen und Kollegen dankbar, die das heute hier am Rednerpult schon deutlich gemacht haben. Wir müssen diese Geschichten erzählen! Es ist in der Öffentlichkeit viel zu wenig bekannt über den Widerstand und die Verfolgung der Zeugen Jehovas in der NS-Unrechtsherrschaft. Es ist unsere Aufgabe als nachfolgende Generationen, das deutlich zu machen. Darum bin ich dankbar, dass diese Entscheidung heute hier im Deutschen Bundestag getroffen und dann umgesetzt wird.
Die Geschichte mahnt uns aber auch, dass wir die Augen nicht davor verschließen dürfen, dass die Zeugen Jehovas auch heute in einigen Staaten dieser Welt massiv verfolgt werden. In Russland ist die Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas seit 2017 als extremistisch eingestuft. Ihr Besitz wird konfisziert; die Wohnungen und Gemeindezentren werden durchsucht. Die Menschen werden gewaltsam festgenommen und verhört. Kinder werden teilweise aus den Familien der Zeugen Jehovas herausgenommen.
Auch das zeigt uns immer deutlicher: Wir müssen wachsam sein – wir sagen immer sehr deutlich „Nie wieder!“–, damit das wirklich nicht mehr passiert. Dafür tragen wir auch als nachfolgende Generationen die Verantwortung.
Ich glaube, es ist das richtige Signal, dass wir heute mit diesem gemeinsamen Antrag zeigen, dass sich die Bundesrepublik Deutschland ihrer Verantwortung bewusst ist. Wir hier im Deutschen Bundestag erkennen das Unrecht an. Wir wollen das Andenken bewahren. Wir wollen die Schicksale präsent machen. Das ist ein wichtiges Zeichen, das wir hier heute, an diesem Donnerstag, auf den Weg bringen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)