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Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin dem Kollegen Hacker sehr dankbar, dass er darauf hingewiesen hat, dass dieser Tag nicht
besser gewählt sein könnte; denn übermorgen jährt sich das Verbot der Glaubensgemeinschaft Zeugen Jehovas in Preußen zum 90. Mal. Ein Gedenk-, ein Jahrestag.
Historisch zeigt sich damit auch, dass die Zeugen Jehovas als Glaubensgemeinschaft zu den ersten Gruppen gehörten, die aus Glaubensgründen verfolgt wurden.
Wir haben hier viel gehört über das Aufrechtsein im Glauben und darüber, für Prinzipien einzustehen und damit vielleicht mit dem Leben zu bezahlen.
Ein lila Winkel wurde den Zeugen Jehovas angeheftet. Es gibt viele Zitate von Inhaftierten, von Insassen von Konzentrationslagern, die gerade über die
Hilfsbereitschaft der Träger der lila Winkel zu berichten wussten.
Heute sitzen viele junge Menschen – fast außergewöhnlich viele – auf der Tribüne. Man muss und darf die Frage stellen: Was hat uns ein solcher Tag,
was hat uns ein solcher Kampf und Einsatz für ein Mahnmal zu sagen? Nein, man muss nicht die Prinzipien dieser Glaubensgemeinschaft teilen. Man muss kein
Angehöriger und kein Anhänger sein. Aber eine Demokratie basiert in ihren Grundfesten gerade darauf, dass sie Religionsfreiheit, Glaubensfreiheit nicht nur
dadurch beweist, tagtäglich dafür zu kämpfen, dass Menschen ihren Glauben nicht nur leben, sondern auch praktizieren dürfen, sondern auch dadurch, dass in der
Rückschau die Verantwortung des Erinnerns ein wesentlicher Aspekt ist, um diesen Menschen in der Mitte der Stadt Berlin zu gedenken.
Es geht dabei eben nicht nur um passiven Widerstand. Den Wehrdienst zu verweigern, den Dienst an der Waffe zu verweigern – in jener Zeit –, ist mehr
als aktiver Beitrag. Die Tatsache, dafür einzutreten, Flugblätter zu verteilen – in jener Zeit –, ist mehr als aktiver Widerstand.
Ja, wir müssen darüber nachdenken – Stichwort „Segregation von Opfergruppen“ –, an wie vielen Stellen Mahnmale errichtet werden müssen. Aber ich
glaube, dass sich unsere Art des Gedenkens – unser Auftrag aus der Vergangenheit für die Zukunft – gerade darin Bahn bricht und wir sehr wohl wissen, welchen
Gruppen wir welches Gedenken ihrer Opferbereitschaft und ihrer Geschichte schuldig sind.
Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Dazu gehört, dass wir in der Lage sind, deutlich zu machen: Auch Glaubensgemeinschaften, die heute nicht zur Mehrheit gehören – vielleicht auch nie
gehören werden –, haben in ihrer Geschichte einen beeindruckenden Fußabdruck hinterlassen, indem sie uns verdeutlichen: Ein Leben im Glauben, in den Festen von
Prinzipien, ist auch im Angesicht des Untergangs, der Verfemung und des Todes etwas, was uns Aufgabe sein sollte.
Es ist eine Verfolgung, die mit dem Nationalsozialismus nicht zu Ende war. Sie greift hinein in die zeitgenössische Geschichte. In beiden Diktaturen
wurden Zeugen Jehovas verfolgt und ausgegrenzt. Gerade deshalb ist es so entscheidend, dass im Herzen dieser Stadt – im Herzen unserer Demokratie – ein
deutliches Signal für die Anerkennung, für das Gedenken und das Erinnern an die Zeugen Jehovas gesetzt wird.
Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Zum Abschluss dieser Debatte erhält Dirk Wiese für die SPD-Fraktion das Wort.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)