Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Gäste auf den Tribünen! Als wir vor sechs Wochen hier in erster Lesung über das Mahnmal für die im Nationalsozialismus verfolgten und ermordeten Zeugen Jehovas debattiert haben, da waren wir uns einig – CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, Die Linke und selbstverständlich auch die SPD –, dass die Verfolgung und der Widerstand der Zeugen Jehovas endlich angemessen gewürdigt werden müssen. Das geplante Mahnmal tut dies. Es gibt Raum für das Gedenken an die Opfer und die Möglichkeit zur Information und Auseinandersetzung mit dem Schicksal der Zeugen Jehovas, nicht nur unter dem Regime der Nationalsozialisten, sondern auch in der Zeit danach.
Diese Einigkeit kam auch in der folgenden Anhörung im Ausschuss für Kultur und Medien zum Ausdruck, und so freue ich mich, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und den Linken, dass wir dieses Mahnmal heute gemeinsam beschließen werden.
Die Zeugen Jehovas wurden von den Nazis verfolgt und verboten, weil sie nicht aufhören wollten, Zeugen Jehovas zu sein. Sie hätten jederzeit die Möglichkeit gehabt, durch Aufgabe ihres Glaubens und den Stopp ihrer Aktivitäten, durch Einfügung in die nationalsozialistische Volksgemeinschaft, durch Ableistung von Wehrdienst und die Annahme des Führerprinzips jeglicher Verfolgung zu entrinnen. Aber sie taten es nicht. Das Beispiel der Zeugen Jehovas zeigt nicht nur, wie wichtig es für einen demokratischen und die Menschenrechte achtenden Staat ist, das Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu achten, sondern es zeigt auch, wie unerlässlich das Recht auf Religionsfreiheit und Religionsausübung ist – ganz egal, wo man selber in Fragen der Religion steht.
Der für das Mahnmal angedachte Standort im Tiergarten ist historisch; wir haben bereits davon gehört. Es soll entstehen, wo der Kraftfahrer und Zeuge Jehovas Ernst Varduhn einen Stuhlverleih hatte und wo Flugschriften gegen den Nationalsozialismus verteilt wurden. In der unmittelbaren Nachbarschaft sind bereits die Denkmäler für die ermordeten Juden Europas, die ermordeten Sinti und Roma, die verfolgten Homosexuellen und die Opfer der „Euthanasie“-Morde errichtet. Dort fügt sich das neue Mahnmal, meine ich, sehr gut ein.
Ebenfalls ist Berlin der richtige Standort dafür – in der ehemaligen Hauptstadt von Nazideutschland, aber auch der Hauptstadt eines wiedervereinigten Deutschlands, in dessen beiden Teilen – der ehemaligen BRD und der ehemaligen DDR – den Zeugen Jehovas auch nach dem Krieg sehr viel Unrecht angetan wurde. Diese Ausgrenzung und Verfolgung auch über so viele Jahre nach der Nazidiktatur macht uns deutlich, dass wir in der Auseinandersetzung mit den nationalsozialistischen Verbrechen und ihren Opfern weiterhin große Aufgaben anzugehen haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir, die Regierungsfraktionen, haben uns in unserem Koalitionsvertrag vorgenommen, auch die Opfer von Zwangssterilisation und der sogenannten Euthanasie offiziell anzuerkennen und uns mit deren leidvollen Schicksalen intensiver auseinanderzusetzen. Ich hoffe, wir schaffen das in einem gemeinsamen Antrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, den Linken und der Union. Denn ich meine und die SPD-Fraktion meint: Gerade im Bereich der Erinnerungspolitik wäre dies ein sehr wichtiges, ein wirklich wichtiges Zeichen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)
Als Nächstes erhält das Wort Dr. Götz Frömming für die AfD-Fraktion.
Beifall bei der AfD)