Meine sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Wir haben in Deutschland ein Problem mit Frauenfeindlichkeit. Wir haben in Deutschland ein Problem mit Queerfeindlichkeit. Wir haben ein Problem mit Menschenfeindlichkeit.
Wir sind zu Recht stolz auf unsere Verfassung; wir sind stolz auf unsere demokratische Kultur nach dem Nationalsozialismus. Aber mit der Idee, dass wirklich jeder Mensch eine Würde hat, dass wirklich jeder Mensch frei von Zuschreibungen, Stigmatisierungen und Diskriminierungen leben können sollte, tun wir uns im ganz alltäglichen, kleinen Umgang ab und zu noch immer erstaunlich schwer.
Ja, das merken wir!)
Letztes Jahr habe ich an dieser Stelle über Malte gesprochen, einen jungen Menschen, der auf dem CSD in Münster aus bloßer Menschenfeindlichkeit heraus getötet wurde. Ich wollte uns aufrütteln, uns verdeutlichen, dass queere Menschen wieder angefeindet werden, weil sie queer sind oder weil andere Menschen schlicht ihre Queerfeindlichkeit an ihnen entladen. Ich wollte mich gegen dieses Wegsehen stellen.
Kaum ein Wochenende vergeht gerade, ohne dass Angriffe auf CSD- Teilnehmer/-innen überall in Deutschland gemeldet werden. Queere Menschen gehen in Deutschland mit einem mulmigen Gefühl zu den CSD, weil Angriffe wieder die Regel geworden sind. Menschen haben Angst in diesem Land, weil Menschenfeindlichkeit einen festen Platz in dieser Gesellschaft hat.
Als demokratische Gesellschaft haben wir aber ein schwerwiegendes Problem, wenn bestimmte Gruppen aus schlichter Angst nicht mehr am Diskurs und am öffentlichen Leben teilnehmen wollen und können,
Woher kommt denn die Angst?)
wenn sich bestimmte Gruppen nicht mehr zeigen oder mit ihren Anliegen zu Wort melden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das dürfen wir niemals akzeptieren, und wir sollten das auch nie als gegeben ansehen.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP
Zuruf des Abg. Dr. Götz Frömming [AfD])
Jetzt sind wir ein Stück aktiv geworden, mit den Mitteln dieses Staates, um für Angstfreiheit zu kämpfen. Eine Kommission beim Bundesinnenministerium hat umfangreiche Vorschläge für die Sicherheitsbehörden erarbeitet, Vorschläge, um seit Jahrzehnten gewachsenes Misstrauen in der queeren Community abzubauen, Vorschläge zur effektiven Erfassung und Bekämpfung von queerfeindlichen Straftaten.
Dass sich die lnnenminister/-innenkonferenz so detailliert mit dem Thema beschäftigt, ist ein wichtiges, ein ermutigendes Signal. Ich kann von dieser Stelle aus alle Beteiligten im Bund und in den Ländern nur darin bestärken, dass sie diesen eingeschlagenen Weg auch weiter so mutig beschreiten. Wir alle haben ein Interesse daran, dass sich niemand in diesem Land aus Angst vom öffentlichen Leben entfernt.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Clara Bünger [DIE LINKE])
Lassen Sie mich jetzt sehr konkret über die Reform des § 46 Strafgesetzbuch sprechen. Im Gegensatz zu anderen Ländern kennt unser Strafrecht nicht den expliziten Tatbestand der Hasskriminalität; aber unser Rechtsstaat kennt die Möglichkeit, vor Gericht die Hintergründe und die Motive der Tat in das Urteil einzubinden. Eine Straftat ist eine Straftat; aber das Strafmaß richtet sich immer nach den Motiven, aus denen sie begangen wurde. Wenn also ein Mensch aus schlichtem Hass auf eine bestimmte Gruppe eine Straftat begeht, kann das Gericht diese Tat schärfer bestrafen.
Mit der heute zu beschließenden Reform nehmen wir hier explizit auch geschlechtsspezifische und gegen die sexuelle Orientierung gerichtete Tatmotive in den Gesetzestext auf. Wir sagen klar und deutlich: Wenn Menschen andere Menschen aus Hass oder Besitzdenken heraus angreifen, dann werden wir das niemals akzeptieren; wir werden es nicht als gegeben sehen.
Ich appelliere an Sie alle, liebe Kolleginnen und Kollegen: Die IMK-Beschlüsse und auch dieses Gesetz sind das eine. Sie sind wichtig und unerlässlich. Aber die Stigmatisierung, die Diskriminierung und die Menschenfeindlichkeit sind ein anderes gesellschaftliches Problem. Es entsteht im Gespräch, in den Kommentarspalten, auf der Straße und, ja, gerade auch zu Hause.
Also, halten wir alle jeden Tag aufs Neue dagegen und erinnern uns: Die Würde jedes einzelnen Menschen ist unantastbar!
Vielen Dank.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Dr. Volker Ullrich hat nun für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Beifall bei der CDU/CSU)