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Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen! Die Jugoslawienkriege waren, zumindest bisher, der blutigste Konflikt in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg:
200 000 Tote, unzählige Vertriebene und nationale Narben bis heute. Es fanden Kriegsverbrechen, oft in geplanter, intendierter Weise, statt. Die ursprüngliche
Aggression lässt sich durchaus bei der serbischen Führung ausmachen, wobei auch andere Ethnien Verbrechen begingen. So, meine Damen und Herren, kann es leider
aussehen, wenn ein Funken in ein allseits gepriesenes multikulturelles Paradies hineinfliegt.
Zurufe der Abg. Peter Beyer [CDU/CSU] und Ingmar Jung [CDU/CSU])
In ziemlicher Schockstarre standen damals die europäischen Akteure daneben, und erst im Zuge des Bosnienkrieges zeichnete sich die Gründung eines
konkreten internationalen Strafgerichts ab – einstimmig, aber legitimiert durch das höchste UN-Gremium, den Sicherheitsrat, und ohne Einspringen einer
Vetomacht.
Zuruf des Abg. Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU])
Damit konnte als sogenannte Ad-hoc-Maßnahme der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien eine breite Legitimation erfahren und
das Völkerstrafrecht in Dutzenden Fällen und Entscheidungen erheblich fortentwickelt werden. Bis heute stellt er in seiner Residualform nach der offiziellen
Beendigung wichtige Fakten und Vorarbeit zur Verfügung; denn die Aufarbeitung in den Nachfolgestaaten ist definitiv alles andere als beendet.
Hinzu kommt, dass der Strafgerichtshof sich nur auf Führungskader bezog. Das schien damals besonders wichtig und mag auch politisch etwas hergemacht
haben; zumal man bei den kleineren Staaten, die betroffen waren, dieser Personen auch realistischerweise habhaft werden konnte. Dazu kam auch noch, wie gesagt,
die unstrittige Unterstützung durch alle UN-Gremien.
Was ist aber unterhalb der Führungsebene oder der hohen Kommandoebene? Über die jahrelangen Kriegsentwicklungen – nicht jahrzehntelang, sondern zum
Glück nur jahrelang – gab es auf nahezu allen Seiten Verbrechen, die heute entweder nicht aufgeklärt sind oder sich komplett im Dunkelfeld bewegen. Die
Nachfolgestaaten arbeiten auch heute noch mit Staatsanwaltschaften sowie ebenfalls mit Sondergerichten an dieser kaum zu bewältigenden Aufgabe. Denn natürlich
müssen hier zum Beispiel Auslieferungen von mindestens einem ehemaligen Gegner an den anderen erfolgen. Das scheitert oft, und sei es an allen möglichen
diplomatischen Kapriolen.
Während der Internationale Strafgerichtshof für Ex-Jugoslawien aber immerhin eine gewisse Handlungsfähigkeit der UN damals bewies und auch Verfahren
ohne Ansehen der Zugehörigkeit zu Ethnien durchführte, so war der NATO-Einsatz im Frühjahr 1999 gegen Serbien ein kompletter Alleingang und offensichtlich
bündnispolitisch motiviert. Dem einige Jahre zuvor verfolgten Ansatz, eine umfassende Aufklärung neutral durchzuführen, folgte nun eine Demonstration der
militärischen Stärke, die angesichts des Kräfteverhältnisses kaum notwendig gewesen war.
Beifall bei der AfD)
Dies zeigt, anknüpfend an die heutige Lage, vor allem eines: Die Vereinten Nationen in ihrer jetzigen Form sind nur so lange etwas wert, wie nicht
mindestens eine Vetomacht in ihren Interessen verletzt wird oder sie das annimmt. Die meisten hier Anwesenden verschließen genau davor die Augen.
Prinzip der Gewaltlosigkeit, Verantwortung der Führungsebene – alles gut und schön. Aber den damals, in einem günstigen Moment errichteten
Strafgerichtshof für Ex-Jugoslawien nun dafür herzunehmen, dass mehr Tribunale auch immer besser sind, das ist schlichtweg naiv. Was ist mit dem eigentlichen,
allgemeinen Internationalen Strafgerichtshof? Der sollte nach allen Seiten hin befähigt werden, neutral zu ermitteln und mit nationalen Gerichten bei Bedarf und
auf Wunsch zusammenzuarbeiten. Bisher ist dieser aber von vielen auch sehr wichtigen Staaten gar nicht anerkannt. Das ist ein Trauerspiel und ermöglicht erst
Hinterhofpolitik, sei es von Ost, Fernost oder auch West.
Beifall bei der AfD)
Für die FDP-Fraktion hat das Wort Renata Alt.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)