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Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Deutschland ist ein Einwanderungsland. Ich sage das oft und wiederhole es auch heute,
weil es wichtig und richtig ist. Es hat viel zu lange gedauert, bis diese Tatsache anerkannt wurde, meine Damen und Herren.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Von den mehr als 83 Millionen Menschen, die in Deutschland leben, haben mehr als 10 Millionen keine deutsche Staatsangehörigkeit; das sind fast
13 Prozent. Mehr als die Hälfte von diesen Menschen lebt aber bereits seit mehr als zehn Jahren hier bei uns in Deutschland. Sie arbeiten hier. Sie zahlen
Steuern. Ihre Kinder gehen in die Kita oder zur Schule. Sie engagieren sich im Sportverein, haben einen Kleingarten, machen Wochenendausflüge. Kurzum: Sie sind
hier zu Hause. Und doch können sie ihr Zuhause, ihre Heimat nicht demokratisch mitgestalten. Sie können nicht mitbestimmen, wer im Landtag oder im Bundestag
sitzt. Sie können sich nicht aktiv einbringen, indem sie für öffentliche Ämter kandidieren.
Das hat Konsequenzen. Wenn ein Teil der Bevölkerung sich nicht an politischen Entscheidungsprozessen beteiligen kann und keinen Zugang zu öffentlichen
Ämtern hat, dann ist das nicht gut für unsere Demokratie, meine Damen und Herren.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Leon Eckert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Denn wer nicht mitbestimmen darf, verliert irgendwann auch das Interesse daran, mitzumachen. Unsere Demokratie lebt aber davon, dass alle mitmachen.
Unsere Demokratie braucht Menschen, die sich für sie einsetzen und für ihre Werte kämpfen, meine Damen und Herren.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Leon Eckert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Fakt ist, dass sich derzeit nur ein Bruchteil der Einbürgerungsberechtigten tatsächlich einbürgern lässt. Im europäischen Vergleich liegen wir dabei
deutlich hinter unseren Nachbarländern: Während im EU-Schnitt die Einbürgerungsrate bei 2 Prozent liegt, liegt sie in Deutschland nur bei 1,3 Prozent.
Woran liegt das? Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern verlangen wir von den Menschen, sich für eine Staatsangehörigkeit zu entscheiden. Diese
Entscheidung ist aber gar nicht so einfach, wenn man seine Wurzeln in einem anderen Land hat und gleichzeitig eine neue Heimat in Deutschland gefunden hat. Es
ist deshalb höchste Zeit, meine Damen und Herren, dass Deutschland auf der Höhe der Zeit ankommt und Mehrstaatigkeit akzeptiert, wie die überwiegende Zahl der
anderen EU-Mitgliedstaaten übrigens auch.
Beifall bei der SPD und der FDP sowie des Abg. Leon Eckert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich will betonen: Das hat auch Vorteile für Deutsche, die eine zusätzliche Staatsangehörigkeit im Ausland erwerben möchten. Denn ihre deutsche
Staatsangehörigkeit kann dann ohne aufwändiges Verfahren ganz regulär beibehalten werden. Das ist also auch ein echter Vorteil für Menschen mit deutschem
Pass.
Mit dem neuen Staatsangehörigkeitsrecht schaffen wir Anreize für Integration, statt Hürden aufzubauen und lange Wartezeiten zu verlangen. Wer in
Deutschland ein qualifiziertes Aufenthaltsrecht hat, soll künftig schon nach fünf Jahren eingebürgert werden können, statt wie bisher acht Jahre warten zu
müssen. Und das, meine Damen und Herren, ist auch in einem großen Teil der EU-Staaten der Fall.
Ich möchte ein Land nennen, das uns sehr nah ist und mit dem wir international sehr viel zusammenarbeiten, ich gerade auch in der internationalen
Migrationspolitik: Frankreich. Dort sind es schon lange fünf Jahre, nach denen man sich einbürgern lassen kann. Und ich will ein weiteres Land nennen, mit dem
wir auch auf europäischer Ebene viel zusammenarbeiten. Polen – meine Damen und Herren, es wird Sie überraschen – verlangt nur drei Jahre, bevor man eingebürgert
werden kann. Vielleicht sehen Sie, dass wir uns mit dem neuen Gesetz der Realität anpassen und hier nichts so wahnsinnig Außergewöhnliches machen.
Beifall bei der SPD und der FDP sowie des Abg. Leon Eckert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wer besonders gut integriert ist, kann diesen Zeitraum, so unsere Pläne, sogar auf bis zu drei Jahre verkürzen. Das sind dann Menschen, die zum
Beispiel sehr gut Deutsch sprechen, in der Schule oder im Beruf herausragende Leistungen erbringen oder – ein ganz wichtiger Faktor – sich ehrenamtlich stark
für unsere Gesellschaft einbringen. Dann soll diese verkürzte Einbürgerungszeit gelten. Ich finde, das ist ein angemessenes Dankeschön, wenn man sich so stark
in die Gesellschaft einbringt.
Beifall bei der SPD und der FDP sowie des Abg. Leon Eckert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Und nur mal so, falls Sie die drei Jahre stören, von denen ich spreche – ich spreche da insbesondere die CDU/CSU an –: In Frankreich geht das bereits
nach zwei Jahren.
Ist das jetzt grundsätzlich Ihr Vorbild?)
Auch alle in Deutschland geborenen Kinder ausländischer Eltern sollen künftig vorbehaltlos die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten, wenn mindestens
ein Elternteil seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig in Deutschland lebt und ein unbefristetes Aufenthaltsverhältnis besitzt. Damit sorgen wir für Integration
von Anfang an. Denn wir wissen aus vielen Studien doch längst: Je früher Kinder und Jugendliche mit Einwanderungsgeschichte die deutsche Staatsbürgerschaft
erhalten, desto besser sind ihre Bildungschancen. Und wir wollen doch wohl alle, dass alle Kinder, egal wo sie herkommen, die gleichen Bildungschancen in
unserem Land erhalten.
Beifall bei der SPD und der FDP sowie des Abg. Leon Eckert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Durch die Zulassung von Mehrstaatigkeit können sie außerdem die Staatsangehörigkeiten ihrer Eltern dauerhaft behalten. Sie müssen sich nicht mehr für
oder gegen einen Teil ihrer Identität entscheiden. Das ist aus meiner Sicht ein wichtiger Schritt für ein modernes Deutschland.
Besonders wichtig ist mir, dass wir im neuen Staatsangehörigkeitsrecht auch die Lebensleistung der Gastarbeitergeneration anerkennen.
Meine Damen und Herren, Max Frisch hat einmal gesagt: „Wir riefen Arbeitskräfte, und es kamen Menschen.“ Diese Menschen sind in den 50er- und
60er-Jahren unter anderem aus Italien, Spanien, Griechenland oder der Türkei nach Deutschland gekommen, und sie haben damals kein Integrationsangebot erhalten;
das müssen wir, glaube ich, sehr selbstkritisch festhalten. Deshalb werden wir ihnen die Einbürgerung erleichtern. Denn sie haben in ihrem Leben für unser Land
Herausragendes geleistet, und sie sind dafür verantwortlich, dass wir heute den Wohlstand haben, den wir haben. Das wollen wir mit dem neuen Gesetz auch
anerkennen, meine Damen und Herren.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Bei allen notwendigen Erleichterungen müssen diejenigen, die die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben wollen, natürlich bestimmte Bedingungen
erfüllen:
Erstens. Wer in Deutschland eingebürgert werden will, muss wirtschaftlich integriert sein. Das ist übrigens jetzt schon so, und das bleibt auch so.
Davon ausgenommen werden – das habe ich gerade schon gesagt – die Generation der Gastarbeiter, die hier sehr vieles geleistet haben, und die Vertragsarbeiter,
die in der ehemaligen DDR Herausragendes geleistet haben. Auch die wollen wir nicht vergessen an dieser Stelle, ebenso wenig diejenigen, die Vollzeit arbeiten
und deren Lohn nicht zum Leben reicht. Wer sich anstrengt, soll nicht auf der Strecke bleiben. Das ist auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Zweitens. Wer in Deutschland eingebürgert werden will, muss sich zu den Werten unserer freiheitlichen Gesellschaft bekennen. Dazu gehören insbesondere
die Würde und die Gleichheit der Menschen. Wer diese Werte nicht teilt oder wer ihnen sogar zuwiderhandelt, kann nicht deutscher Staatsangehöriger werden. Denn
das gilt in allen Bereichen unseres Zusammenlebens: Auf jegliche Form von Menschenverachtung kann unsere Antwort nur sein: null Toleranz, auch im
Staatsangehörigkeitsrecht.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Es gibt einen weiteren sehr guten Grund für ein neues Staatsangehörigkeitsrecht: Für unseren Wohlstand als gesamte Gesellschaft ist es existenziell,
dass mehr Fachkräfte aus dem Ausland zu uns kommen und hier arbeiten. Ja, wir wollen auch die Arbeitsfähigkeit Jugendlicher, die keinen Schulabschluss oder
Berufsabschluss haben, ertüchtigen. Und ja, wir wollen auch die Frauenerwerbsquote steigern. Aber das wird insgesamt nicht reichen. Deswegen brauchen wir
zwingend qualifizierte Arbeitskräfte auch aus dem Ausland, um unseren Wohlstand hier zu sichern.
Unsere aktuellen Regelungen sind viel zu bürokratisch, und Menschen stehen vor hohen Hürden, wenn sie bei uns einwandern wollen. Ich möchte noch mal
darauf hinweisen, dass es in den klassischen Einwanderungsländern wie Kanada, Australien oder den USA selbstverständlich ist, dass die Menschen dort einwandern,
weil sie eine Perspektive auf den Erwerb der Staatsangehörigkeit haben. Und das wollen wir auch, damit es wieder attraktiv wird, nach Deutschland einzuwandern
und hier zu arbeiten und zu leben.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Denn die Menschen wollen mitgestalten können, wenn sie ihr Herkunftsland verlassen und zu neuen Ufern aufbrechen. Das kann man ihnen auch nicht
verdenken. Deshalb wollen wir es gut integrierten und gut qualifizierten Menschen ermöglichen, auch die deutsche Staatsangehörigkeit zu erwerben. Denn beides,
Fachkräfteeinwanderung und ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht, geht nur zusammen.
Meine Damen und Herren, mit dem neuen Staatsangehörigkeitsrecht zeigen wir Respekt und Anerkennung für alle, die seit Jahrzehnten unser Land stark
machen und voranbringen. Das ist ein echtes Fortschrittsprojekt dieser Bundesregierung, und ich bedanke mich ganz herzlich bei den Fraktionen von SPD,
Bündnis 90/Die Grünen und FDP für die Unterstützung dieses modernen Fortschrittsprojektes.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Die nächste Rednerin ist Andrea Lindholz für die CDU/CSU-Fraktion.
Beifall bei der CDU/CSU)