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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister Heil! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Etwas über die Hälfte der Beschäftigten
in Deutschland arbeitet derzeit in tarifgebundenen Betrieben. Ich finde: Das ist zu wenig. Da sind wir uns auch mit den Linken einig.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Nachteile mangelnder Tarifbindung für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sind bekannt: niedrigere Löhne, längere Arbeitszeiten, weniger
Weiterbildung und weniger Qualifizierung. Im Jahr 2021 lag die Wochenarbeitszeit in nicht tarifgebundenen Betrieben bei 39,5 Stunden. Die Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer arbeiteten fast eine Stunde länger als ihre Kolleginnen und Kollegen in tarifgebundenen Betrieben. Und ähnlich sieht es beim Entgelt aus. Hier
klafft eine Lücke von mehreren Hundert Euro zwischen tariflosen und tarifgebundenen Betrieben. Nach Daten des IAB, Institut für Arbeitsmarkt- und
Berufsforschung, verdienten Vollzeitbeschäftigte im Jahr 2021 durchschnittlich 3 320 Euro brutto in nicht tarifgebundenen Betrieben gegenüber 4 070 Euro in
Betrieben mit Tarifbindung.
Das sind 750 Euro mehr! Ich meine: viel Geld.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Aber nicht nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern entstehen durch die fehlende Tarifbindung Nachteile. Nein, auch Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber
leiden unter mangelnder Kaufkraft und fehlender Attraktivität auf der Suche nach so dringend gebrauchten Fachkräften. Tarifflucht, meine Damen und Herren, darf
kein Zukunftsmodell mehr sein, vor allem nicht bei den Herausforderungen der Transformation, die wir heute zu bewältigen haben. Wir müssen ökologische
Entwicklungen mit sozialverträglichen Forderungen in Einklang bringen, und das auch auf europäischer Ebene. Das ist keine leichte Aufgabe, für niemanden.
Im Koalitionsvertrag haben wir deshalb auch Verabredungen zur Stärkung des Tarifsystems auf europäischer Ebene getroffen. So unterstützen wir den
Vorschlag der EU-Kommission für angemessene und armutsfeste Mindestlöhne. Erst am Dienstag forderte Olaf Scholz auf dem Kongress des Europäischen
Gewerkschaftsbundes dazu ein neues Europa-Tempo. Im Zusammenhang mit gerechten Löhnen möchte ich noch mal auf die Entwicklung des gesetzlichen Mindestlohnes in
Deutschland hinweisen. Nach dem Sprung auf 12 Euro im Oktober 2022 bin ich sicher, dass die Mindestlohnkommission am 30. Juni einen fairen Vorschlag
unterbreiten wird, der die gestiegene Inflation mit berücksichtigt. Und wir haben weitere Maßnahmen zur Stärkung der Löhne und zur Förderung guter
Arbeitsbedingungen vereinbart. Insbesondere wollen wir ein Recht für die Gewerkschaften auf digitalen Zugang in die Betriebe.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Zudem werden wir Betriebsausgliederungen verhindern, bei denen Unternehmenseigner ihre Identität verschleiern – einzig zu dem Zweck, Tarifflucht zu
begehen. Meine Damen und Herren, es gibt inzwischen Betriebe, bei denen die ausgegliederten Unternehmensteile im Drei-Wochen-Takt ihre Zugehörigkeit wechseln
und bei denen kaum noch zu erkennen ist, wem sie gehören, wer dafür verantwortlich ist und ob es sich überhaupt noch um ein Unternehmen handelt.
Das ist eine schöne Tatsachenbeschreibung! Aber was passiert jetzt?)
Keiner darf vor seiner unternehmerischen Verantwortung wegrennen; diese Blitzwechsel gehören beendet.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Frank Bsirske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Damit komme ich zu einem wichtigen Vorhaben in dieser Legislaturperiode, der Förderung der Tarifbindung durch die Einführung einer Tariftreue auf
Bundesebene. Öffentliche Aufträge des Bundes dürfen nur noch dann an Unternehmen gehen, wenn sie nach Tarif bezahlen. Dazu werden wir noch im Sommer das
Bundestariftreuegesetz auf den Weg bringen, das dann ab Januar nächsten Jahres in Kraft treten soll. Der EU-konforme Schutzgedanke und seine Durchsetzung
mittels Kontrollen und Sanktionen wird dabei entscheidend sein. Ich freue mich jetzt schon auf den Referentenentwurf und die damit verbundene Diskussion mit
Ihnen, meine Damen und Herren.
Und natürlich, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken: Wir sind bei vielen Punkten durchaus beieinander, und auf meiner persönlichen Wunschliste
stehen Themen, die Sie in Ihrem Aktionsplan ebenfalls nennen, wie etwa eine Erleichterung der Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen. Je mehr
Beschäftigte von Flächentarifverträgen profitieren, desto besser. Ja, selbstverständlich befürworte ich das.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)
Die Untersagung von Mitgliedschaften ohne Tarifbindung in Arbeitgeberverbänden: Die sogenannten OT-Mitgliedschaften gehören abgeschafft – keine
Frage.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)
Verbandswechsel, etwa während einer Tarifauseinandersetzung, darf es nicht geben.
Aber lassen Sie uns jetzt erst mal das Bundestariftreuegesetz gut auf den Weg bringen. Davon verspreche ich mir einen großen Schritt nach vorne.
Herzlichen Dank. Glück auf!
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Maximilian Mörseburg das Wort.
Beifall bei der CDU/CSU)