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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Bei der Ratifizierung des Direktwahlaktes von 2018 geht
es um die Wiedereinführung einer Prozenthürde für die Europawahl. Heute können wir hier endlich einen Schritt vorankommen.
Bei der Europawahl 2019 wurden aus Deutschland Abgeordnete aus 14 Parteien ins Europäische Parlament gewählt.
– Warten Sie kurz, Herr Ulrich; ich erkläre es Ihnen in aller Breite. – Die Ursache war, dass die Prozenthürde, wie sie in Deutschland bei Wahlen
üblich ist, vom Bundesverfassungsgericht gekippt wurde. Und was ist passiert? Ohne Prozenthürde stehen von den 96 deutschen Abgeordneten im Europäischen
Parlament 9 Abgeordnete aus Kleinstparteien allein auf weiter Flur als Einzelkämpfer in einem Parlament mit 705 Mitgliedern.
9 Abgeordnete, das entspricht knapp 10 Prozent der deutschen Stimmen. 10 Prozent unseres Einflusses und eines möglichen Einflusses der Wählerinnen und
Wähler im Europäischen Parlament verpuffen völlig wirkungslos.
Trotz der Tatsache, wie erbittert andere Staaten bei der Sitzverteilung um jedes einzelne Mandat kämpfen, dass bei uns immer wieder angeführt wird,
dass 84 Millionen Deutsche mit 96 Abgeordneten unterrepräsentiert seien, verzichten wir dann einfach so auf 10 Prozent unserer Stimmen, weil wir keine
Prozenthürde haben.
Erlauben Sie eine Zwischenfrage vom Kollegen Ulrich?
Noch nicht. Er wird gleich erfahren, was ich ihm sagen will.
Lachen bei Abgeordneten der LINKEN)
Das mit dem Verpuffen ist übrigens gar nicht persönlich gemeint. Auch in den kleinen Parteien gibt es kluge Köpfe. Aber die Einzelkämpfer aus großen
Ländern haben in einem Parlament mit starken Fraktionen einfach keine Chance. – Jetzt, Herr Ulrich, glaube ich, habe ich die Frage beantwortet, die Sie stellen
wollten.
Warum ist das so? Wer ohne Fraktion bleibt, kann ab und zu durch schrille Auftritte Aufmerksamkeit erzeugen. Wir kennen das auch aus unserem Hohen
Haus. Der Sache ist das selten dienlich. Von den 9 Einzelvertretern haben sich immerhin 6 Abgeordnete – keine 8 – einer Fraktion angeschlossen. 4 Abgeordnete
waren sogar so verzweifelt, dass sie in die Fraktion der Grünen gegangen sind.
Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Aber selbst in dieser so basisdemokratischen Partei bekommen die Einzelvertreter keine Chance, keine einzige herausgehobene Position. Keine Position
ging an einen dieser Abgeordneten, weder innerhalb der Fraktion, im Fraktionsvorstand, als Fraktionsvorsitzende, als stellvertretende Fraktionsvorsitzende, auch
nicht im 20-köpfigen Parlamentspräsidium, und auch in den Ausschüssen gibt es keinen einzigen dieser Abgeordneten, der einen Ausschussvorsitz bekommen würde,
und davon gibt es im Europäischen Parlament immerhin 31.
Es spielt eben auch in den Fraktionen eine Rolle, ob man Einzelkämpfer ist oder ob man einer größeren Partei angehört, und deshalb, meine Damen und
Herren, ist es wichtig, für die Europawahl 2024 wieder eine Prozenthürde einzuführen.
Beifall bei der CDU/CSU)
Das Bundesverfassungsgericht hat 2014 den Weg dazu aufgezeigt und eine europäische Regelung gefordert. Diese Regelung ist auf Betreiben der deutschen
Bundesregierung im Juli 2018 im Ministerrat beschlossen worden, vor fast fünf Jahren. Seit fünf Jahren blockieren die Grünen die Umsetzung. Das haben Sie
offenbar den Kleinstparteimitgliedern Ihrer Fraktion im Europäischen Parlament versprochen. 24 europäische Staaten haben das Gesetz schnell ratifiziert.
Deutschland ist Schlusslicht gemeinsam mit Spanien und Zypern.
Sie werfen der FDP beim Gebäudeenergiegesetz vor, dass sie sich nicht an Absprachen aus dem Koalitionsvertrag halten würde, dass sie verzögern würde.
Sogar von Wortbruch war da die Rede, von Blockadehaltung, von Arbeitsverweigerung. Liebe Vertreter der Grünen, Sie machen in diesem Fall genau dasselbe:
Wortbruch, Blockadehaltung, Arbeitsverweigerung.
Beifall bei der CDU/CSU
Jetzt haben Sie gemerkt, dass es mit der Blockade nicht mehr lange klappen wird, und haben Ihre Taktik verändert. Statt Blockade heißt es nun
Verzögern. Sie erklären hier, dass Sie den Direktwahlakt von 2018 zwar ratifizieren, ihn aber nicht mehr umsetzen wollen. Frühester Termin: Europawahl 2029, elf
Jahre nach dem Beschluss.
Zuruf des Abg. Jörg Nürnberger [SPD])
Sie brauchen ernsthaft elf Jahre, um eine Regelung umzusetzen, die auf eine DIN-A4-Seite passt.
Sie haben in 16 Jahren noch sehr viel weniger geschafft!)
Wir haben Sie mehrfach dazu eingeladen und aufgefordert, dem zuzustimmen. Das liegt alles schriftlich vor.
Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU], an BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gewandt: Sie haben es abgelehnt!)
Wir haben es auch hier in diesen Reden schon erwähnt: Sie haben blockiert, Sie wollten das nicht, und jetzt wollen Sie es auf das Jahr 2029
verzögern.
In Brüssel spricht man von „German Vote“, wenn man eine Enthaltung meint, von „Scholzing“, wenn einer großen Ankündigung erst mal viele Ausreden
folgen, und künftig vermutlich von „Deutschlandtempo“, wenn einfache Regelungen elf Jahre brauchen, um sie umzusetzen.
Beifall bei der CDU/CSU
Wir als Union halten uns als Europapartei an Beschlüsse, die wir im Ministerrat getroffen haben. Sie brauchen uns für die Zweidrittelmehrheit: Kein
Problem, wir stehen bereit. Sie wollen das Gesetz umsetzen: Wir haben sogar schon den Text formuliert. – Sie haben den Gesetzentwurf in der gefüllten Schublade
mit allen Anträgen, die Sie eigentlich gut finden, aber hier ablehnen müssen; darin liegt dieser Gesetzentwurf auch. Falls Sie ihn nicht mehr finden: Ich habe
ihn hier dabei. Das wäre das Gesetz zur Umsetzung.
Der Redner hält ein Papier hoch)
Sie sehen: denkbar knapp und kein Grund, dafür elf Jahre zu warten.
Beifall bei der CDU/CSU)
Absurd war übrigens auch die Diskussion im Ausschuss. Die SPD begrüßt die Einführung einer Prozenthürde. Die FDP, wie auch heute gehört, begrüßt die
Einführung einer Prozenthürde. Selbst die Grünen begrüßen die Einführung einer Prozenthürde.
Wir im Europaausschuss sind sehr freundliche Leute und grüßen, wo wir nur können. Wir würden auch sehr begrüßen, wenn Ihren Begrüßungen nun endlich
auch Taten folgen würden, wenn Sie statt Grußworten dieses Gesetz umsetzten,
Beifall bei der CDU/CSU)
eine 2-Prozent-Hürde für die Europawahl 2024.
Beifall bei der CDU/CSU)
Sie ahnen es schon: Der Kollege Ulrich erhält jetzt das Wort für eine Kurzintervention.