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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach zwölf Wortbeiträgen versuche ich einfach, das Wichtige noch mal zu betonen.
Heiterkeit des Abg. Helge Lindh [SPD])
Die Rückgabe der ersten Benin-Bronzen wurde jetzt erstmalig in einer sehr breiten Öffentlichkeit diskutiert. Über die Rückgabe von Kulturgütern macht
man sich mehr Gedanken; es geht über den eigentlichen Fachbereich, der schon lange diskutiert hat, hinaus.
Es geht um Kulturgüter, die von Kolonialmächten den eigentlichen Eigentümern geraubt und geklaut worden sind.
Diese Bronzen wurden im 19. Jahrhundert von britischen Truppen aus dem Königreich Benin, dem heutigen Nigeria, unter gewaltsamen Umständen geraubt und
in verschiedene Länder, darunter Deutschland, gebracht.
Da sie Teil des kulturellen Erbes des Landes sind und dort einen großen historischen und kulturellen Wert haben, ist die Rückgabe an die Nachfahren
bzw. Staaten aus meiner festen Überzeugung heraus richtig.
Ich denke, es ist an der Zeit, dass wir uns dieser Debatte stellen und eine Lösung finden, die sowohl gerecht als auch verantwortungsvoll ist. Und wir
müssen uns ernsthaft fragen, ob es ethisch vertretbar ist, Kunstwerke, die auf unrechtmäßige Weise erbeutet worden sind, weiterhin zu besitzen und auszustellen.
Und es stellt sich da auch die Frage, wie bei Ausstellungen in Deutschland verhindert werden kann, dass unser eurozentrierter Blick prägend ist für eine
Ausstellung. Wir sind als Gesellschaft verpflichtet, die Fehler unserer Vergangenheit anzuerkennen und zu korrigieren – da, wo es möglich ist. Und mit der
Rückgabe ist es möglich. Wir sind einen wichtigen Schritt in diese Richtung gegangen, der auch dazu beiträgt, das Vertrauen zwischen unseren Ländern zu stärken.
Natürlich müssen wir dabei sicherstellen, dass Kunstwerke auch angemessen geschützt und erhalten werden können, und bieten da – und das ist das Zentrale – in
Kooperation Unterstützung an.
Im vergangenen Dezember hat Außenministerin Baerbock in Begleitung einer politischen Delegation aus Abgeordneten von Regierungsfraktionen und
Opposition die ersten Bronzen in Nigeria übergeben, und die Rückgabe war nicht an Bedingungen geknüpft. Die Bundesregierung hält diese Entscheidung nach wie vor
für richtig.
Aktuell gibt es maximal Hinweise darauf, dass die Bronzen nicht öffentlich ausgestellt werden können. Es ist aber eine Entscheidung des souveränen
Staates Nigeria, wo die Kunstwerke verbleiben und wie sie der Bevölkerung zugänglich gemacht werden können.
Nein! Den Staat gibt es nicht! Das ist eine Clanherrschaft!)
Kunst, Kultur, Geschichte erfahren bzw. sie sehen zu können und Zugang zu haben, stiftet Identität, gibt Eindrücke und Einblicke, und nach meiner
festen Überzeugung fördert es auch das Verständnis und das Miteinander. Eine Ausstellung kann dafür die richtige Plattform sein.
Zuruf von der AfD: Wir werden ja sehen!)
Es ist aus meiner Sicht unangebracht, zu vermuten, dass die Bronzen auf Nimmerwiedersehen verschwinden werden.
Zudem müssen wir die Vergangenheitsbewältigung in den Blick nehmen. Es gilt, die Souveränität Nigerias zu schätzen und zu berücksichtigen, und das
bezieht sich auch auf den Umgang mit den Bronzen.
Im Namen meiner Fraktion möchte ich zudem einige Punkte zur postkolonialen Erinnerungskultur ansprechen. Wir glauben daran, dass es an der Zeit ist,
einen veränderten Umgang mit kolonial belasteten Kulturgütern in Museen zu fördern. Das bedeutet, dass wir uns bei den Rückgaben an die Herkunftsgesellschaften
in eine vertiefte internationale Kooperation begeben. Wir wollen unter anderem, dass die Arbeit des Humboldt Forums in Berlin Maßstäbe setzt und ein Beispiel
gibt, und zwar ein Beispiel, das kontinuierlich weiterentwickelt werden muss.
Bei der Rückgabe geht es nicht nur um die Rückgabe von Objekten, sondern es geht um den Dialog mit den Herkunftsgesellschaften, und es geht auch
darum, eine ressortübergreifende internationale Kooperation zu erreichen.
Das müsste Frau Bär hören, aber sie ist schon gegangen!)
Wir unterstützen insbesondere die Rückgabe von Kulturgütern und möchten damit auch einen Beitrag zur Aufarbeitung unserer kolonialen Vergangenheit
leisten, die zwingend notwendig ist. Unser Ziel ist es, eine gerechte Zukunft mit den ehemals kolonialisierten Ländern und Gesellschaften zu gestalten. Dazu ist
es notwendig, den Kultur-, Bildungs- und Wissenschaftsaustausch voranzutreiben.
Wir möchten den internationalen Austausch und den Dialog fördern und eine kooperative Forschung stärken. Seit 2019 gibt es Eckpunkte zum Umgang mit
Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten, seit 2020 eine zentrale Anlaufstelle.
Es gibt eine Digitalisierungsstrategie, die uns helfen wird, diese Ziele zu erreichen; denn wir wissen, dass es in unseren Museen noch zahlreiche
Objekte gibt, die bisher weder ausgestellt noch gar systematisch erfasst worden sind.
Ich komme zum Schluss. Ich glaube, dass wir durch die Erinnerungskultur dazu beitragen können, dass wir uns besser verstehen, über Grenzen hinweg. Mit
Verlaub, liebe Kolleginnen und Kollegen, von einem „Schnell, schnell“ oder einer überstürzten Rückgabe kann Jahrzehnte nach Ende der Kolonialzeit nun wahrlich
keine Rede sein.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)