Tagesordnungspunkt:
a) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 7. Februar
2020 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Angola über den Luftverkehr
b) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom
27. Januar 2021 über die Internationale Organisation für Navigationshilfen in der Schifffahrt
c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Digitales zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU: Antragsstopp bei der
Breitbandförderung sofort beenden
d)–q) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 325, 326, 327, 328, 329, 330, 331, 332, 333, 334, 335, 336,
337 und 338 zu Petitionen
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Beifall:
6
Moin, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Seit nunmehr 33 Jahren ist die Deutsche Demokratische Republik
Geschichte. Viele Menschen hatten sich seinerzeit mit dem SED-Regime arrangiert und lebten ein weitestgehend normales Leben – soweit man ein Leben in Unfreiheit
„normal“ nennen kann.
Meine Damen und Herren, ich bin selbst in Brandenburg geboren und in Sachsen-Anhalt aufgewachsen. In jeder Familie meiner Mitschüler gab es nach der
Wende Arbeitslosigkeit – in ausnahmslos jeder! Das verklärt aber für viele Menschen den Blick auf die Zeit davor. Für viele Menschen im Osten war das Leben in
der DDR gefühlt die bessere Zeit, besser als das Leben nach der Wende, der folgenden Arbeitslosigkeit und vor allem der Entwertung ihrer Lebensleistung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Bürgerinnen und Bürger, im vermeintlichen Arbeiter-und-Bauern-Staat regierte eine kommunistische Elite unter
Anwendung von persönlichem Druck, Unrecht, Inhaftierungen, Verbannungen und Folter. Immer wieder sind Schicksale von Opfern auch Thema bei uns im
Petitionsausschuss. Viele Menschen wurden drangsaliert und politisch verfolgt. Und viele haben Druck mit der Frage bekommen: „Sie wollen doch sicherlich, dass
ihr Kind studieren kann, oder?“
Menschen konnten nicht frei leben, ihr persönliches und berufliches Leben nicht frei gestalten. Für viele Menschen im Osten hatte das weitreichende
Folgen für ihr Leben nach der Wende. Von der Arbeitslosigkeit habe ich gerade schon berichtet. Aber viele, die nicht arbeitslos wurden, konnten trotzdem nie das
berufliche Leben führen, das sie sich gewünscht oder auf das sie gar hingearbeitet haben. Für die Betroffenen fühlte sich das schlimm an, und das tut es noch
immer. Tausendfach wurden Lebenspläne und Lebensleistungen schlicht entwertet, so auch im Falle von Frau W.
Frau W. wollte Lehrerin werden; doch eine regimekritische Lehrerin wollte man nicht. Frau W. hat nämlich das Blauhemd abgelehnt. Das war das sichtbare
Symbol der sogenannten Freien Deutschen Jugend, also der gleichgeschalteten Jugendorganisation der DDR. Hier sollten junge Menschen zu klassenbewussten
Sozialisten erzogen werden. Doch wer das Blauhemd abgelegt oder abgelehnt hat, dem traute man nicht zu, Kinder zu guten, zu sozialistischen Kindern und
Erwachsenen zu erziehen. Das heißt, eine angestrebte Laufbahn in der Schule blieb Frau W. verwehrt. Die Petentin wurde Laborantin, natürlich mit einem deutlich
geringeren Gehalt.
Wir haben nach der Wende Rehabilitierungsinstrumente geschaffen, um dieses erlittene Unrecht ein Stück weit auszugleichen. Das ist gut so; denn das
ist eine Frage von Menschlichkeit und Gerechtigkeit, liebe Kolleginnen und Kollegen. Dennoch gibt es Lücken. Denn weniger Einkommen ein Leben lang hat zur
Folge, dass zum Beispiel die Rente geringer wird.
Außer der Rente erhält sie Leistungen von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, und bis zu einem bestimmten Punkt werden Frau W. die
Leistungen der Versorgungsanstalt auch tarifrechtlich garantiert. Das ist prinzipiell wirklich eine gute Lösung. Aber das heißt umgekehrt: Alles, was darüber
liegt, wird verrechnet. Das heißt, sie hat davon nichts.
Was bedeutet das für einen Menschen, der in der DDR verfolgt wurde? Das ist ein Schlag ins Gesicht. Frau W. hat hart für eine möglichst gute Rente
gearbeitet, sie bekommt auch Nachteilsausgleich – eigentlich. Nun fallen Leistungen, die einem Menschen zustehen und die erlittenes Unrecht ausgleichen sollen,
auf einmal praktisch weg. Viele Opfer der DDR schreiben dem Petitionsausschuss. Frau W. hat das immer wieder getan. Sie blieb hartnäckig. Für die SPD darf ich
diese Fälle begleiten. Jedes dieser Schicksale geht mir nahe.
Nicht immer – so ehrlich müssen wir sein – können wir das Anliegen auch unterstützen. Direkte Abhilfe können wir als Petitionsausschuss leider auch
nicht leisten. Aber wir können dem Anliegen der Petenten Gehör verschaffen. Wir können von Bundes- und Landesregierungen Lösungen einfordern. Im Falle von Frau
W. war sich der Petitionsausschuss über die Fraktionsgrenzen hinweg einig: Erstens. Das ist eine Ungerechtigkeit. Zweitens. Wir sehen Handlungsbedarf. Im
Übrigen sieht das auch die SED-Opferbeauftragte Frau Evelyn Zupke so. An dieser Stelle noch mal vielen Dank für die hervorragende Zuarbeit.
Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Ich komme zum Schluss. – Frau W. ist vielleicht auch kein Härtefall im klassischen Sinne, doch Ungerechtigkeit bleibt Ungerechtigkeit.
Dem Petitionsausschuss war Folgendes wichtig: Zum einen wollen wir der Petentin möglichst praktisch helfen; die zuständigen Ministerien fordern wir
deswegen auf, sich die Härtefalllösung anzuschauen. Zum anderen war uns wichtig, über den Einzelfall hinaus auf die geschilderte Problematik hinzuweisen.
Manchmal ist nämlich das, was Recht ist, noch lange nicht gerecht.
Deswegen ist klar, dass wir uns als Ampelkoalition darauf verständigt haben, das Rehabilitierungsgesetz zu reformieren und es gerechter zu machen.
Kommen Sie bitte jetzt zum Schluss.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das wird auch allerhöchste Zeit.
Liebe Frau W., viele Grüße und ganz herzlichen Dank für Ihre Petition.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)