Zwischenrufe:
13
Beifall:
5
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Migrationsdebatte wird bei uns in Deutschland leider oft sehr polarisierend geführt, manchmal sehr reflexhaft und manchmal leider auch mit einem sehr giftigen Ton in der Stimme. Ich will der Union jetzt nicht vorwerfen, dass sie die Polarisierung zum Ziel der Debatte hat, aber man muss das immer im Kopf haben.
Ich finde es gut, dass Sie darauf hinweisen, Frau Lindholz, dass wir die Debatte pragmatisch und voller Respekt führen sollten. Ich will Ihnen aber auch sagen: Ich fand diese Schuldzuweisungen an die Regierung, man nehme die Kommunen nicht ernst, der Bund tue nichts, man gebe kein Geld an die Kommunen, sehr pauschal, reflexhaft und auch nicht zutreffend.
Schauen wir es uns einmal an: Sie hatten Ihren Gipfel mit den Landräten im März. Die Innenministerin hat am 16. Februar erstmals mit Ländern und Gemeinden, mit den kommunalen Verbänden einen Gipfel durchgeführt. Das ist doch genau das, was Sie eigentlich wollen.
Nein! Beim Bundeskanzler wollten wir das!)
Das ist auch das, was richtig ist, nämlich dass wir zusammen mit den Kommunen gemeinsam diskutieren, welche Plattformen, welche Gesprächsebenen auf Dauer notwendig sind, um die kommunalen Belange einfließen zu lassen. Und das geschieht ja auch schon.
Entschuldigung, Herr Thomae, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung vom Kollegen Hoffmann?
Ja, Herr Kollege Hoffmann. Ich habe es schon erwartet, dass Sie sich jetzt beschweren, dass ich immer das Gleiche sage. Aber heute sage ich mal etwas anderes.
Herr Kollege, danke, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Und keine Angst: Die Frage ist diesmal eine andere.
Sie haben gerade – und da waren wir alle überrascht – unseren Antrag und das, was wir heute an Problemen der Kommunen geschildert haben, als unzutreffend tituliert. Uns hat das deshalb erstaunt, weil ich eigentlich schon gedacht hatte, dass Sie heute endlich mal eine ganz andere Rede halten. Denn immerhin hat Ihr Generalsekretär, der Generalsekretär der FDP, gestern wortwörtlich gesagt:
Deutschland braucht einen neuen Kurs in der Migrationspolitik.
Wir brauchen dringend eine Migrationspolitik, die im Einklang mit der Realität ist, im Interesse unseres Landes ist und die Sorgen der Bürger nicht ignoriert.
Beifall bei der CDU/CSU
Zuruf der Abg. Sandra Bubendorfer-Licht [FDP])
Da hatte ich mir eigentlich erhofft, dass Sie heute dazu etwas ausführen. Vielleicht nutzen Sie die Gelegenheit, uns das einmal zu erläutern.
Ich hatte die Kollegin Lindholz angesprochen,
die diese Schuldzuweisung macht. Das war der Bezug, den ich herstellte.
Also, der Generalsekretär der FDP sieht das wohl ähnlich!)
Aber zu dem, was Sie meinen: Ja, wir brauchen insgesamt ein Verständnis, dass wir in dieser Debatte drei sich einander widersprechende Dinge bestmöglich in Einklang zu bringen versuchen müssen. Ich würde es einmal „das magische Dreieck der Migrationspolitik“ nennen.
Wir brauchen natürlich eine Politik, die die humanitären Verpflichtungen, völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Verpflichtungen ernst nimmt und umsetzt. – Das ist das eine.
Aber was meint denn Ihr Generalsekretär?)
Das Zweite, was wir brauchen, ist eine Politik, die erkennt, dass wir volkswirtschaftliche, betriebswirtschaftliche Erfordernisse haben. Deshalb haben wir gestern eine Verbesserung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes vorgelegt. Wir brauchen zum Dritten eine Politik, die gesellschaftliche Akzeptanz schafft.
Diese drei Dinge, die ungeheuer schwer in Einklang zu bringen sind, müssen wir gemeinsam schaffen. Das muss unser Ziel sein. Das scheint sich zu widersprechen. Die einen betonen nur das eine, die anderen nur das andere. Es ist unsere Aufgabe, diese drei schwierigen Dinge gemeinsam zu diskutieren und in Einklang zu bringen. Das müssen wir versuchen. Das will ich jetzt auch mal weiter auszuführen versuchen.
Es gab ja nicht nur den Gipfel am 16. Februar mit der Innenministerin. Es wird am 10. Mai eine MPK mit dem Bundeskanzler und den Ministerpräsidenten geben,
Das ist ja extrem früh für die Kommunen!)
bei der genau diese Dinge diskutiert werden.
Was die Finanzen betrifft – das ist ein weiterer Punkt, den Sie ansprachen –: In diesem Jahr werden in der Summe über 26 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt für Flüchtlingspolitik ausgegeben werden, und zwar den ganzen Strang hindurch, begonnen bei Maßnahmen zur Fluchtursachenbekämpfung bis hin zu den Integrationsmaßnahmen. Über 12 Milliarden Euro sind für die Länder und für die Kommunen vorgesehen, über 2 Milliarden Euro für die Kommunen, die direkt von den Ländern durchgeleitet werden müssen. Man kann doch also nicht sagen, dass der Bund den Kommunen für Flüchtlingspolitik von A bis Z kein Geld bereitstellen würde. Das ist doch nicht die Tatsache. Auch dass der Rechtskreiswechsel dazu führte, dass Leistungen für ukrainische Flüchtlinge aus Bundesmitteln bezahlt werden, hat die Gemeinden ungeheuer entlastet. Auch das ist eine Maßnahme zur Entlastung der Kommunen gewesen.
Die Gemeinden fühlen sich nicht entlastet!)
Ein anderer Punkt, den Sie immer sehr kritisiert haben, ist der Chancen-Aufenthalt, den wir im letzten Dezember beschlossen haben. Das ist, wie von Ihnen verlangt, eine pragmatische Maßnahme gewesen, um einzuleiten, dass Menschen, die hier geduldet sind, die auf lange Zeit hier leben, ihren Weg aus dem Sozialsystem hinein in den Arbeitsmarkt finden, aus staatlichen Unterkünften hinein in den privaten Wohnungsmarkt. Das ist eine pragmatische Herangehensweise.
Lassen Sie mich einen weiteren Punkt ansprechen, der heftig diskutiert wird. Momentan verlangt der § 47 Asylgesetz, dass Personen, die sich im Verfahren befinden, in Aufnahmeeinrichtungen leben müssen. Das ist an sich eine sinnvolle Maßnahme,
weil dann das Verfahren in diesen Einrichtungen durchgeführt werden kann.
Zurufe der Abg. Thorsten Frei [CDU/CSU] und Alexander Hoffmann [CDU/CSU])
In der Lage, in der wir jetzt sind, muss man sich aber überlegen, ob man in Ausnahmesituationen wie dieser, wo 1 Million ukrainische Flüchtlinge und Flüchtlinge aus anderen Ländern kommen, diese Verpflichtung nicht jedenfalls temporär lockern sollte.
Das wäre ein Schritt, Herr Thomae!)
Es gibt auch viele Menschen aus Syrien, aus dem Irak, dem Iran und Afghanistan, die hier im Land Bekannte, Verwandte, Freunde haben, bei denen sie unterkommen könnten.
War das jetzt das magische Dreieck der Migrationspolitik?)
Das kann keine Dauerlösung sein. Aber in einer Lage wie der jetzigen, wo die Kommunen wirklich sozusagen aus allen Nähten platzen,
kann das eine Lösung sein, um jedenfalls für eine gewisse Zeit die Platznöte in den Kommunen zu lindern.
Beifall bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es ist aber nicht nur der Bund am Zug; das muss man sagen. Auch bei den Ländern – Sie sprachen das Thema „Rückführungen und Abschiebungen“ an – gibt es noch Defizite, was das Thema Abschiebehaftplätze betrifft. Es sind in den Ländern knapp 700 Abschiebehaftplätze bereitgestellt. Da bräuchten auch die Länder etwas mehr Kapazitäten, die sie selber schaffen müssen.
Zuruf von der AfD: Wir haben ja Flugzeuge!)
Es wurde der Respekt vor den Kommunen angesprochen. Ich finde das einen sehr wichtigen Punkt. Vor allem die Ausländerbehörden haben eine wirklich schwierige Aufgabe, in einem echten Brennpunkt, und auch eine undankbare Aufgabe, weil sie es niemandem recht machen können. Da höre ich aus vielen Behörden, dass sie sich von ihren Landratsämtern, ihren Bürgermeistern oft nicht hinreichend ernst genommen fühlen. Und auch das muss man immer wieder betonen und deutlich machen: Diese Beamten und Mitarbeiter machen eine ungeheuer schwierige, komplizierte Arbeit und bräuchten manchmal auch mehr Unterstützung aus den Behörden selber.
Wir müssen anerkennen, dass wir eine Gesamtaufgabe zu stemmen haben – der Bund, die Länder, die Kommunen, die Ehrenamtler zusammen –, und das auch leisten. Deswegen würde ich mir etwas weniger Schuldzuweisungen, etwas weniger Gift in der Stimme, weniger Polarisierung wünschen und mehr Einsicht,
Wie Ihr Generalsekretär!)
dass wir hier alle im gleichen Boot sitzen und diese schwierige Aufgabe gemeinsam stemmen müssen.
Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Alexander Throm.
Beifall bei der CDU/CSU)