Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kollegen! Der Marshallplan diente nach Ende des Zweiten Weltkrieges der wirtschaftlichen Stabilisierung Europas. Er war begrüßenswertes Instrument, die durch die Zerstörung Europas bestehenden Engpässe zu beseitigen. Er war aber vor allem eines: auf Aussöhnung mit den ehemaligen Kriegsgegnern ausgerichtet. Er richtete sich im Übrigen nicht nur an die Staaten Westeuropas und schon gar nicht nur Westdeutschland. Nur so am Rande: Großbritannien, Frankreich und Italien haben deutlich mehr Mittel aus dem Marshallplan empfangen als wir. Der Marshallplan war im Übrigen auch kein Akt selbstloser Nächstenliebe, sondern diente eindeutig auch als groß angelegtes Konjunkturprogramm für die Vereinigten Staaten. Dennoch hat Deutschland enorm vom Marshallplan profitiert. Diese Gelder haben zum Erhard’schen Wirtschaftswunder beitragen. Auch nach der deutschen Einheit hat das dem Marshallplan entstammende ERP-Sondervermögen segensreich zum Aufbau einer mittelständischen Wirtschaftsstruktur in den damaligen neuen Bundesländern beigetragen. Inzwischen wird das ERP-Sondervermögen jedoch immer mehr als ideologisches Kampfinstrument der Bundesregierung missbraucht, um ihrer planwirtschaftlich geprägten ökologisch-gesellschaftlichen Transformation Anschub zu geben. Dies, liebe Kollegen, hätte angesichts dieses Jubiläums eine eigene Debatte verdient. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Ampel und der Union, missbrauchen mit Ihren Anträgen das 75. Jubiläum des Marshallplans, um hieraus erneut eine Kriegsdebatte anzuheizen. Sie schlagen in geschichtshistorisch vergessener und geopolitisch gefährlicher Weise den Bogen vom Marshallplan über das militärische Bündnis der NATO hin zur wirtschaftlichen und militärischen Unterstützung der Ukraine und reden dann von transatlantischer Partnerschaft. Sie wollen einen Marshallplan für die Ukraine im Sinne von Waffenlieferungen und der Schließung von Fähigkeitslücken. Warum sagen Sie nicht deutlich, dass Ihr Ansinnen darauf gerichtet ist, die Ukraine in die NATO aufzunehmen und somit das Ungleichgewicht in Europa in eskalierender Weise noch weiter zu vertiefen? Sie pervertieren damit die Grundidee des Marshallplans, der auf Aussöhnung mit dem Kriegsgegner und nicht auf Eskalation ausgerichtet war. Da machen wir nicht mit. Sie haben aus der Geschichte nichts gelernt. Wenn uns der Versailler Vertrag, der Diktatfriede von 1919, und dessen Folgen eines gelehrt haben sollte, dann doch, dass ein dauerhafter Frieden die legitimen Interessen aller Kriegsparteien berücksichtigen muss. Mit der damaligen Entscheidung, der Verwerfung des Morgenthau-Plans und der richtigen Entscheidung für den Marshallplan, hat man diese Lehre gezogen. Der jetzt gewollte sogenannte Ukraine-Marshallplan führt genau zum Gegenteil. Deshalb lehnen wir beide Anträge ab. Vielen Dank.