Meine Damen und Herren, die FDP-Fraktion hat sich in der vergangenen Wahlperiode ja immer gerne als Serviceopposition bezeichnet. Darum will ich Ihnen auch helfen, etwas zu tun, das nicht verfassungswidrig ist. Erstens: eine konsequente Aufgabenkritik. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Münze hinter dem Ohr hervorzaubern, einen Blumenstrauß aus dem Ärmel ziehen oder einen kleinen Ball in der Hand verschwinden lassen – so etwas nennt man Taschenspielertricks. Im Mittelalter standen die Menschen mit großen Augen auf Jahrmärkten vor Gauklern und schauten sich solche Kunststücke an. Heute stehen wir staunend vor den Begründungen zum zweiten Nachtragshaushalt 2021. In einer wundersamen Wandlung werden Coronakredite zu Klimakrediten. Mindestens genauso staunen müsste der Kollege Dürr. Ich darf Ihnen an dieser Stelle übrigens noch einmal zur Wahl zum Fraktionsvorsitzenden gratulieren, werter Kollege. Beim rechtlich deutlich weniger zweifelhaften zweiten Nachtragshaushalt 2020 hatten Sie im Juli letzten Jahres scharfe Töne angeschlagen. Lassen Sie mich aus Ihrer Rede zitieren: Und mit Blick auf die ehemaligen Finanzminister Scholz und Walter-Borjans fragte sich der Kollege Dürr damals, warum man in der SPD nur Karriere machen könne, wenn man verfassungswidrige Haushalte vorlege. Sind das die Fußstapfen, in die Sie treten wollen, Herr Lindner? Sie sind mit der klaren Aussage angetreten, die Schuldenbremse zu verteidigen. Und auch in die Sondierungsgespräche sind Sie mit der klaren roten Linie gegangen: kein Aufweichen der Schuldenbremse. Lieber Herr Finanzminister, wollen Sie wirklich dieses Versprechen mit Ihrem ersten Gesetzentwurf brechen? Denn es ist doch offensichtlich, dass Sie die Schuldenbremse mit diesem waghalsigen Manöver aushöhlen. Zu den Coronakrediten, die Sie im Energie- und Klimafonds parken, kommen ja noch die Änderungen bei den Schuldenregeln für Sondervermögen – mit dem einzigen Ziel, den Verschuldungsspielraum in den nächsten Jahren vollkommen unabhängig von Corona zu erhöhen. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Ich halte diesen Nachtragshaushalt für verfassungswidrig. Ich halte diesen Nachtragshaushalt für den Anfang vom Ende der Schuldenbremse. Und das wird mit Ihrem Namen verbunden sein. Mit meinen Bedenken stehe ich nicht allein da. Namhafte Staatsrechtler, der Bundesrechnungshof oder der Wissenschaftliche Beirat des Stabilitätsrats haben bereits deutliche Kritik geäußert. Die ausschweifende Begründung im Gesetzentwurf zeigt anschaulich, was für geistige Verrenkungen nötig sind, um diesen Nachtragshaushalt zu rechtfertigen. Da ist die Rede davon, dass sich zur Pandemiebewältigung die Zuweisung an den EKF im Jahre 2020 bewährt habe. Nein, meine Damen und Herren! Wenn man einmal bei Gelb über die Ampel gefahren ist, heißt das nicht, dass man beim nächsten Mal bei Rot fahren darf. Die bisherigen Kreditermächtigungen haben eine feste Coronakonditionierung. Sie jetzt nachträglich für die Bekämpfung des Klimawandels auszuweiten, ist nicht nur verfassungswidrig, sondern beinhaltet einen offensichtlichen Logikfehler. Bereits seit Langem ist doch klar, dass der Klimawandel auch eine finanzielle Herausforderung ist. Das hat nichts, aber auch gar nichts mit der Bewältigung der Coronakrise zu tun. Die Pandemie ist eine außergewöhnliche Notsituation im Sinne des Artikels 115 Grundgesetz. Der Klimawandel ist dies nicht. Der Klimawandel ist eine dauerhafte Herausforderung, der wir uns im Rahmen der regulären Haushaltsführung stellen müssen. Und das können wir ohne Verfassungsbruch. Wir sind uns alle einig, dass der Kampf gegen den Klimawandel eine der drängendsten Aufgaben ist. Das muss sich dann durch Prioritätensetzung im Bundeshaushalt widerspiegeln. Bevor man Ausgaben erhöht, sollte man nach Einsparpotenzial schauen. Ich bin erstaunt, dass ich Ihnen das erklären muss, Herr Lindner. Bisher war das auch Ihre Linie. Zweitens. Aktivieren Sie private Investitionen zum Klimaschutz, statt der nächsten Generation riesige Schuldenberge zu hinterlassen! Die finanziellen Herausforderungen sind durch die Demografie bereits groß genug. Schränken Sie die Zukunftsmöglichkeiten der zukünftigen Generationen nicht weiter ein! Drittens. Effiziente Förderprogramme sind einfach besser als immer mehr Geld. Befreien Sie sich von der Illusion, dass die Erhöhung öffentlicher Ausgaben irgendeine kurzfristige Wirkung entfaltet! Ein Blick auf den stockenden Mittelabfluss im EKF sollte für diese Einsicht genügen. Stattdessen arbeiten wir mit Ihnen gerne daran, Planverfahren zu straffen und Förderprogramme zu entschlacken – oder noch besser: Stärken Sie kommunale Investitionen durch höhere Umsatzsteueranteile! Eigentlich müsste ich mit diesen Vorschlägen einem liberalen Finanzminister aus der Seele sprechen. Überzeugen Sie also Ihre Koalitionspartner, dass dies der deutlich bessere Weg ist als immer zusätzliche neue Schulden. Ganz zu schweigen davon, dass Sie Ihre Amtszeit mit einem Verfassungsbruch beginnen. Ziehen Sie deshalb diesen Nachtragshaushalt zurück!