Das werden wir jetzt ändern. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Beyer, ich muss schon sagen: Ihre Rede lässt mich einigermaßen sprachlos zurück und offenbart eine ziemlich eklatante Lateinamerika-Unkenntnis und -Inkompetenz. Aber Verbesserung ist ja in Sicht. Sie haben selbst erkannt, dass die von Ihnen geführte ehemalige Bundesregierung Lateinamerika viel zu lange die kalte Schulter gezeigt hat. Das ändern wir bereits. Die Frau Staatssekretärin hat schon gesagt, wie viel wir in diese Beziehung investieren, nicht nur durch den anstehenden Besuch des Bundeskanzlers und den vorherigen Besuch des Bundespräsidenten. Viele von uns waren schon in der Region unterwegs, um eben diese Beziehung zu stärken. Denn Führung in der Zeitenwende bedeutet mehr als nur die Frage, wie schnell Deutschland schwere Waffen liefert. Es bedeutet nicht, nur alleine vorneweg zu laufen, sondern, viele hinter einem gemeinsamen Ziel zu versammeln. Das meint der Bundeskanzler, wenn er von einer multilateralen Welt spricht. Das ist nicht nur eine Floskel. Das ist ernst gemeint. Dabei geht es ganz konkret darum, dass wir eine Welt von Blockbildung und Protektionismus verhindern. Gleichzeitig wollen wir den Einfluss Chinas in der Welt etwas zurückdrängen, indem wir attraktive Angebote zur Zusammenarbeit machen. Das EU-Mercosur-Abkommen kann solch ein Angebot sein. Die Chancen liegen auf der Hand und wurden hier vielfach vorgetragen. Auch für Lateinamerika, für die Mercosur-Staaten öffnet sich einer der größten Märkte der Welt für ihre Produkte. Aber – das muss uns klar sein – es handelt sich hier vorrangig um Rohstoffe und Agrarprodukte. Hier setzt auch die Kritik an. Anders als beim Freihandelsabkommen mit Kanada begegnen sich hier nicht zwei Regionen, die einen ähnlich hohen wirtschaftlichen Entwicklungsstand haben, um miteinander auf Augenhöhe Handel zu treiben. Vielmehr sind die Mercosur-Staaten nach wie vor geprägt von einem geringen Industrialisierungsstand, einer enormen Ungleichheit in der Boden- und Vermögenskonzentration, überwiegend informeller und unsicherer Beschäftigung und einer Wirtschaft, die vom Export von Agrarprodukten und anderen Rohstoffen abhängig ist. NGOs hierzulande kritisieren die niedrigen Sozial- und Umweltstandards im Abkommen und fordern, das Abkommen grundlegend neu zu verhandeln. Der Antrag der Union wiederum suggeriert, dass es nur noch an uns läge, dieses Abkommen zu ratifizieren, und zeigt damit – trotz des netten Treffens mit den Botschaftern Lateinamerikas, die Sie neulich eingeladen haben – Ihre Lateinamerika-Inkompetenz. Denn Sie haben wohl nicht wahrgenommen, dass es auch in Lateinamerika erhebliche Bedenken gegen dieses Mercosur-Abkommen gibt, dass wir Brasilien und Argentinien noch überzeugen müssen, weil sie von der Ratifizierung auch noch nicht vollends überzeugt sind. Was diese Länder umtreibt, ist der Wunsch, eine diversifizierte Wirtschaft und eine eigene Industrie aufzubauen, die gute und sichere Arbeitsplätze schafft. Als Sozialdemokratin kann ich dies nur zu gut verstehen. Wenn Brasilien heute Kaffeebohnen exportiert, um das verarbeitete Produkt Kaffee aus Europa wieder zu importieren, dann läuft was schief. Deshalb wird es weiter gehender Kooperationsangebote und Investitionen aus Europa bedürfen, um diese Länder dazu zu bewegen, ihre Märkte für unsere Produkte zu öffnen. Wir wollen nicht, dass für die nach Europa importierten Sojabohnen der Regenwald gerodet wird. Richtig so. Dafür muss das Abkommen auch Standards definieren. Aber das reicht nicht. Es geht darum, Brasilien auch darin zu unterstützen, effiziente Behörden zu schaffen, die gegen die Abholzung des Amazonas-Regenwalds vorgehen können. Wir müssen Investitionen in Energieinfrastruktur und Bergbau aus Europa mitfinanzieren und dadurch die hohen Standards durchsetzen, die wir und die Menschen vor Ort sich wünschen. Wir müssen diese Länder aber auch darin unterstützen, Boden- und Steuerreformen durchzusetzen, die eine gerechtere Kapitalverteilung ermöglichen; denn aus einer feudalen Bodenverteilung ist noch nie eine resiliente Industriegesellschaft gewachsen. All das kann das EU-Mercosur-Abkommen nicht alleine leisten. Aber wir können diese Verhandlungen dazu nutzen, die Beziehungen grundlegend zu vertiefen und mit Zusatzvereinbarungen und Protokollen rechtlich abzusichern. Sie irren sich, liebe Union, wenn Sie in Ihrem Antrag suggerieren, das Abkommen hätte größere Chancen, ratifiziert zu werden, wenn wir uns nur auf den Handelsteil und den Zollabbau konzentrieren. Der Eindruck, es läge jetzt nur noch an uns, in die ausgestreckte Hand einzuschlagen, ist nicht richtig. Die großen Länder Südamerikas werden das Abkommen wahrscheinlich nicht unterzeichnen, solange sie nicht substanzielle Kooperations- und Investitionszusagen aus Europa haben. Von dieser Seite sollten wir uns der Frage nähern, wie wir die Beziehungen mit unseren lateinamerikanischen Wertepartnern vertiefen. Dafür arbeitet diese Ampel. Vielen Dank.