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Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Titel
der von der AfD beantragten Aktuellen Stunde lautete ursprünglich – darauf ist
hingewiesen worden –: Klima-Extremismus als Gefahr für Staat und Gesellschaft
anerkennen und jetzt konsequent und effektiv bekämpfen. – Was für ein Titel!
In der vorletzten Sitzungswoche wurde der Antrag der CDU/CSU mit dem
Titel „Straßenblockierer und Museumsrandalierer härter bestrafen – Menschen und
Kulturgüter vor radikalem Protest schützen“ besprochen.
Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
Eine ähnliche Stoßrichtung mit einem feinen Unterschied. Frau von
Storch, ich weiß, dass Sie das schwer nachvollziehen können. Stellt die Union
die Taten in den Vordergrund, also das Blockieren und Randalieren, geht es der
AfD um den Klimaextremismus, also die Gesinnung. Während die „Letzte Generation“
glaubt, ihre vermeintlich noble Gesinnung rechtfertige ihr Vorgehen, glaubt die
AfD offenbar, diese Gesinnung mache sie erst besonders verdammungswürdig.
Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Aber die innere Haltung bei AfD und „Letzter Generation“ gleicht sich
erstaunlich, vielleicht weil auch einige AfD-Abgeordnete schon zu
grenzüberschreitenden Protestformen gegriffen haben sollen.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Ingmar Jung [CDU/CSU]
Oma besucht! Auf der Parkbank gesessen!)
– Frau von Storch, mir ist nicht bekannt, dass bei Bündnis 90/Die
Grünen, FDP oder SPD verurteilte Straftäter in den Reihen sitzen.
Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Der Rechtsstaat, liebe Kolleginnen und Kollegen, darf nur auf die
Taten schauen, ungeachtet politischer Verortung, und mit gleicher Konsequenz. Es
gibt aber auch eine politische und eine mediale Verantwortung. Keine Talkshow
und keine Debatte vergehen, ohne dass sich nicht irgendwer berufen fühlt, die
angeblich noblen Motive der Täter relativierend ins Feld zu führen.
Zuruf des Abg. Dr. Rainer Kraft [AfD])
Wenn dann noch ehemalige und aktive Funktionäre der Grünen die „Letzte
Generation“ mit dem Protest in der ehemaligen DDR oder heute im Iran
vergleichen, ist das nicht nur geschichtsvergessen, sondern geradezu
unerhört.
Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Denn niemand riskiert hier in Deutschland sein Leben, weil es einen
großen Unterschied macht, liebe Kolleginnen und Kollegen, ob man gegen ein
Willkürregime auf die Straße geht oder in einem demokratischen Rechtsstaat.
Ungeachtet jedweder Motivation muss unsere politische Botschaft sein: Ihr seid
nichts Besseres als eure Mitbürgerinnen und Mitbürger, die euretwegen
aufgehalten werden, egal ob sie auf dem Weg zur Arbeit, zu ihren Liebsten oder
zu einer lebenswichtigen medizinischen Behandlung sind. Ihr setzt euch ins
Unrecht. Eure Handlungen richten Schaden an.
Wie klein ist die Münze eigentlich, liebe Kolleginnen und Kollegen,
wenn es darum geht, das 9‑Euro-Ticket wiederzubeleben oder ein Tempolimit auf
Autobahnen einzuführen? Dann enden die Blockaden und die Schmierereien?
Die „Letzte Generation“ stellt in Teilen die Demokratie als Staatsform
infrage. Das sage ich in allem Ernst: Das ist offensichtlich. Diese sei nicht
geeignet, so wird formuliert, die gewünschten Ergebnisse gegen den Klimawandel
zu erreichen.
Gleichzeitig wird deutlich: Diese Bewegung ist medial auch deutlich
überrepräsentiert. Die „Letzte Generation“ ist dabei auch das Resultat einer
politischen Kommunikation, die seit Jahren auf der Grundlage von Panikmache
versucht, politische Geländegewinne zu erzielen. Wer wirklich glaubt: „Die Welt
geht in wenigen Jahren unter“, und in dieser Ansicht aus dem politischen und
medialen Raum gespeist wird, der sieht sich legitimiert, Grenzen des
Rechtsstaats zu übertreten.
Zuruf des Abg. Karsten Hilse [AfD])
Wer wirklich glaubt, es gebe nur einen Weg, die Welt zu retten, der
muss Demokratie und Rechtsstaat abschaffen. Denn er muss verhindern, dass anders
gewählt wird, und er muss verhindern, dass Gerichte Menschen in den Arm
fallen.
Auch wenn der Vergleich mit der RAF ziemlich überzogen ist:
Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN)
In jedem Radikalismus steckt auch ein Eskalationspotenzial.
Beifall der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
Es ist staatliche Aufgabe, schnell eine klare, aber auch besonnene
Reaktion auf diese Herausforderungen des Rechtsstaats zu zeigen. Damit meine ich
insbesondere auch eine besonnene Reaktion.
Wenn der Chef des Verfassungsschutzes erklärt, eigentlich seien die
Klimakleber um die Demokratie besorgt, dann kann ich nur sagen: Wir haben in
letzter Zeit ziemlich Pech mit unseren Verfassungsschutzpräsidenten.
Beifall bei der FDP und der AfD)
Denn die „Letzte Generation“ zeigt doch gerade, dass ihr demokratische
Entscheidungsprozesse völlig egal sind.
Ich stimme Ihnen ausdrücklich zu, Frau Dr. Scheer: Es wäre Aufgabe der
jungen Menschen, sich in den Parteien zu engagieren und für Mehrheiten zu
werben, statt zu glauben, sie könnten mit ihren Aktionen gegen Mehrheiten
opponieren.
Beifall bei der FDP, der SPD und der CDU/CSU
Zuruf von der AfD: Zu
anstrengend!)
Ich will nicht unsere Definition von Humanität verschieben und
Sterbende und lebensgefährdete Personen als Kollateralschaden einer angeblich
höheren Sache ansehen. Wer Menschlichkeit für die eigenen politischen Ziele
beiseiteschiebt, hat jegliche gesellschaftliche Solidarität verloren.
Es ist nicht mutig, sich in Berlin auf die Stadtautobahn zu kleben und
damit den Verlust von Menschenleben in Kauf zu nehmen. Es wäre mutig, bei den
eigentlichen Klimasündern für entsprechende Aktionen zu sorgen – in anderen
Staaten. Zu glauben, dass wir in Deutschland mit einem 2‑Prozent-Anteil an den
CO2-Emissionen den Klimawandel allein bewerkstelligen können, ist ziemlich naiv
und zeigt den Realitätsverlust.
Beifall bei der FDP und der AfD
Zuruf von der AfD: Eben!)
Das Problem für unsere Gesellschaft und unsere Demokratie ist nicht
die „Letzte Generation“. Das sind weitgehend Menschen, die Gutes meinen, aber
teilweise eben nicht Gutes bewirken. Damit wird der demokratische Rechtsstaat
fertig. Das Problem ist, wenn diesen Menschen vonseiten des demokratischen
Spektrums aus der Politik, den Medien, der Justiz edle Motive unterstellt werden
und Regelbrüche und antihumanistische Aktionen verteidigt werden.
Relativierung von Straftaten führt nicht zur De- sondern zur
Eskalation. Das bereitet den Boden für Gewalt und untergräbt unsere Verfassung,
ist darauf ausgelegt, Interessenkonflikte nicht durch Wahlentscheidung unter
rechtsstaatlichen Verfahren auszugleichen, sondern im Zweifel durch Gewalt. Das
ist etwas, was wir politisch jedenfalls verdammen müssen.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der
AfD)
Nächste Rednerin ist Mechthilde Wittmann für die
CDU/CSU-Fraktion.
Beifall bei der CDU/CSU)