- Bundestagsanalysen
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Versprechen zeichnen sich dadurch aus, dass man sie einhält, auch dann, wenn sich die Umstände geändert haben. Mit Versprechen meine ich – das habe ich auch gestern gesagt –: Wir haben ein Grundgesetz, wir haben ein Asylrecht, wir haben internationales Recht, in dem steht, dass das Recht auf Asyl gilt. Das ist ein Versprechen, das wir als Land gegeben haben. Die Umstände haben sich erschwert, zugegeben. Aber dann sagen wir doch nicht: „Das Recht muss jetzt eingeschränkt werden“, sondern wir sagen, dass wir die Umstände ändern müssen, und das macht auch unsere Innenministerin Nancy Faeser.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
In Ihrem Antrag fordern Sie, dass es keine weiteren Aufnahmeprogramme geben soll. Wir haben ja beide in der Großen Koalition entschieden, dass unsere Soldatinnen und Soldaten und unsere Organisationen in Afghanistan eingesetzt sind und dort helfen und unterstützen. Wir waren jetzt 20 Jahre dort. Menschen haben uns unterstützt. Wir haben gemeinsame Werte. Diese Menschen sind jetzt in Gefahr, und einige von ihnen sind leider schon getötet worden. Jetzt kann man sich doch nicht hierhinstellen und sagen: „Diese Aufnahmeprogramme sind nicht gut, die sollten wir nicht weiterführen“, sondern wir haben da eine Verantwortung gegenüber den Menschen, die uns die letzten 20 Jahre unterstützt haben, meine Damen und Herren.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Sie fordern in Ihrem Antrag, Vorhaben aufzugeben, die angeblich – ich zitiere – „Anreize zu verstärkter illegaler Einreise auslösen können“.
Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: AfD-Sprech!)
Um das auch einmal zu beenden: Mit diesen Pull-Faktoren, auf die Sie hinweisen, sind Sie wissenschaftlich gesehen noch in den 60er-, 70er-Jahren.
Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch Unsinn!)
Ich will es kurz machen; wir sind ja in einer Argumentation: Wenn Sie recht hätten, wären alle ukrainischen Geflüchteten oder andere direkt nach Deutschland gekommen; aber die meisten sind in Polen.
Die waren froh, dass keine Raketen auf sie niedergingen!)
Wenn Sie recht hätten, wären nicht 4 Millionen syrische Geflüchtete in der Türkei geblieben, sondern alle wären weitergezogen. Wenn Sie recht hätten, wenn die Theorie der Pull-Faktoren stimmen würde, wären viel mehr Menschen in dieser Welt in Bewegung.
Oje!)
Was eigentlich stimmt, ist, dass die Menschen vor Krieg und Gewalt fliehen. Das ist die Wahrheit.
Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Nicht alle!)
Wenn wir schon dabei sind, komme ich zu dem, was Sie ja auch gestern gesagt haben. Sie sprechen immer von Schutzquoten. Sie sprechen von einer Schutzquote von 40 Prozent. – Sie verschweigen aber, dass es eine bereinigte Gesamtschutzquote gibt, Herr Seif. Bei dieser bereinigten Gesamtschutzquote rechnen Sie nämlich alle Zahlen von Fällen raus, die sich formal klären lassen; also über ein Drittel davon entscheidet das BAMF gar nicht. Wenn Sie diese Zahl rausrechnen, dann ergibt sich, wenn Sie sich das letzte Jahr angucken, bei den Menschen eine bereinigte Schutzquote von etwa 70 Prozent.
Jetzt können wir uns natürlich darüber streiten und sagen: Ja, 30 Prozent sind doch zu viel. – Aber es ist eine Unwahrheit, einfach zu sagen, dass 60 Prozent der Menschen kein Recht haben, hier zu sein.
Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Das ist irreguläre Migration! Die kommen über sichere Drittstaaten!)
Kommen wir zur irregulären Migration; Sie haben das Stichwort gerade dazwischengerufen. Wenn ein Mensch nach Deutschland kommt und sagt, er möchte Asyl beantragen – da komme ich auch wieder zu dem Punkt „Rechtsstaat“, der ja Ihnen und auch uns wichtig ist –, dann prüft man diesen Asylantrag. Das macht man einfach. Das ist internationales Recht, das ist unser Recht. Das tun wir, und das ist auch gut so.
Das stellt ja keiner infrage! Darum geht es gar nicht!)
Ein Beispiel dafür, was Ihre unionsgeführten Länder gerade nicht so gut machen, ist der Fall des 41‑jährigen Reza R., der im Oktober eine Ausbildung im Pflegebereich beginnen sollte. Er wurde in Passau unter einem falschen Vorwand festgenommen und sollte in den Iran abgeschoben werden, in ein Land, das gerade mit extremer Gewalt gegen Menschen vorgeht, die für Freiheit und die Rechte von Frauen einstehen. Nur durch großen öffentlichen Druck wurde diese Abschiebung ausgesetzt.
Für Sie ist vielleicht ein Geduldeter, der in Passau eine Ausbildung beginnen möchte, ein Beleg für einen Pull-Faktor. Für uns ist diese Person eine Zukunft und ein Mehrwert für unseren Arbeitsmarkt.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Deutschland hat ein Versprechen abgegeben – in Form unseres Grundgesetzes, in Form von internationalen Verträgen, in Form unseres Asylrechts. Wenn wir davon abrücken, verliert unser ganzes Land an Glaubwürdigkeit. Wer sollte uns dann noch glauben? Auch deshalb ist es klar für uns: Wir werden nicht vom Recht abrücken, wir werden nicht aufgeben, wir werden dort weitermachen.
Danke schön.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Dr. Bernd Baumann.
Beifall bei der AfD)